Veranstaltungen 15. Langer Tag der Bücher in Frankfurt

Gestern fand im Haus am Dom im Herzen Frankfurts zum 15. Mal der Lange Tag der Bücher statt. Organisator Florian Koch begrüßte die um 11 Uhr schon zahlreich versammelten Gäste im großen Saal – zum fünften Mal war die Katholische Akademie Rabanus Maurus Gastgeber, vorher war der Lange Tag der Bücher im Chagallsaal des Schauspiels Frankfurt zu Gast gewesen.

„Das Programm der zehn beteiligten Frankfurter Publikumsverlage reicht von Klassik bis Poetry Slam“, verkündete Koch.

Im Foyer und im Treppenhaus hatten fünf Antiquare ihre Stände aufgebaut, sie luden zum zehnten Bouquinistenmarkt ein.

Florian Koch, Peter Feldmann und Axel Dielmann

Der Schirmherr des Langen Tages der Bücher, Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann, selbst in einer Familie aufgewachsen, in der viel gelesen wurde und der Vater Fachpublikationen veröffentlichte, verwies auf die lange Literaturtradition in Frankfurt. Er schlug eine Brücke zum jüngsten Buch des ehemaligen und weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann: „Mich hat Hoffmanns Credo ‚Kultur für alle’ stark beeindruckt.“

Der Tag startete mit einer Wiederveröffentlichung nach über 100 Jahren; Wolfgang Bunzel, Leiter der Brentano-Abteilung im Frankfurter Goethe-Haus, stellte Das Haus der Brentano von Wolfgang Müller von Königswinter, nun erschienen in den Henrich Editionen und von Bunzel herausgegeben, vor. „Es ist ein Buch mit wissenschaftlichem Anspruch, und es liefert einen Überblick auf 200 Jahre Familiengeschichte.“ Eigentlich träfe der Titel nicht ganz zu, denn Müller von Königswinter schrieb die erste Doppelbiografie von Clemens und Bettine Brentano. Der Text erschien erstmals 1874, ein Jahr nach dem Tod des Autors, in den damals beliebten Romanzeitschriften, als Buch brachte es die Deutsche Verlagsanstalt 1913 heraus: „Ein Enkel des Autors hatte das Manuskript gefunden und sich um die Veröffentlichung gekümmert“, berichtete Wolfgang Bunzel.

Harry Oberländer und Roland Reuß, der zudem auf den Kafka-Kurier verweist

Die Edition der Handschriften zu Franz Kafkas Das Schloss stand im Mittelpunkt der zweiten Stunde. Harry Oberländer und Roland Reuß stellten die sechs Hefte und eine Begleitpublikation umfassende Ausgabe im (noch in Herstellung befindlichen) Schuber vor. Der Stroemfeld Verlag legt damit nach Der Process (1997) ein zweites umfassendes Werk der Franz-Kafka-Ausgabe vor. Reuß sprach zunächst über die schwierige Finanzierung: „Die setzt uns abseits der wissenschaftlichen Arbeit unter Druck.“ Die Ausgabe, die aus Handschrift im originalen Quartformat und auf der gegenüberliegenden Seite aus chronologisch differenzierter diplomatischer Umschrift besteht, ist eine Fundgrube für Kafka-Spezialisten und interessierte Laien. „Die Bearbeitungen und Nachschriften Kafkas sind aufgrund der Strichstärke erkennbar“, erklärte Reuß. Außerdem beginne Das Schloss nicht so, wie in den von Max Brod begleiteten Ausgaben. Brod unterdrückte vier Seiten von Kafkas Einführung in den Roman.

Elisabeth Abendroth und Axel Dielmann

Hilmar Hoffmann, der aufgrund einer Erkältung nicht selbst anwesend sein konnte, verfasste Generation Hitlerjugend, im Untertitel Reflexionen über eine Verführung. In Vertretung des ehemaligen wirkungsreichen Kulturdezernenten waren die Frankfurter Ehrenbürgerin Trude Simonsohn und die langjährige Mitarbeiterin des hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst Elisabeth Abendroth gekommen. Verleger Axel Dielmann, der Hoffmanns 50. Buch veröffentlichte, konnte zudem Hilmar Hoffmanns Sohn Kai begrüßen. „Als mir Hilmar Hoffmann vom Vorhaben erzählte, sich an seine Kindheit und Jugend in einer Zeit der Verblendung zu erinnern und seine Gedanken aufzuschreiben, habe ich mich sehr gefreut“, sagte Abendroth. Der 1925 Geborene habe sich mit dem auseinandergesetzt, was damals passierte.

Herbert Kramm-Abendroth und Trude Simonsohn

Auch die 1921 geborene Trude Simonsohn, Überlebende von Auschwitz und unermüdlich als Zeitzeugin unterwegs, ist der Meinung, dass jeder seine eigene Geschichte aufarbeiten muss. Deshalb schätze sie die Anstrengungen Hoffmanns. „Das Buch ist ein autobiografischer Entwicklungsroman, eine Film-, Kultur- und Erziehungsgeschichte des Naziregimes und verdeutlicht die Ideologie dieses Systems“, lobte Abendroth. Sie sei zwar an vielen Stellen anderer Meinung, aber wir lebten ja in einer Demokratie, fügte die Engagierte hinzu.

