Dirk H. Beenken und Tom Erben heute im Sonntagsgespräch über den neuen wbg-Sachbuchpreis „Wir wollen die Stimme der Geisteswissenschaften in der Gesellschaft stärken und bitten auch den Buchhandel um seine Stimme“

Dirk H. Beenken (r.) und Tom Erben: „Wir glauben, dass die Klientel der Sachbuchleser mittlerweile größer ist, als sich das in manchen Buchhandlungen abbildet. Zumindest bei unseren Mitgliedern ist hier ein starkes Bedürfnis gewachsen. Neben dem Deutschen Buchpreis braucht es geradezu einen ebenbürtigen Sachbuchpreis für Geisteswissenschaften“

 

Das hatten wir am Donnerstag gemeldet: Im kommenden Jahr wird erstmals der Wissen! Sachbuchpreis der wbg für die Geisteswissenschaften vergeben, mit 40.000 Euro ist er dann der höchstdotierte deutschsprachige Sachbuchpreis. Die wbg möchte damit „die Stimme der Geisteswissenschaften in der Gesellschaft stärken“ und lädt deshalb neben ihren Mitgliedern auch alle Buchhandlungen ein, ihre Stimme abzugeben. Das war Anlass für das heutige Sonntagsgespräch mit Dirk H. Beenken (geschäftsführender Direktor der wbg) und Tom Erben (Director Community Relations).

Wieso ein neuer Sachbuchpreis? 

Dirk H. Beenken: Die wbg als größte geisteswissenschaftliche Gemeinschaft verfolgt das Ziel, die Offenheit für neue Erkenntnisse, das Bemühen um Objektivität und das sorgfältige Abwägen von überprüfbaren Fakten zu fördern, und zwar über gesellschaftliche Gräben und die Grenzen virtueller Filterblasen hinweg.

Deswegen Ihr Slogan: Fake News spalten – Wissen verbindet? 

Ja, sich das bewusst zu machen ist heute notwendiger denn je, wie wir täglich in den Nachrichten sehen können. Parallel stellen wir ein wachsendes Bedürfnis nach Sachbüchern fest, die Orientierung geben. Wir glauben, dass die Klientel der Sachbuchleser mittlerweile größer ist, als sich das in manchen Buchhandlungen abbildet. Zumindest bei unseren Mitgliedern ist hier ein starkes Bedürfnis gewachsen. Neben dem Deutschen Buchpreis braucht es geradezu einen ebenbürtigen Sachbuchpreis für Geisteswissenschaften.

Tom Erben: Das war übrigens ein Vorschlag aus dem Kreis unserer Mitglieder, den wir aufgegriffen haben. Dort ist bekannt, allerdings von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, dass die wbg seit 1989 ein Doktorandenstipendium und seit 2009 den Wilhelm Weischedel Fond vergeben hat. Das soll sich mit dem Wissen! Sachbuchpreis der wbg für Geisteswissenschaften grundlegend ändern. Wir wollen mehr Sichtbarkeit für die wbg, auch im Buchhandel.

Und wie wollen Sie den Buchhandel einbinden? 

Durch Klick auf die Abbildung können Buchhandlungen sich hier auch mit ihrer Verkehrsnummer registrieren und am Auswahlverfahren zum höchstdotierten deutschen Sachbuchpreis teilnehmen

Tom Erben: Die neue Auszeichnung ist deutschsprachigen Originalveröffentlichungen gewidmet, die drei Bedingungen erfüllen: Sie sollen einen herausragenden Beitrag zu den Geistes- oder Sozialwissenschaften leisten, anschaulich für ein breites Publikum geschrieben sein und gesellschaftlich relevante Fragen behandeln. Wer kann das besser beurteilen als der Buchhandel?

Es wird aber zusätzlich eine Fach-Jury geben?

Dirk H. Beenken: Ja, und wir finden, dass wir sogar eine hochkompetente Jury gewonnen haben: Mitglieder sind der ZDF-Chefredakteur Peter Frey, der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Jürgen Kaube, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger, die zukünftige Direktorin des Deutschen Literaturarchivs in Marbach Sandra Richter und der Theologe Hubert Wolf. Sie werden die Titel genau in Augenschein nehmen, die durch das Nominierungsverfahren ausgewählt wurden.

