"Das siebte Kreuz" von Anna Seghers steht im Mittelpunkt „Frankfurt liest ein Buch“ 2018 mit 120 Veranstaltungen

Heute wurde in Frankfurt das Programm für die neunte Auflage von Frankfurt liest ein Buch vorgestellt. Vom 16. bis zum 29. April steht Das siebte Kreuz von Anna Seghers im Mittelpunkt.

Ina Hartwig, Constanze Neumann, Sabine Baumann, Lothar Ruske, Konstantin Küspert, Silke Haug

Sabine Baumann, seit September 2017 Vorsitzende des Vereins Frankfurt liest ein Buch und damit Nachfolgerin von Klaus Schöffling, begrüßte die Medienvertreter: „Als wir bekanntgaben, welches Buch im Fokus des Lesefestes steht, bekamen wir überwältigende Zustimmung. So sind in diesem Jahr mit rund 150 Personen, Institutionen und Einrichtungen noch mehr Partner beteiligt. In Anna Seghers’ Geburtsstadt Mainz gibt es sogar ein eigenes Kooperationsteam.“

Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig verwies auf die erste Ausgabe von Das siebte Kreuz, die 1942 auf Englisch und ein Jahr später im mexikanischen Exilverlag El libro libre von Walter Janka auf Deutsch erschienen ist.

„Mit der Wahl dieses Buches für das Lesefest 2018 wird ein Akzent in Zeiten gesetzt, in denen sich die Demokratie selbst verteidigen muss“, stellte Hartwig fest. Der weltberühmte Roman werfe universelle Fragen auf und könne dazu anregen, über die Grundwerte unserer Gesellschaft zu diskutieren. Dem Nachwort von Thomas von Steinaecker in der vorliegenden Ausgabe, 2015 im Aufbau Verlag publiziert, komme eine besondere Bedeutung zu.

Der neunte Lesemarathon gehe über Landesgrenzen hinweg, fast zwingend habe sich die Einbeziehung der Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz ergeben. Nicht nur der Roman spiele beim Lesefest eine Rolle, sondern es gehe auch um die Autorin; noch 1981 gab es Proteste gegen die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Anna Seghers, die 1900 als Netty Reiling in Mainz geboren wurde.

Constanze Neumann, seit 1. Dezember 2017 Verlagsleiterin Literatur beim Aufbau Verlag, beachtete die Entwicklung von Frankfurt liest ein Buch seit 2010 – damals stand Valentin Sengers Kaiserhofstraße 12 im Mittelpunkt des ersten Festivals. Der Aufbau Verlag freue sich, das diesjährige Buch zu liefern, außerdem die erstmals auf Deutsch erschienene Grafic-Novel-Ausgabe mit den Originalzeichnungen von William Sharp alias Leon Schleifer aus dem Jahr 1942. „Anna Seghers zeichnete im Roman das Bild der Diktatur, in der jeder Einzelne Haltung zeigen muss. Sie bildete den Querschnitt der Gesellschaft ab“, urteilte Neumann. Seghers sei von Alessandro Manzonis Roman Promessi Sposi (Die Brautleute), 1827, inspiriert worden. „Mich beeindruckte beim Siebten Kreuz der positive Grundton“, sagte Neumann. Das Buch sei unter schwierigen Umständen geschrieben worden, in Kaffeehäusern und an öffentlichen Orten von Mai 1938 bis zum Spätsommer 1939 im französischen Exil. Am Ende gibt es vier Exemplare des Manuskripts, nur eines schafft es in die USA und wird im Bostoner Verlag Little, Brown 1942 veröffentlicht. Aber der Verlag behält den Vorschuss erst einmal ein und will damit einen guten Übersetzer bezahlen.

Ein Buchclub wählt The Seventh Cross noch im gleichen Jahr zum Book of the Month, die Auflage erreicht 300.000 Exemplare. Eine gekürzte Version wird den amerikanischen Soldaten 1944 in Vorbereitung auf ihren Einsatz in Europa mitgegeben, im selben Jahr produziert Fred Zinnemann den Film mit Spencer Tracy als Georg Heisler in der Hauptrolle und Helene Weigel in einer Nebenrolle.

Das siebte Kreuz (1946) ist eines der ersten Bücher, die im Aufbau Verlag erschienen sind, der im August 1945 als erster deutschen Nachkriegsverlag gegründet worden war“, sagte Neumann. Der Verlag beschäftigte sich in den ersten Jahren explizit mit Exilliteratur. „Walter Janka war seit 1950 im Verlag, Seghers und er begegneten einander wieder. Ab 1951 mussten DDR-Verlage Themenpläne aufstellen, statt der Exilliteratur sollte dabei Literatur über das neue sozialistische Leben in den Vordergrund rücken.“ Janka wurde 1956 wegen einer „konterrevolutionärer Verschwörung“ verhaftet und in einem Schauprozess zu einer Zuchthausstrafe verurteilt.

„Anna Seghers sah im Westen keine Möglichkeiten für sich, in einer offenen Opposition der DDR gegenüber jedoch auch nicht“, äußerte Neumann. Bis zuletzt habe Seghers dem Aufbau Verlag die Treue gehalten und ihn auch als Rückzugsort genutzt.

In der BRD sei Das siebte Kreuz eine Entdeckung der 68er gewesen, die gegen das Schweigen ihrer Eltern über das Naziregime aufbegehrten.

Die 1983 in Berlin verstorbene Anna Seghers sei ihrer Heimat immer verbunden gewesen, die Eindrücke von Mainz und der Rheinlandschaft fänden sich in ihren Büchern wieder. „Mit dem Lesefest kehrt Anna Seghers in ihre Heimat zurück“, bemerkte Neumann.

Organisator Lothar Ruske informierte über das Programm, das mit mehr 100 Veranstaltungen allein in Frankfurt und über 20 weiteren in der Region – neben Mainz in Bad Soden, Eschborn, Offenbach, Bad Homburg, Wiesbaden, Gießen und Neu-Isenburg – neue Rekorde aufstelle.

„Wir hoffen, dass der Sohn von Anna Seghers, der 92-jährige Pierre Radvanyi, aus Paris anreisen kann – er hat seine Teilnahme an einigen Veranstaltungen zugesagt“, äußerte Ruske über den Ehrengast.

Bereits Ende Oktober 2017 hatte das Theaterstück Das siebte Kreuz am Schauspiel Frankfurt Premiere. Dramaturg Konstantin Küspert erklärte dazu: „In zwei Stunden muss man viel verdichten, es ist ein schmerzvoller Prozess. Es hat ein Jahr gedauert, bis Sabine Reich und Anselm Weber die Adaption fertig hatten.“

95 Prozent der Bühnendialoge stammten aus dem Roman, man habe sich am Theater für eine reduzierte Ausstattung entschieden, konzentriere sich auf die Körper und die Sprache der Schauspieler.

Es gibt neben Lesungen eine Schifffahrt, zwei Ausstellungen, Diskussionen, Theateraufführungen, Filmvorführungen, Stadtführungen, Veranstaltungen in Privaträumen, Vorträge, musikalische Abende, Busfahrten und eine Radstudienfahrt.

Neun Schulen beteiligen sich an Frankfurt liest ein Buch sowie zwölf Bibliotheken und neun Buchhandlungen. Im Hessischen Rundfunk ist die Lesung vom 16. April bis zum 11. Mai auf hr2-kultur zu hören.

Ab 1. April, so versichern die Organisatoren, ist die im Audio Verlag erschienene Hörfassung des Romans, gelesen von Martin Wuttke, wieder erhältlich.

JF

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