„Das Buch stemmt sich gegen notorische Geschichtsvergessenheit“, erklärte Dielmann, der Hilmar Hoffmann Anfang der 1980er Jahre kennengelernt hatte. „Kulturpolitik war damals wichtig“, stellte der Verleger fest, „sie ist das richtige Mittel gegen ideologische Verirrungen und Fremddenken.“

Morgenland heißt Luise Risters Buch, erschienen im Verlag der Autoren. Im Gespräch mit Thomas Maagh stellte die Autorin ihren zweiten Roman vor und las einige Passagen aus dem Buch mit dem Untertitel Die Geschichte einer Liebe auf der Flucht. Frida, die an die serbisch-ungarische Grenze reist, um Flüchtlinge zu unterstützen, lernt dort Ali aus Afghanistan kennen. Nach einer abenteuerlichen Reise in Deutschland angekommen, stellen beide fest, dass Ali keine Chance auf ein Bleiberecht hat. Er muss untertauchen.

Im Verlag Michason & May kam Ali, der Tinnitus und ich von Betty Kolodzy heraus. Verleger Peter Koebel sprach mit der Autorin über ihren Roman. Im skurrilen Prolog lernte der Zuhörer eine Pirouetten drehende Schildkröte kennen, wurde mit Schuhen für Buddhisten und der DVB (Deutsche Vaterlands-Beschützer) konfrontiert. Koebel hat außerdem vor Lesung und Gespräch Bögen des BAIS (Bundesministerium für Integration und so) verteilt, in dem dazu aufgefordert wird, einen Migranten bei sich aufzunehmen – die Prämie beträgt 500 Euro monatlich.

Betty Kolodzy lehrte selbst Deutsch als Fremdsprache und sagte auf die Frage, ob denn absurde Vorstellungen aus ihrem 2012 erschienenen Buch tatsächlich zu beobachten seien: „Es ist erschreckend, wie viele Absonderlichkeiten Realität geworden sind.“ Bereits 1990 erlebte sie in Berlin Exzesse von Fremdenfeindlichkeit, „ein Albtraum“, bemerkte Kolodzy und fürchtet, dass sich solche Hassattacken wiederholen könnten.

Fest stehe allerdings, und das erfahre sie auch in ihren kreativen Schreibwerkstätten für Flüchtlinge: „Wer als Geflüchteter Kontakt zu Deutschen hat, integriert sich besser.“

Mit völlig anderen Problemen beschäftigt sich Susanne Kaloff in Nüchtern betrachtet war’s betrunken nicht so berauschend, erschienen im S. Fischer Verlag. Im Gespräch mit Bärbel Schäfer erklärte die Kolumnistin und Spezialistin für Essen, Trinken, Liebe, Mode und Beauty, warum sie keinen Alkohol mehr trinke und wie schwierig es sei, diese Haltung in einer Spaßgesellschaft, in der jederzeit und ziemlich viel getrunken werde, zu vermitteln. Viele fragten Kaloff, ob sie Probleme mit Alkohol gehabt habe. Die Kolumnistin und Abstinenzlerin antwortete: „Nein, Alkoholikerin war ich nie. Und Probleme bekomme ich erst, wenn ich erklären muss, dass ich nicht trinke.“

Krimizeit war in der siebenten Stunde angesagt: Lothar Ruske unterhielt sich mit Autor Ralf Schwob über dessen Frankfurt-Krimi Holbeinsteg, erschienen im Societäts-Verlag. Das inzwischen achte Buch des gelernten Krankenpflegers führt auf der Suche nach einem verschwundenen Mädchen zu zwielichtigen Geschäften, Verwicklungen und Panikattacken.

Alf Mentzer sprach mit Britta Boerdner über ihren Roman Am Tag, als Frank Z. in den Grünen Baum kam, erschienen in der Frankfurter Verlagsanstalt. Was passierte 1969 in der Provinz, als ein weltbekannter Musiker auftauchte? Boerdner interessierte in ihrem Roman die Enge der Dorfstraßen und die vergleichbare Enge in den Köpfen der Menschen.

Ein weiterer Krimi, Happy Birthday, Türke! von Jakob Arjounis, publiziert in der Edition Büchergilde und illustriert von Philip Waechter, stand auf dem vorletzten Programmpunkt. Cosima Schneider und Silvio Mohr-Schaaff stellten das Buch vor, Su Turhan, Regisseur und Autor der Kommissar Pascha-Krimis, las daraus. Happy Birthday, Türke! war der erste Fall des Privatdetektivs Kemal Kayankaya, insgesamt schrieb der 2013 verstorbene Jakob Arjounis fünf Kayankaya-Krimis.

Mit witzigen Beobachtungen von Poetry Slammer Jey Jey Glünderling ging der Lange Tag der Bücher zu Ende. Der Autor von Traumberuf Marktschreier, Verlag Weissbooks.w, unterhielt sich außerdem mit Verlagsmitarbeiter und Assistent der Geschäftsführung Robin Schmerer.

Der Verein Literaturbetrieb hatte vor dem Saal in der ersten Etage einen großen Büchertisch aufgebaut, dort konnte man die präsentierten Bücher und weitere erwerben.

Wer nicht jede Stunde im großen Saal dabei sein wollte, hatte auf der zweiten Etage Gelegenheit, sich an einen Büchertisch zurückzuziehen und in bereitgelegter Literatur der zehn Verlage zu stöbern.

JF

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