Veranstaltungen Frankfurter Buchmesse/Open Books: Wie sieht die Buchkultur von morgen aus?

Im Rahmen des zehnten Programms Open Books in Frankfurts Stadtzentrum wurde gestern Abend im Historischen Museum über die Zukunft des Buches respektive die der unabhängigen Verlage diskutiert.

Im Podium saßen Daniela Seel, kookbooks; Axel von Ernst, Lilienfeld; Christoph Links, Christoph Links Verlag, und Kyra Dreher, Börsenverein. Manuela Reichart moderierte. Der Abend war eine Veranstaltung der Kurt Wolf Stiftung, des Vereins der Hotlist und der Kunststiftung NRW; die Stadt Frankfurt stellte den Sonnemann-Saal zur Verfügung.

„Warum gibt der Links Verlag auf?“, wollte Reichart zu Beginn der Diskussion wissen. „Es ist die Pflicht eines Verlegers, sich darum zu kümmern, dass die Autoren eine Zukunft haben und die Nachfolge geregelt ist“, antwortete Christoph Links. Sein Verlag sei wirtschaftlich stabil und habe keine Schulden, so konnte man mit dem Aufbau Verlag auf Augenhöhe verhandeln. Die Zukunft sei zunächst bis 2025 gesichert.

Kyra Dreher nannte ein paar Zahlen zur Verlagslandschaft: Das Gros verzeichne unter drei Millionen Euro Umsatz im Jahr, viele blieben sogar unter einer Million Euro. Rund 3000 Verlage gebe es in Deutschland, 1700 sind Mitglieder des Börsenvereins. Wie viele unabhängige Verlage es tatsächlich gibt, sei unbekannt. Die Zahl der Buchhandlungen sei auf etwa 2500 gesunken.

Der kookbooks Verlag arbeite mit anderthalb Leuten; neben Daniela Seel selbst sei der Freelancer Andreas Töpfer für die Buchgestaltung zuständig. Leben könne man von dem Geschäft nicht. Die Titelanzahl sei auf sieben pro Jahr limitiert. „Man kann nicht mehr als sieben Titel im Jahr schaffen“, stimmte auch Axel von Ernst zu. Das reiche nicht zum Leben.

„Bei uns leben schon zehn Leute davon. Aber mit Tariflöhnen würde es nicht funktionieren. Wir haben im Jahr zwischen 1500 und 2000 Euro Gewinn“, erzählte Christoph Links. Die VG Wort habe mit ihrer Rückforderung dem Verlag schwer zu schaffen gemacht.

Ein nächster wichtiger Schritt sei die europäische Urheberrechtsreform, die zu Ende verhandelt werden müsse. „Gute Sachbücher brauchen Zeit. Wir stecken viel Arbeit und Herzblut in unsere Bücher“, sagte Links.

Kyra Dreher bemerkte zur Lage auf dem Buchmarkt: „Ab 2016 kamen Verlage auf uns zu und sagten, dass etwas nicht stimme.“ „Den Leserschwund gibt es schon lange, aber nun kann man es nicht mehr schaffen“, fügte von Ernst hinzu.“ Daniela Seel äußerte: „Die Lyrik ist ein schmaler Bereich. Andere Verleger würden da gar nicht erst anfangen. Wir sind schon stark spezialisiert.“ Sowohl Seel als auch von Ernst fanden, dass die Arbeit der kleinen Verlage gar nicht anerkannt wird. Da sie als Wirtschaftsunternehmen betrachtet werden, haben sie beispielsweise bei der Vergabe von Krediten kaum ein Chance. „Unabhängige Verlage müssen stärker zur Kultur gehören“, forderte von Ernst. Es brauche landesweit so etwas wie die Kunststiftung NRW, die Türen öffne. Es gab zum Beispiel ein Treffen von zehn Verlagen, die von ihrer Lage und ihrer Arbeit vor der Kunststiftung berichteten. „Die Kunststiftung NRW hat daraufhin 62 Verlage eingeladen. Das Ergebnis ist die Düsseldorfer Erklärung unabhängiger Verlage“, erläuterte von Ernst.

