Gerhard Beckmanns Meinung – Die Wiederkehr einer fast schon abgeschriebenen Generation

Personalien sind immer interessant, vor allem für die Betroffenen und alle, die sie kennen. Und die Unternehmen halten sich mit Personalmeldungen auch im Gespräch. Aufschlussreich, von allgemeiner Bedeutung, werden sie jedoch erst, wenn eine Serie in relativ kurzer Zeit ein Muster bildet, wenn ein Trend erkennbar wird, so wie gerade jetzt. t:

Reiner Kling, ein führender deutscher IT-Stratege der Branche, ist im Juli von KNOe, wo er als technischer Leiter der Katalogerfassung zuständig war, zu MVB im Börsenverein des Deutschen Buchhandels gewechselt.

Carola Markwa, bis vor kurzem Buch-Chefeinkäuferin bei Karstadt, wechselt zur Hamken-Gruppe .

Hans-Peter Joos verlässt das Schweizer Buchzentrum (SBZ) in Olten und wird Einkaufschef bei Orell Füssli in Zürich.

Die Beschlüsse der eben abgeschlossenen Aktionärsversammlung bei Eichborn laufen auf die Stärkung von Peter Wilfert hinaus, der vor kurzem erst als verlegerischer Vorstand installiert wurde.

In Holland wird Derk Haank, bis dato als CEO verantwortlich für Elsevier Publishing und Mitglied des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrats des Gesamtkonzerns Reed Elsevier, Chef von Wolters Academic, der – nach der EU nun auch von den USA kartellamtlich abgesegnet – mit Springer/Bertelsmann fusioniert wird.

Was es an diesen, Dimensionen wie Personen betreffend doch recht unterschiedlichen Meldungen Gemeinsames gibt?

Nun denn: In allen Fällen geht es um strategisch bedeutsame Unternehmensentscheide. Kling übernimmt eine die Zukunft des VLB bestimmende Aufgabe, Markwa die Leitung des Buchhauses Weiland in Hannover. Joos soll die Marktführerschaft des alten Zürcher und Schweizer Platzhirschen Orell Füssli gegen die Expansionsgelüste der deutschen Thalia-Gruppe sichern helfen. Bei Eichborn steht hinter Wilfert offenbar der neue Grossaktionär Fresenius, der das ins Schlingern geratene Frankfurter Haus neu ausrichten und wieder auf eine verlegerisch wie wirtschaftlich solide Basis bringen soll. Haank muss Wolters Academic/Bertelsmann/Springer für eine britische Investorengruppe umfassend reorganisieren, damit sie das Gebilde in vier bis fünf Jahren als einen global führenden, hochprofitablen Wissenschaftsverlage mit Gewinn weiter verkaufen kann.

Weiter: Markwa, Kling, Joos und Haank haben sichere, gut dotierte Jobs aufgegeben. Dass sie – obwohl abgeworben – mit dem Wechsel eine signifikante Gehaltsaufbesserung erzielen, scheint fraglich. Sie haben – wie Wilfert, der den inzwischen deutlich spürbaren Aufschwung bei Rowohlt einleitete – das Risiko einer neuen, großen Herausforderung gesucht.

Das ist überraschend. Denn sie gehören alle miteinander zu einer Altersgruppe, die vor kurzem noch weithin eher als Auslaufphase für Karrieren galt. Sie sind um die 50. Dass die Unternehmen ausgerechnet ihnendie Verantwortung für einen kritischen Neubeginn übertragen, markiert eine Wende.
In der Schönwetterphase, die bis vor etwa drei Jahren andauerte, setzten vor allem grosse Unternehmen auf fast jugendliche Spitzenleute, die alles anders zu machen versprachen. Dass sie, weil ihm Führen unerfahren, sich noch die Hörner abstoßen mussten, schien niemand zu stören. Für das Lehrgeld ihrer „Visionen“ hatten meist die untergeordneten Mitarbeiter zu zahlen, vor allem das so genannte mittlere Management, die in ihren Branchen verankerten „alten Schlachtrösser“, die bodenlosen Zukunftsträumen Widerstand leisteten. Wie viel an professionellem Know-How dabei in unserer wie in anderen Branchen verloren gegangen ist, wird sich wohl nie genau kalkulieren lassen. Wenn man die diesbezüglichen Diskussionen im Harvard Business Review während der letzten achtzehn Monate verfolgt hat, sind etliche Branche daran fast zugrunde gegangen.

Wir leben, wie es heißt, in Krisenzeiten. In Krisenzeiten ist keine Zeit zu verspielen. Da sind Leute gefragt, die das Ruder eines Unternehmens mit sicherer Hand rasch herumzureißen vermögen. Leute mit einer langjährigen Erfahrung, die zu umsichtigen Denken geführt hat. Die Risiken nicht verursachen , sondern zu meistern verstehen . Weil jede Krise eben auch eine Chance ist – für Menschen, die damit umzugehen wissen.

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de. Natürlich können Sie diese Kolumne auch in unserem neuen BuchMarkt-Forum diskutieren. Einfach oben auf der Seite den Button „Forum“ anklicken, einloggen und los gehts.

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert