Veranstaltungen Frankfurt: „literaTurm“ startete mit Lesungskonzert

Gestern Abend wurde das Festival literaTurm im Dominikanerkloster in Frankfurt mit einem Lesungskonzert eröffnet. Mit der Komposition wurde die Musikerin Iris ter Schiphorst beauftragt, die mit der Autorin Felicitas Hoppe und dem Ensemble Modern die gemeinsame Veranstaltung entwickelte.

Kulturdezernentin Ina Hartwig ging zunächst auf den am 1. Juni im Alter von 92 Jahren verstorbenen Hilmar Hoffmann ein. Von 1970 bis 1990 war er Kulturstadtrat in Frankfurt, die Erfolge seiner Politik reichten weit über die Stadtgrenzen hinaus.

literaTurm – das sind 40 Veranstaltungen und rund 100 Mitwirkende“, sagte Hartwig. Dabei stimme der gut gefüllte Saal zur Eröffnung optimistisch. Beim diesjährigen Thema Biografie! ist das Ich wieder ins Zentrum gerückt.

Programm- und Festivalleiterin Sonja Vandenrath erinnerte ebenfalls an Hilmar Hoffmann: „Er erfand die Veranstaltung Literatur im Römer und schuf die Grundlage für den heutigen Literaturbetrieb in der Stadt.“

Das Konzeptfestival literaTurm befasse sich mit vier biografischen Themenfeldern, die zwischen Fiktion und Wahrheit liegen.

Das Lesungskonzert sei auch eine Hommage an Bernd Alois Zimmermann; an den 1970 gestorbenen Pionier der multimedialen Oper war anlässlich seines 100. Geburtsjubiläums am 20. März 2018 in besonderem Maße gedacht worden.

Vandenrath dankte ihrem Team und bemerkte: „Ein extremer Dank gilt auch den Buchhandlungen, die das Programm von literaTurm verbreiten und unterstützen.“

Jagdish Mistry, Jürgen Kruse, Eva Böcker

Auf der Grundlage der Komposition Prae-Senz (Ballet blanc II in fünf Szenen) von Iris ter Schiphorst und Helmut Oehrung komponierte ter Schiphorst für diesen Abend eine spezielle Fassung. Jagdish Mistry, Violine, Eva Böcker, Violoncello, und Jürgen Kruse, Klavier und Keybord sowie Felicitas Hoppe kamen auf die Bühne. Die Klangregie verantwortete Alexander Kolb.

Das Konzert begann mit einem furiosen Klaviersolo. Dann zitierte Hoppe aus einem ihrer ersten Bücher, Picknick der Friseure: „Ich bin nicht glücklich und habe nicht die Absicht, es zu werden.“ Sie, eine Frau, wolle fortan ihr Leben mit dem Dirigenten des Kurparkorchesters verbringen. Aufgeregt und unruhig die konträre musikalische Begleitung dazu.

Hoppe, die selbst auf einem Frachtschiff auf Weltreise war, nimmt den Zuhörer mit auf eine Reise, die von ihrem Geburtsort Hameln auch nach Amerika führt. Glenn Gould wird in Toronto beschrieben, die tröstliche Erfindung des Telefons erwähnt, die Gould allerdings enorme Kosten beschert – drei gut bezahlte Konzerte muss er geben, um die Rechnung zahlen zu können. Interviews lehnte Gould ab, man verstehe ihn ohnehin nicht. Sei es aber gerade deshalb nicht wichtig, sich verständlich zu machen? – wandte Hoppe ein. Von einem Besuch der Niagara-Fälle kam die Autorin auf John Maynard, Steuermann eines Passagierschiffes auf dem Eriesee, der sein Leben opferte, um das der Anderen zu retten.

„Ausflugsschiffe fahren an die Ufer demokratisch verwalteter Naturwunder“, bemerkte Hoppe. Und fügte hinzu: „in einer Welt, die den ganzen Tag damit beschäftigt ist, die Natur zu zerstören.“ Die Musiker vermitteln den Klang von Eisenbahnen, Dampfhämmern, Stahlwerken.

Hoppe steht im Henry Ford-Museum in Dearborn, Michigan, vor einer Vitrine, darin konserviert Edisons letzter Atemzug. „The fear starts here“, sinnierte die Autorin und Büchner-Preisträgerin, „denn die Dinge leben länger als wir.“

Schlussendlich schafft ein Twister, ein gigantischer Sturm, eine Neuordnung der Dinge. Aber: „Ich bin nicht glücklich und habe nicht die Absicht, es zu werden.“ Eine Frau will ihr Leben mit dem Dirigenten des Kurparkorchesters verbringen. So schließt sich der Kreis.

Die Autorin verwendete Passagen aus Picknick der Friseure, 1996; Pigafetta, 1999, Paradiese, 2003 – alle Rowohlt Verlag; Hoppe, 2012; und Prawda, 2018, beide im S. Fischer Verlag erschienen.

Iris ter Schiphorst, Jürgen Kruse, Jagdish Mistry, Felicitas Hoppe und Eva Böcker

Dieses Lesungskonzert wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Der Start in die neunte Auflage des Festivals literaTurm war gelungen.

JF

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