In Österreich und in der Schweiz werden kleine Verlage gefördert, merkte Manuela Reichart an. „Auch in Skandinavien und Frankreich gibt es ähnliche Modelle, nur Deutschland steht dem skeptisch gegenüber. Deshalb würde ein Deutscher Verlagspreis ein Zeichen setzen“, äußerte Christoph Links. Der Kurt Wolff Preis zeichne jährlich zwei Verlage aus, eine gute Sache – aber zu wenig. Der Verlagspreis müsste deutlich breiter aufgestellt sein.

Britta Jürgs verkündete, dass Bundesstaatsministerin Monika Grütters am heutigen Tag einen Deutschen Verlagspreis, ausgestattet mit einer Million Euro, angekündigt habe.

„Die Düsseldorfer Erklärung hat den Prozess angeschoben, das Tübinger Memorandum spricht die Probleme noch einmal aus Sicht der Autoren an. Beides ist gut“, unterstrich von Ernst.

„Wie soll denn eine Sichtbarkeitskampagne gestaltet werden?“, fragte Reichart. „Es sollte so etwas wie die Bundeszentrale für politische Bildung auch für den Bereich Literatur geben. Was ein unabhängiger Verlag macht, muss stärker sichtbar werden. Mit der Gründung der Kurt Wolff Stiftung im Jahr 2000 ging es in die richtige Richtung“, erläuterte von Ernst. „Ab 2004 gab es eine Gründungswelle in der Verlagslandschaft und eine stärkere Vernetzung untereinander“, fügte Seel hinzu. „2009 ist die Hotlist entstanden. Wir sind viele. Und viele Gute“, setzte von Ernst fort. Zur Hotlist 2018 seien 161 Bücher eingereicht worden.

„Es gibt schon einiges, den Katalog Es geht um das Buch, die Woche der unabhängigen Buchhandlungen und weitere Aktionen. Aber in den Medien sind wir zu wenig vertreten“, warf Links ein. „Buchkritik hat eine geringere Bedeutung als früher“, wandte Reichart ein. „Es geht nicht nur um Literatur, sondern auch um Demokratie“, merkte Links an. Im Tübinger Memorandum fordern die Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger und Thomas Knubben unter anderem einen Länderkulturrat. Die „Trennung zwischen Profit- und Non-Profit-Akteuren“ in der Kulturpolitik sei „überkommen“.

„Ein Deutscher Verlagspreis reicht nicht aus, zudem nicht bekannt ist, wer was wofür und in welcher Höhe bekommt. Die Produktion eines Buches kostet mich etwa 10.000 Euro, also kann ich mit dem NRW-Verlagspreis, für den ich mich ausdrücklich bedanke, zwei Bücher produzieren“, rechnete von Ernst vor. Das helfe natürlich, aber wie solle man planen bei so einem Verfahren?

„Stimmt doch, alle fürchten sich vor langfristiger Förderung, meist sind Preise oder Stipendien kurzfristig und ein Tropfen auf den heißen Stein. Und familienfeindlich. Die ganzen Modelle sollten überdacht werden“, bemängelte Seel.

„Reden wir über Förderungskultur der Zukunft. Wie soll sie aussehen?“, fragte Reichart. „Ich würde mir wünschen, dass Lesen – und zwar das Lesen komplizierter und längerer Texte – stärker gefördert wird. Bücher könnten aufgekauft und Kitas, Schulen und Bibliotheken zur Verfügung gestellt werden.“

„Die Finanzierung preiswerter Ausgaben für junge Leute wäre eine gute Sache“, ergänzte von Ernst. „Man könnte mit einer notwendigen Aufklärungspflicht einer künftigen Bundeszentrale für literarische Bildung argumentieren“, schlug Reichart vor. Patenschaftsprogramme für Kitas brachte Seel in die Runde ein und einen Fonds für gute Bücher. „Vielleicht sollten auch die Lehrpläne in Deutsch überdacht werden. In Berlin gibt es einen Autorenpool. Dort können Autoren abgerufen werden, ihre Auftritte in Kitas und Schulen werden bezahlt. Aber die Möglichkeiten werden zu wenig in Anspruch genommen.“

Gemeinsam sollten jetzt die Weichen gestellt werden, denn Literatur ist ein förderungswürdiges Kulturgut, wie es in der Düsseldorfer Erklärung heißt, und Verlage sind Knotenpunkte des geistigen Austauschs, wie im Tübinger Memorandum formuliert ist.

JF

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