Das war die Leipziger Buchmesse 2014
Liebe Freunde,
heute herrschte erstens Windstärke Schlagmichtot, und zweitens kam deshalb keiner. Naja, nicht „keiner“, aber für einen Messesonntag war erstaunlich wenig Betrieb. Insgesamt ändert das sicher nichts an den hervorragenden Besucherzahlen. Die blieben heute nicht etwa weg, sondern die waren halt alle am Samstag schon da. (Und genau so hatte der sich ja auch angefühlt.)
Gemein war eben auch das Wetter, das nach dieser strahlenden Woche plötzlich in Gottes nackten Zorn umschwenkte. Es war so windig, dass es im Merkurpromenadenwasser vor der Messehalle echten Seegang gab.
Und wie herzlos muss ein Fotograf sein, dass er den verzweifelten Kampf der Kinder gegen das Wasser scham- und teilnahmslos fotografiert?
Mein Rundgang durch die Hallen
Durch die Hallen 2 bis 5 sollte ich wohl sagen, denn das Manga-Gezücht in Halle 1 hebe ich mir für den Schluss auf.
Wie immer ist es schwierig, alles, was man sich wünscht, unterzubringen. Zum Beispiel habe ich dieses Mal keinen Kuchen bei Mair Dumont gegessen. Das tut mir sehr leid. Ich verspreche, dass ich in Frankfurt dann die doppelte Menge Kuchen essen werde.
Aber zumindest die Odenwälder Wurst bei Edition XXL habe ich am allerletzten Messetag doch noch genossen. Das XXL-Team ist einer der Verlage, die sich auf Kunden freuen, die auf die Messe kommen.
Ich bedanke mich artig für die Gastfreundschaft und die schönen Geschenke.
Auch habe ich es wieder nicht in den Theaterbus geschafft. Aber ich konnte mich während einer Clownsvorstellung von hinten ans Heckfenster schleichen und für den Rest der Fahrt an der Stoßstange festhalten.
Apropos Clown: Mein hoch geschätzter Kollege, der Redakteur Uli Faure steckt hier leider nicht in einem U-Boot oder einem Tank voller Salzwasser, sondern muss sich halt von Zeit zu Zeit mal an einer Hallentür abstützen.
Hier wurde extra ein kleines Schorlemmer-Kasperle-Theater aufgebaut!
Hier erwische ich den Verleger Johannes Monse, wie er sich eines Podiumtisches bemächtigt hat und dem Publikum etwas vorflunkert, bis der echte Referent kommt.
Interview mit Christof Kessler
Der Neurologe Christof Kessler hat bei Eichborn eine Geschichtensammlung herausgebracht. Jede Story in dem Buch „Wahn“ stellt eine Gehirnerkrankung vor, die in eine fiktive Geschichte eingebettet ist. Ich hatte am Stand von Bastei Lübbe die Gelegenheit, den freundlichen, geduldigen Doktor zu interviewen.
BuchMarkt: Nimmt das Interesse an der Beschäftigung mit Geisteszuständen immer mehr zu?
Kessler: Bestimmte Umstände wie z.B. der Unfall von Michael Schumacher werden in den Medien viel wissenschaftlicher geschildert. Einem Spiegel-Artikel lassen sich die operativen Schritte entnehmen. Das Wissen und die Neugierde in Bezug auf Hirnerkrankungen haben wirklich zugenommen.
Warum ist eine Gehirnerkrankung interessanter als Krebs oder als eine Grippe?
Wenn Sie eine Leberkrankheit haben, dann bleiben Sie der, der Sie sind. Aber wenn Sie an Alzheimer erkranken, einen Schlaganfall oder einen Hirntumor haben, verändert sich Ihre Persönlichkeit. Und davor hat der Mensch Angst. Einerseits ist das interessant, andererseits weckt es auch eine gewisse Distanz: So viel will man davon dann auch wieder nicht wissen.
All das gab es ja auch schon, bevor es die Neurologie gab. Hatte man früher einfach gröbere Raster, um Menschen, die anders waren, leichter einzusortieren?
