Gerhard Beckmanns Meinung – Haben die Verleger das Kommunizieren verlernt?

Mit der gestrigen Pressemitteilung über die Verhandlungen zwischen dem Verlegerausschuss und dem Übersetzerverband – eine Sparte des Verbandes Deutscher Schriftsteller in der Gewerkschaft verd.i – ist dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels eine böse PR-Panne unterlaufen.

Das neue, am 1. Juli 2002 in Kraft getretene neue deutsche Urhebervertragsrecht macht es den beiden Vereinigungen bekanntlich zur Aufgabe, neue gemeinsame Richtlinien zur Vergütung der literarischen Übersetzertätigkeit zu arbeiten. Die Forderungen des Übersetzerverbandes waren für die Verleger inakzeptabel. Nach dessen Auffassung setzt nämlich die vom Gesetzgeber verlangte „angemessene Vergütung für literarische Übersetzungen“ voraus, „dass die bisher tatsächlich gezahlten Honorare real verdreifacht werden“. Konkret verlangt die Gewerkschaft – über eine anderthalbe bis doppelte Erhöhung der bislang üblichen pausschalen Grundvergütung pro Manuskriptseite hinaus – zusätzlich „für jedes verkaufte und bezahlte Exemplare mindestens“ ein Honorar von drei Prozent vom Nettoladenverkaufspreis. Das wäre wirklich nicht finanzierbar. Der Verleger-Ausschuss im Börsenverein tat recht daran, solches Ansinnen zurückzuweisen. So etwas hätte die Verlage ruiniert (und auch die Übersetzer selbst arbeitslos gemacht).

Um Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen zu bringen – der Übersetzerverband hielt angeblich stur an seiner Position fest – hat der Verlegerausschuss gestern also einen Gegenvorschlag unterbreitet.

„Unser neues Angebot steht an der Grenze des für die Verlage gerade noch Vertretbaren“, erklärt Thomas Carl Schwoerer als Sprecher der verlegerischen Verhandlungsgruppe in der gestrigen Presseerklärung.

Und wie sieht das neue Angebot laut seiner Pressemitteilung aus? „Übersetzer sollen für Hardcover-Titel ab dem ersten verkauften Exemplar eine Absatzbeteiligung von einem Prozent des Netto-Ladenpreises erhalten.“ Zur Erläuterung fügt er ein Rechenexempel bei:
„Nach dem neuen Angebot der Verlegerseite würde ein Übersetzer bei einem Buch mit einem Umfang von 600 Seiten, einem Ladenpreis von 24,80 Euro und einer Auflage von 100.000 Exemplaren ein Honorar von 23.000 Euro erhalten. Heute üblich ist ein Honorar pro Seite, das in diesem Fall etwa 10.000 Euro betragen hätte.“

Auf den ersten Blick beeindruckend, nicht wahr? Doch bald nach der Meldung auf der BuchMarkt-Homepage-Seite riefen schon die ersten Übersetzer und Übersetzerfreunde teils fragend, teils verzweifelt an. Sie haben die Pressemitteilung des Börsenvereins so verstanden – und so musste man sie auch verstehen -, dass die bisherige Praxis einer Honorierung pro Seite gänzlich aufgegeben wird zugunsten der einprozentigen Beteiligung am Nettoladenpreis pro verkauftem Exemplar. Vom zuletzt übersetzten Buch eines Bekannten – ebenfalls rund 600 Seiten lang – waren gerade mal 1000 Exemplare verkauft worden. Da hätte er statt der erhaltenen Summe von rund 10.000 Euro (auf der Basis der bisher üblichen Seitenhonorierung) bloß mickerige 230 Euro bekommen. Kurzum: Bei Titeln, von denen weniger als 40.000 Exemplare verkauft werden – und das sind schätzungsweise 99 Prozent – würde der Übersetzer nach dem neuen Vorschlag des Verlegerausschusses schlechter gestellt. Übersetzer kleinauflagiger Titel müssten praktisch umsonst arbeiten. (Bei 1000 verkauften Exemplaren des gleichen Buches sprängen nämlich nur 230 Euro heraus. „Die Verleger“, schimpfte ein erboster Übersetzer, „tun wieder mal spendabel bis an die eigene Armutsgrenze, aber in Wirklichkeit ziehen sie unsereins das Hemd aus.“

Zu seiner und aller Beruhigung: Die Pressemitteilung vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels ist falsch bzw. irreführend. Denn im Langtext über den neuen Vorschlag zur Übersetzervergütung heißt es. „Seitenhonorare soll es auch in dem neuen Honorarmodell weiterhin geben, und zwar als Vorschuss auf die prozentuale Beteiligung, so dass dem Übersetzer ein verlässliches Mindesthonorar bei Erscheinen des von ihm übersetzten Titels sicher ist. Dieser Vorschuss wird mit den Ansprüchen aus dem Beteiligungshonorar verrechnet, d.h. der Übersetzer erhält zusätzliche Zahlungen ab dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch aus dem Beteiligungshonorar über das gezahlte Pauschalhonorar steigt.“ Das erscheint nun in der Tat ein diskussionswürdiges Modell, über das der Übersetzerverband eigentlich mit sich reden lassen müsste.

Wieso dann die blöde Pressemitteilung, mit der die Verleger sich der Öffentlichkeit gegenüber wieder mal – und fälschlich – selbst in die Ecke halsabschneiderischer Kapitalisten gestellt haben, die den armen Übersetzern am Ende doch nur ans Leder wollen?

„Die Sache schien uns zu kompliziert, um sie in ihrer Gänze darzustellen. Und wir waren auch der Ansicht, dass die Pressemitteilung kurz sein müsste.“

Ach, du lieber Gott!

Erstens – Natürlich, eine Pressemitteilung muss kurz und präzis sein. Aber Kürze an und für sich ist nicht das entscheidende professionelle Kriterium für PR-Arbeit. Und ein um sechs Zeilen längerer Text – mehr wären kaum nötig gewesen – wäre selbst für Journalisten noch hinnehmbar gewesen.

Zweitens – Wenn die Presseabteilung des Börsenvereins nicht mehr – das war früher anders – in der Lage sein sollte, einen komplizierten Sachverhalt, der im übrigen so kompliziert nun auch wieder nicht ist, auf eine Weise zu vereinfachen, dass der Text in den wesentlichen Punkten stimmt, kann sie bald dichtmachen. Besser das, als solche Eigentore zu schießen, die dem Ansehen der Verlage, die in der Öffentlichkeit wirklich Fürsprecher brauchen könnten, zu schaden.

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