Wie läuft das Auswahlverfahren?

Tom Erben: Die am häufigsten nominierten Bücher in den Warengruppen 5 (Geisteswissenschaften), 7 (Sozialwissenschaften) und 9 (Sachbuch) werden zu einer Longlist mit 25 Titeln zusammengestellt. Aus dieser Vorauswahl wird die Shortlist mit fünf  Titeln und daraus wiederum der Gewinner gewählt. Neben den fünf Voten der Jury-Mitglieder zählen dabei die Abstimmungsergebnisse der wbg-Mitglieder und der Buchhandlungen jeweils als eine Stimme.

Die ersten Titel haben Mitglieder der wbg in der letzten Woche bereits nominiert …

… ja, und die bisherigen Top 10 reichen von Bernhard Pörksens „Die große Gereiztheit“ (Hanser) bis Manfred Spitzers „Cyberkrankheit“ (Droemer). Wichtig: Jede Buchhandlung mit einer Verkehrsnummer hat jeweils eine Stimme für die Nominierung (ab sofort), die Auswahl der Shortlist (ab Februar 2019) sowie den Preisträger (ab April 2019). Dazu muss man sich nur einmalig anmelden mit einer beliebigen Mailadresse und der Verkehrsnummer der Buchhandlung.

Die wbg zeichnet also keine eigenen Bücher aus?

Dirk H. Beenken: Der „Wissen! Sachbuchpreis der wbg für Geisteswissenschaften“ soll das beste und relevanteste Buch auszeichnen – die Chance, dass der Preisträger bei wbg Theiss oder wbg Academic erschienen ist, sind durchaus gegeben. Aber das spielt bei der Auswahl keine Rolle. Im Gegenteil: Das Auswahlverfahren wird einem breiten Spektrum herausragender Sachbücher mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Der Preis soll außerdem Autoren einen zusätzlichen Anreiz bieten, sich mit ihren Werken um die Geisteswissenschaften verdient zu machen.

Wie kann sich die wbg eigentlich ein solches Engagement für die Branche leisten?

Dirk H. Beenken: Viele wissen gar nicht, dass die wbg gar kein klassischer Verlag ist. Als wirtschaftlicher Verein sind wir der Förderung von Wissen und Bildung verpflichtet – so steht es in der Satzung, die bei der Gründung der Wissenschaftlichen Buchgemeinschaft 1949 in Tübingen formuliert wurde. Damals galt es, die durch den Krieg verwaisten Bibliotheken zu fördern. Heute, in Zeiten von Digitalisierung und Populismus, ist die Förderung von Wissen und Bildung mindestens ebenso wichtig. Neben Buchprojekten, die auf dem freien Markt kaum erscheinen könnten, fördern unsere Mitglieder viele Projekte und Initiativen wie „ArbeiterKind.de“. Auch „Wissen! Der Sachbuchpreis der wbg für die Geisteswissenschaften“ wird durch die Beiträge und Spenden unserer Mitglieder finanziert, auf deren Anregungen der Preis entstanden ist. Getragen wird er vom Förderverein „Wissen verbindet e.V.“.

Können auch Verlage ihre Titel ins Rennen schicken?

Tom Erben: Abstimmen dürfen Buchhandlungen und Mitglieder der wbg. Wir freuen uns natürlich über jedes neue Mitglied, das die Förderung von Wissenschaft und Bildung unterstützt – das können auch Verlage oder deren Mitarbeiter sein. Der Beitrag für ein Premiummitglied beträgt übrigens nur 30 € im Jahr, das ist weniger als ein Kinoabend. Aber Menschen, die Entdeckungsreisen in die Welt des Wissens lieben, haben möglicherweise mehr davon. Denn wir laden unsere Mitglieder zu exklusiven Events ein, wir bieten Vergünstigungen für Museumsbesuche, und wir bieten ein einzigartiges Netzwerk von 85.000 klugen Köpfen.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

 

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