Mit der Entscheidung der Schwedischen Akademie, den Literaturnobelpreis 2016 dem Singer-Songwriter Bob Dylan zu verleihen, wurden einige Rituale außer Kraft gesetzt: Zunächst zögerte Dylan mit der Annahme der Ehrung, dann fehlte er bei der Verleihung und erst vor wenigen Tagen, kurz vor Ablauf der Frist, hielt er die obligatorische Dankesrede, eine Voraussetzung für den Erhalt des Preisgeldes von rund 840.000 Euro. Dylan lässt sich von einem Jazz-Piano begleiten und spricht in dem 27-minütigen Audiodokument, das sich seit gestern rasch viral verbreitet, über die Bedeutung von Literatur für seine Lieder. Die Rede ist als Audiodokument und als Abschrift ist u.a.auf der Webseite der Nobelpreis-Akademie veröffentlicht worden:
Bob Dylan setzt drei literarische Werke in den Mittelpunkt seiner Rede: Zunächst spricht er über Herman Melvilles „Moby Dick„, dann über Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ und schließlich über Homers Odyssee. Da er für jedes Werk nur etwa sieben Minuten Zeit hat, tut er dies nacherzählend und zusammenfassend, aber mit sichtlicher Begeisterung für das Schicksal der Helden, „allesamt kämpfende Männer auf sehr verschiedenen Schlachtfeldern“. Was die Autoren mit ihren Geschichten sagen wollten, sei nicht so wichtig, so Dylan, aber wie sie es erzählten, wie sie Krieg und Religion, Wissenschaft und Leidenschaft dramatisierten, das sei für ihn herausragend. Auch die Bedeutung seiner Lieder sei nicht so wichtig, es komme darauf an, dass die Songs ihre Hörer bewegen.
Mit der Entscheidung der Akademie in Stockholm hat sie beim Publikum für einen Crossover-Effekt gesorgt: Literaten beschäftigen sich mit Folksongs, Rockfans mit Literatur. Bei den Online-Händlern ist jetzt schon die Nachfrage nach den drei von Dylan besprochenen Büchern rasant gestiegen.
(nb)
