Veranstaltungen 14. Langer Tag der Bücher in Frankfurt

Gestern fand im Haus am Dom in Frankfurt der Lange Tag der Bücher statt. In der 14. Auflage der Veranstaltung präsentierten wieder zehn Publikumsverlage aus der Mainmetropole ihre Novitäten.

Florian Koch

„Wir freuen uns, zum dritten Mal im Haus am Dom zu Gast sein zu dürfen“, begrüßte Organisator Florian Koch die zahlreichen Zuhörer, die bereits um 11 Uhr in den Saal im ersten Obergeschoss gekommen waren. Die Veranstaltung ist eine Kooperation mit den literarischen Institutionen sowie dem Verein Literaturbetrieb und wird vom Kulturamt der Stadt Frankfurt und dem Landeverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels sowie der Nassauischen Sparkasse gefördert.

Den Auftakt gestalteten die Henrich Editionen mit Die Brentanos – Eine romantische Familie? mit den beiden Herausgebern Bernd Heidenreich und Wolfgang Bunzel, es moderierte Hans Sarkowicz.

Der Historiker Heidenreich unterstrich: „Die Brentanos sind ein gutes Beispiel für geglückte Integration.“ Im 17. Jahrhundert kamen die Kaufleute aus der italienischen Provinz Como vor allem in die deutschen Reichsstädte. Peter Anton Brentano wurde 1762 Frankfurter Bürger. „Allerdings waren die Zünfte in Frankfurt von den Mitbewerbern alles andere als begeistert“, fügte Heidenreich hinzu.

„Von Peter Anton Brentano, dem Vater von Clemens und Bettine, haben wir außer den Aufzeichnungen seiner Tochter Bettine wenige Quellen. Peter Anton Brentano war dreimal verheiratet und hatte insgesamt 20 Kinder sehr unterschiedlichen Alters“, erläuterte Bunzel. Es sei ein großer Geschwisterverband gewesen, über den man unter anderem im von Heidenreich herausgegebenen Geist und Macht. Die Brentanos, Westdeutscher Verlag Wiesbaden, 2000, nachlesen könne. Das Werk sei Basis des neuen Buches gewesen.

Die stärkste Erinnerung, so setzte Heidenreich fort, biete das Brentanohaus in Winkel im Rheingau. Es wurde 2014 den Nachkommen vom Land Hessen abgekauft. „Es war ein Treffpunkt der Romantik“, bemerkte Heidenreich.

„Seit Frühjahr 2015 wird das Haus saniert, einiges ist schon sichtbar, aber es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis alles fertig ist“, äußerte Bunzel, Leiter der Brentano-Abteilung beim Freien Deutschen Hochstift/Goethe-Haus Frankfurt. Später sei im Haus eine Ausstellung geplant, Interessierte sollen sich zu Führungen durch das Gebäude anmelden können. „Schon im 19. Jahrhundert wurden die Räume erhalten und gepflegt. Eine Besichtigung der Goethe-Zimmer war damals bereits nach Vorsprache möglich“, ergänzte Bunzel.

Clemens und Bettine Brentano fallen aus der Kaufmannsfamilie heraus und verfolgen einen romantischen Lebensentwurf. Doch dieser konnte nur realisiert werden, weil die Familie das finanziell unterstützte“, stellte Heidenreich fest.

„Clemens ist ein Künstler des Eigensinns, ohne dass diese Bezeichnung etwas mit persönlicher Verschrobenheit zu tun hat“, sagte Bunzel, „außerdem deckte er die Verlogenheit seiner Zeit auf. Ein hohes Maß an Zerrissenheit ist bei ihm zu konstatieren. Bettine widersetzt sich bis zu ihrem 25. Geburtstag allen Heiratsvorschlägen und ehelicht dann Achim von Arnim.“

Die Familie Brentano ist weit verzweigt, es gibt viel zu entdecken. Bunzel verweist außerdem auf den Roman Theodor Chindler von Bernhard von Brentano, 2014 im Verlag Schöffling & Co. wieder verlegt.

Die Mikrogramme 1924/1925 von Robert Walser, erster Band der kritischen Werkausgabe, gerade im Stroemfeld Verlag erschienen, standen als nächstes auf dem Programm. Die Herausgeber Angela Thut, Christian Walt und Wolfram Groddeck unterhielten sich, moderiert von Harry Oberländer, über die Ausgabe. „Die Mikrogramme, Mythen am Rand des Schreibens, sind zwischen 1924 und 1933 entstanden. Robert Walser schrieb winzig klein und mit Beleistift. Die späteren Abschriften sind mit Tinte gefertigt – und wesentlich größer“, erzählte Walt. 1.300 Bleistiftseiten lägen vor, das entspräche etwa 6000 bis 10.000 Buchseiten. „Die Texte sind untereinander verknüpft und befinden sich auf Kalenderblättern, Honorarabrechnungen, Groschenromanen, Postkarten, Briefcouverts und Telegrammen. Die Entzifferung ist erlernbar und kein Hexenwerk, aber es gibt einige Knacknüsse darunter“, kommentierte Walt. Deshalb seien kritische Ausgaben durchaus berechtigt.

