Gerhard Beckmanns Meinung – Bonnier: „Entscheidung nach Gutsherrenart“?

So wollen wir denn, wie es sich gehört, ganz still und leise die andere Seite zu Gehör kommen lassen, diejenigen, welche die Entscheidung nicht getroffen haben, sondern von ihr betroffen sind.

Rekapitulation:

Als am 25. November der Beschluss des Kartellamts bekannt wurde, dass Random House nur Heyne übernehmen durfte, waren die Mitarbeiter der übrigen Verlage in der (früheren) UHL-Gruppe erleichtert, weil ihre Verlage nicht Bertelsmann, sondern dem schwedischen Familienkonzern Bonnier zugeteilt worden waren.

Sie waren richtig glücklich, als ihnen – oder jedenfalls einem Teil von ihnen, aber so eine Nachricht geht dann ja rasch im Haus herum – ausdrücklich versichert wurde, die Verlage Ullstein, Econ, List, Claassen und Marion von Schröder würden ihren Sitz weiterhin in München haben.

Es war ein Blitzschlag aus heiterem Himmel, als ihnen am Montag dieser Woche mitgeteilt wurde: Die nun zu Bonnier gehörenden Verlage werden zum 1. April 2004 komplett nach Berlin umgesiedelt.

Die Stimmung auf ihrer Weihnachtsfeier an der Bayerstraße war mehr als trüb.

Unter den Heyne-Mitarbeitern , die von Random House zur gemeinsamen Weihnachtsfeier in die Neumarkter Straße eingeladen worden waren, herrschte dagegen plötzlich (fast) Jubel darüber, dass ihr Verlag an den Gütersloher Familienkonzern gekommen war.

Berlin. Warum Berlin?

Dass Bonnier „keine andere Wahl“ hatte, mag von den Mitarbeitern dem Vernehmen nach niemand glauben. Als ultima ratio in einer wirtschaftlich total verfahrenen Situation sind, sagt einer, Firmenverlegungen etwa zum Erzielen von kostensparenden Synergieeffekten natürlich akzeptabel. „Ullstein und Propyläen gehören nach Berlin wie das Brandenburger Tor“ aber, sagt ein anderer, hat die gleiche Überzeugungskraft wie Sonntagsreden eines Berliner Kulturpolitikers. Im übrigen, betont wieder ein anderer, hatte Christian Strasser die beiden Traditionsverlage ja nie komplett aus Berlin abgezogen. Ullstein und Propyläen sind (mit 13 Beschäftigten) nach wie vor auch in Berlin tätig.

Ein weiterer Punkt der öffentlichen Begründung des Umzugs wird – schon gar nach dem schwierigen elfmonatigen Durchhalten in der Schwebe, mit unvermindert engagierter Leistung – von den meisten Mitarbeitern schlicht als persönliche Beleidigung, als Schmähung empfunden, die öffentliche Erklärung nämlich: „Jeder Verlag hat eine Seele und ein Umfeld in dem er verankert ist… Ullstein ist ein Hauptstadtverlag und dorthin muss er zurück.“

Das halten etliche Mitarbeiter für eine im Verlagswesen neuartige Form von Mythenbildung; denn, wie einer von ihnen es formuliert hat: „Die Seele eines Verlags ist das Team seiner Mitarbeiter, und ihrer Autoren, und diese Seele ist in München verankert.“

Die tatsächlichen Gründe für die Umsiedlung:

sind darum Gegenstand heftiger Mutmaßungen geworden. Die Beschwörung der Gemeinschaft durch Bonnier, die öffentliche Behauptung – „Wir wollen jeden mitnehmen, weil wir als Gemeinschaft zusammen bleiben müssen. Es gibt Hilfen, denn wir wollen die bisherige Gemeinschaft fortsetzen“ – ist mit Skepsis und Misstrauen registriert worden. „Es weiß doch jeder Manager, dass bei solchen Umzügen viele schon aus privaten Gründen ganz einfach nicht mitkommen können.“ Man vermutet, dass dieser Punkt für mindestens zwanzig von den 120 Verlagsmitarbeitern gilt. Und man unterstellt, dass solch eine quasi automatische Personalverschlankung das eigentliche Umzugskalkül darstellt.

Einen neuen Job, so denken viele an der Bayerstraße, werden die meisten Zurückbleibenden in der gegenwärtigen generell schwierigen Situation wohl nicht finden – „sie werden zum Sozialfall.“ So manchen anderen drücken überdies weitere Sorgen. Selbst diejenigen, die den Umzug als unternehmerische Entscheidung (Berlin ist in mancher Hinsicht entscheidend kostengünstiger als München) an sich schlicht akzeptieren – die es auch für vernünftig halten, dass, wenn Ullstein und Propyläen in Berlin residieren sollen, die übrigen Verlage mit ziehen – sind nicht überzeugt, dass alle bisherigen Verlage auf Dauer von Bonniers weitergeführt werden. Sie beklagen, dass klare Vorstellungen für die Zukunft der Verlagsgruppe Ullstein-Propyläen-Econ-List-Claassen-Marion von Schröder ihnen bisher zumindest in keiner Weise mitgeteilt worden sind. Was ihre Unsicherheit steigert: „Angenommen wir gehen jetzt mit“, so überlegt einer und denkt dabei, wie er sagt, für viele: „Wenn, was ja möglich ist, in Berlin in ein bis zwei Jahren generell neu strukturiert und der eine oder andere Verlag dichtgemacht werden sollte: Was machen wir dann in Berlin? In Berlin gäbe es dann noch viel weniger Chancen, eine neue Stelle zu finden. Was gibt es denn in Berlin sonst an Verlagen? Das mit dem Umzug nach Berlin verbundene persönliche Risiko ist einfach zu groß.“ Ein anderer, der solche Bedenken teilt, hält es für denkbar, dass deshalb bis zu fünfzig oder mehr Mitarbeiter ausscheiden und wenigstens eine Zeitlang arbeitslos sein werden. „Das glaub ich nicht“, erklärt wieder ein anderer, „viele werden zähneknirschend mit umziehen, weil sie gar keine andere Wahl haben.“

„Den Bonniers ist doch egal, was hier passiert“, meint einer sarkastisch. „Die sitzen im fernen Stockholm. Was hier in Deutschland passiert, kratzt sie nicht. Da befürchten sie keinen direkten Imageschaden für sich.“

„Das Ganze ist eine Entscheidung nach Gutsherrenart“, schimpft wer.

Es wäre gut, wenn Viktor Niemann statt der bisherigen Rhetorik ein überzeugendes Konzept präsentieren und Klartext reden würde. Denn wenn alles gut gehen soll, braucht er engagierte, hoch motivierte Mitarbeiter, so wie sie, um ihr Bestes geben zu können, eine klare, motivierende, zuverlässige Führung brauchen.. Auch das war ein Zitat, es ist aber auch meine Meinung.

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de. Natürlich können Sie diese Kolumne auch im BuchMarkt-Forum diskutieren. Einfach oben auf der Seite den Button „Forum“ anklicken, einloggen und los geht’s.

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