Lukas Verlag hat beim Hamburger Oberlandesgericht Berufung eingelegt „Unerkannt durch Freundesland“ vom Hamburger Landgericht verboten

Das von Cornelia Klauß und Frank Böttcher herausgegebene Buch Unerkannt durch Freundesland. Illegale Reisen durch das Sowjetreich aus dem Lukas Verlag darf infolge eines Urteils des Hamburger Landgerichts nicht mehr vertrieben werden. Das Gericht gab der Klage einer in dem Band nur peripher erwähnten und obendrein anonymisierten Person „Fritz“ statt, wie der Lukas Verlag mitteilt:

In dem beanstandeten Tatsachenbericht „Wir waren Verrückte und wollten es auch bleiben“ schildert Jürgen van Raemdonck, wie er und »Fritz« 1986 und 1987 vergeblich versucht hatten, aus der DDR über den sibirischen Fluss Kolyma und das Eismeer nach Alaska zu gelangen und somit in den Westen zu fliehen.

„‚Fritz‘ behauptet eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, weil das Bekanntwerden seiner nunmehr dreißig Jahre zurückliegenden Fluchtpläne ihm angeblich sogar heute noch schaden würde“, erläutert Lukas – Verleger Frank Böttcher, der auch Mitherausgeber des Buches ist: „Das Gericht verhindert de facto nicht nur van Raemdoncks Text, sondern auch zwei Dutzend weiterer Beiträge in dem Buch. Letztlich hat das Urteil zur Folge, dass eine zeit- und kulturgeschichtlich hochbedeutsame, vielfach gelobte Darstellung ostdeutscher Alternativ- und Subkultur insgesamt vom Markt genommen werden muss. Ich halte dies für eine inakzeptable Fehlentscheidung, die, sollte sie Schule machen, weitreichende Folgen für den deutschen Sachbuchmarkt insgesamt haben dürfte.“

Der Lukas Verlag hat beim Hamburger Oberlandesgericht Berufung eingelegt. Bis zu dessen Entscheidung ist der Vertrieb weiterhin möglich.

Das Buch liegt inzwischen in der dritten Auflage vor. »Fritz« hatte bereits wenige Monate nach dessen Erstpublikation 2011 versucht, beim Berliner Landgericht dagegen vorzugehen, zog aber seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück, als ihm vonseiten des Gerichts keine Hoffnung auf Erfolg gemacht wurde. Frank Böttcher: „Umso unverständlicher ist es, dass nun mehr als sechs Jahre später das Hamburger Landgericht entschied, die Privatsphäre des (anonymisierten!) »Fritz« sei schutzwürdiger als die Wiedergabe des authentischen Erlebnisberichts des Autors“

Unerkannt durch Freundesland berichtet von jungen Leuten aus der DDR, die trickreich ohne Genehmigung kreuz und quer durch die Sowjetunion reisten – immer auf der Flucht vor dem KGB und der Miliz. In zahlreichen Zeitzeugeninterviews werden wahrhaft verwegene Reisen rekonstruiert, die bis in die entlegensten Winkel der UdSSR führten. Die Abenteurer fanden, wo sie die politischen und bürokratischen Grenzen zu überwinden vermochten, ihre innere Freiheit. Damit beleuchtet das Buch umfassend bisher wenig wahrgenommene Aspekte unangepassten Verhaltens in der DDR.

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