Auf einer Leinwand wurden einzelne Buchseiten und Schriftbeispiele gezeigt, außerdem lasen die Herausgeber Textbeispiele. „Es ist eine Edition, in der man sich verlieren und mit Glücksgefühlen lesen kann“ schwärmte Groddeck. Insgesamt seien zehn Bände der Mikrogramme geplant, die kritische Robert Walser Werkausgabe werde zwischen 45 und 48 Bände umfassen.

Um Quantenphysik ging es in der dritten Stunde. Dazu sprachen Frido und Christine Mann mit Alexander Roesler, Fischer Verlag, über ihr Buch Es werde Licht! Die Einheit von Geist und Materie in der Quantenphysik. Zunächst las Christine Mann (Tochter des Physikers Werner Heisenberg) die Einleitung des im S. Fischer Verlag erschienenen Buches vor. Sie sprach über die feindliche Haltung der Kirche gegenüber den Wissenschaften, nannte als Beispiel Roger Bacon, der als Doctor Mirabilis in die Geschichte einging und gegen den Willen der Kirche forschte. „In den letzten 30 Jahren hat sich viel entwickelt. Im CERN wurde 2012 beispielsweise das Higgs-Teilchen entdeckt. Immer stärker wird deutlich: Materie, Energie und das Geistige basieren auf einer Grundlage“, äußerte die Physikerin.

Das Buch, sagte Roesler, sei sehr verständlich geschrieben, auch wenn man sich an bestimmte Begriffe erst gewöhnen müsse. Es enthalte sehr persönliche Erfahrungen.

Frido Mann distanzierte sich von jeglicher esoterischer Haltung, seine Frau ergänzte: „Wir stehen bei der Erklärung von Zusammenhängen am Anfang, plädieren aber für Offenheit.“

Wieder völlig umstellen mussten sich Langzeitzuhörer in der folgenden Stunde: Eine Lyrik-Collage mit Judith Hennemann, Olaf Velte und Ewart Reder, anmoderiert von Verleger Axel Dielmann, stand auf dem Plan.

„Am heutigen 121. Geburtstag von André Breton wagen wir eine Lyriklesung“, sagte Dielmann. Abwechselnd lasen die drei Autoren auf dem Podium aus der druckfrischen Ausgabe Bauplan für etwas anderes (Debüt von Judith Hennemann im Dielmann Verlag), dem 2013 erschienen Ein paar Dichter von Olaf Velte und aus Kleiderfarben (2002) und Verfasste Landschaften (2009) von Ewart Reder.

„Ich habe mehr gefiebert als das Podium“, bekannte Dielmann nach der Lesung. Es war ein tatsächlich ambitioniertes Unterfangen, da zwischen Lyrik hören oder selbst lesen einige Unterschiede bestehen.

Dem Societäts-Verlag gehörte anschließend das Podium. Moderator Lothar Ruske stellte die Autorin Sonja Rudorf vor, die aus ihrem Thriller Alleingang las. Im Frankfurt-Krimi geht es um die Abgründe menschlicher Psyche, um Vertrauen und Chaos, um Familie und Beruf, Intrigen und Beziehungen.

Robin Schmerer von Weissbooks unterhielt sich in der sechsten Stunde mit Martin Wimmer über dessen Buch Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes. Es geht um ein Leben zwischen dem Sehnsuchtsland Texas, der heimatlichen Region Oberbayern und Frankfurt, um Begegnungen mit Songwritern, Filmemachern und Poeten. Und um viel Musik.

Exilliteratur aus dem Iran stand anschließend auf dem Programm. Abbas Maroufi las aus Fereydun hat drei Söhne, erschienen in der Edition Büchergilde. Anita Djafari moderierte, Jochen Nix trug die deutschen Texte vor. Maroufi, 1957 in Teheran geboren, seit 1996 in Deutschland lebend, setzt sich für persische Literatur ein, schreibt Erzählungen, Romane und Theaterstücke.

Michael Hohmann stellte anschließend Sonja Baum und ihren Debütroman Am Tresen lauert die Gefahr vor, veröffentlicht im Verlag Michason & May. Baum mixt sonderbare Gestalten, die Russenmafia, eine Bar, eine Million Euro in einer Tüte sowie Klischees und Absurditäten zu einer spannenden Geschichte zusammen.

Schriftsteller und Drehbuchautor Peter Zingler beherrschte die vorletzte Stunde des Langen Tags der Bücher und las aus seinen autobiografischen Romanen Der Tunnel und Vom Tunnel zur Himmelsleiter – das letzte Buch erschien soeben in der Frankfurter Verlagsanstalt, Der Tunnel wurde im gleichen Editionshaus bereits 2015 veröffentlicht.

Den Abschluss des Tages gestalteten Guy Krneta und Michael Pfeuti mit Moderator Thomas Maagh vom Verlag der Autoren. Krneta hatte sich eine Auswahl aus seinem gerade erschienenen Band Stottern und Poltern. Sprechtexte zurechtgelegt, Pfeuti begleitete am Kontrabass.

 

Gleichzeitig fand im Foyer des Hauses der neunte Bouquinistenmarkt statt, an dem sich vier Antiquare beteiligten.

Wer in Ruhe und abseits des Lesemarathons in den neuesten Büchern der zehn Verlage blättern wollte, hatte dazu auf dem Lesebalkon an Tischen im zweiten Obergeschoss Gelegenheit.

Vor dem Saal verkaufte der Verein Literaturbetrieb Bücher, außerdem lagen die Vorschauen der Verlage aus.

JF

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