Verlage Edition Ruprecht: Luther-Jahr und dann?

Luther und das Reformationsjubiläum sind in aller Munde. Doch wie geht es danach weiter?  Wir sprachen mit der evangelischen Theologin Cornelia Coenen-Marx über ihr neues Buch Aufbrüche in Umbrüchen (Edition Ruprecht) und darüber, wie die Kirche jetzt aktuelle Veränderungsprozesse der Gesellschaft produktiv bewältigen helfen kann.

BuchMarkt: Frau Coenen-Marx, warum ist die Kirche auch nach dem Jubiläum ein aktuelles Thema?

Cornelia Coenen-Marx
Cornelia Coenen-Marx: „Aus eigener Erfahrung berichte ich über das. was Menschen in Umbrüchen verunsichert und umtreibt“

Cornelia Coenen-Marx: Eines gerät vielfach aus dem Blick: Die Reformation leitete eine große gesellschaftlicheTransformation ein – sie war aber auch selbst Folge einer Transformation. Mit dem Aufkommen des internationalen Handels sowie des Geld-und Bankenwesens war die Reformationszeit von erheblichen ökonomischen Umbrüchen geprägt. Der Preisverfall einheimischer Erze entzog den Bergleuten die Existenzgrundlage. Der Paradigmenwechsel von der Naturalien-zur Geldwirtschaft wirkte sich dramatisch aus. Die Auflösung der Ständegesellschaft im Frühkapitalismus erforderte also eine neue Ethik gesellschaftlicher Verantwortung –  eine Neuordnung von der Familie bis zur Fürsorge für die Armen.

In diesen Veränderungsprozessen spielte die Kirche eine entscheidende Rolle?

Sie spielte eine entscheidende Rolle indem sie den Einzelnen Mut machte, der eigenen Berufung zu folgen und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, und indem sie die Gemeinschaft unter den Menschen stärkte. Diese Haltung kann auch angesichts der aktuellen Herausforderungen hilfreich sein.

Und darum geht es in Ihrem Buch?

Mein Buch Aufbrüche in Umbrüchen (Edition Ruprecht) handelt von diesen aktuellen Herausforderungen und geht der Frage nach, wie sich die gegenwärtigen Transformationsprozesse – Globalisierung, Beschleunigungsprozesse, Migration, demokratischer Wandel – auf unser alltägliches Leben wie auf das Gesellschaftliche auswirken. Ich habe beschrieben, welche gesellschaftlichen Herausforderungen dies alles mit sich bringt, und woher die Einzelnen die Kraft nehmen, damit produktiv umzugehen. Ich habe neue Wege des Gemeinschaftlichen zu erkunden versucht.

Welche Fragen stehen hierbei im Fokus?

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Durch Klick aufs Cover geht’s zum Buch

Nicht nur soziale Fragen, sondern auch spirituelle und letztlich theologische Fragen: vom Umgang mit Zeit, der Suche nach Identität, der Begegnung mit Fremden bis zum Respekt vor den Grenzen des Machbaren. Aus eigener Erfahrung berichte ich über das, was Menschen in Umbrüchen verunsichert und umtreibt, aber auch über Hilfestellungen und Chancen, die darin liegen. Dabei geht es auch um scheinbar ganz alltägliche Fragen wie den Umgang mit dem eigenen Körper, mit Krankheit und Schmerzen, um Reisen und Rituale.

Sie gehen auch auf die Möglichkeiten der Kirche heute ein…

Genau –  am Ende schaue ich auf die Möglichkeiten der Kirche heute, deren Einfluss in einer pluralen und auch säkularen Gesellschaft natürlich nicht mehr groß ist. Aber Kirche hat viel von dem, was wir in dieser Transformation brauchen: Angebote und Möglichkeiten, sich zu engagieren, Chancen zur Beteiligung und Auseinandersetzung mit anderen. Das beginnt bei den Räumen, die die Kirche in fast jedem Dorf oder Stadtteil hat und die für Begegnungen genutzt werden können.

Kirche hat alte und neue Rituale, die helfen Übergänge zu gestalten. Und sie hat eine eigene Kultur der Auseinandersetzung über Grundlagen und Werte. In der Sprache der Reformation würde man sagen: Wichtige Potenziale liegen im Priestertum aller, der Offenheit für Debatten über die Bibel, aber auch in dem noch immer lebendigen Anschluss an alte mystische Traditionen. Vor allem aber hat Kirche Erfahrung mit Übergängen – in der Begleitung Einzelner wie auch gesellschaftlich. Wir sind weniger ‚ein’feste Burg‘ als eine Pilgergruppe, die sich gegenseitig unterstützen kann.  Wie sich Kirche auch ganz praktisch wandeln muss, um diese Vorzüge besser zum Leuchten zu bringen, dazu sage ich etwas aus meinen Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen von Kirche und Diakonie.

Also nur eine Lektüre für Fachleute und Theologen?

Nicht nur. Angesprochen werden sollen engagierte Christen und Christinnen und diejenigen, die sich fragen, ob und wie Kirche beitragen kann, die gegenwärtigen Veränderungsprozesse produktiv zu bewältigen: für die Einzelnen wie für die Gesellschaft.

 

 

 

 

 

 

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