Ja. Die Neurologie hat sich ja wahnsinnig entwickelt. Ich bin seit über 30 Jahren Neurologe, und ich habe noch die allerersten Computertomographien erlebt. Heute geht man anders und differenzierter damit um.
War Dr. Oliver Sacks der erste Popstar unter den Neurologen?
Popstar ist natürlich etwas flapsig ausgedrückt. Er hat sich sehr mit neuropsychologischen Störungen beschäftigt. Darüber hat er Fallgeschichten geschrieben, wissenschatlich präzise und in einem gut lesbaren Stil. Ich habe mich ein wenig an dieses Muster gehalten: Jede meiner Geschichten handelt von einer neurologischen Erkrankung, ist aber eingebettet in eine fiktive Story – neurologische Mini-Krimis sozusagen. Wenn Sie sich für das Gehirn interessieren, können Sie das Buch mit in den Urlaub nehmen, werden ganz viel über das Gehirn lernen, und haben trotzdem spannende Geschichten. Bei Oliver Sacks geht es eher um den Aha-Effekt des Absonderlichen.
Tatsächlich lassen Ihre Geschichten den Leser oft überrascht und aufgewühlt zurück. Erzählen Sie mir etwas über die Pseudodemenz?
Das fällt in den Bereich dessen, der gerne Burn Out genannt wird. Wenn alles nicht mehr klappt, wenn die Arbeit zu viel wird, wenn man überfordert wird, zu viele Fehler macht, wenn man zuhause keine Unterstützung hat, dann reagiert der Patient mit einer Abschaltung. Er wird depressiv und interessiert sich auch nicht mehr für seine Lebensumstände. Er zeigt alle Anzeichen einer Demenz. Ich habe schon oft Pseudodemenzen bei Patienten erlebt.
„depressiv“ und „Burn Out“ sind ja dermaßen gängige Beschwerden geworden, dass sie als medizinische Fachbegriffe eine Entwertung erfahren. Greift man mittlerweile zu leichtfertig nach solchen Schubladen?
Mit Sicherheit. Sowohl neurologisch als auch psychiatrisch gibt es eine internationale Klassifikation, die z.B. Depression ganz streng definiert. Jemand, der diese Diagnose gestellt bekommt, ist wirklich krank und muss behandelt werden. Man ist nicht gleich depressiv, nur weil man an einem Regentag traurig ist. Umgekehrt sollte man vielleicht eher hinterfragen, ob der wachsende Druck in der Arbeitswelt einmal eingehender beachtet werden muss, anstatt Menschen, die nicht mehr mithalten können, gleich mit Burn Out zu pathologisieren.
Umgekehrt verschließen sich Menschen einer solchen Diagnose, weil sie glauben, sie müssten sich nur zusammenreißen; weil sie nicht als schwach und weinerlich angesehen werden wollen. Steht das Funktionierenmüssen einer Diagnose heute oft im Weg?
Das ist die andere Seite. Viele Menschen, die wirklich krank sind, wollen das nicht zugeben. Psychiater haben im Rahmen eines Projektes an der Universität Greifswald festgestellt, dass psychische Erkrankungen von den Ärzten anderer Fachrichtungen häufig gar nicht erkannt werden.
Die Diagnose sollte ja der Anfang einer Behandlung sein. Gibt es das auch umgekehrt, dass die Diagnose das Ende einer Entwicklung bedeutet, weil der Patient sich in seiner Schublade erst richtig einrichtet und arrangiert?
Das kann man nicht pauschal für organische, neurologische und psychische Erkrankungen beantworten. Wenn jemand Kopfschmerzen hat und nach einer korrekten Migränediagnose behandelt wird und gesundet, dann ist er in der Regel sehr dankbar. (Kessler lacht tadelnd) Ihre Fragen sind aber sehr psychiatrisch!
Ja, wie Sie sagen: Zu Schlaganfällen und Tumoren habe ich vielleicht zuviel Distanz.
Aber Ihre Ohren gefallen mir, sowas würde ich auch gerne mal tragen.
Aber die müssen ja auch irgendwo befestigt werden.
(zu seiner Frau in gespielter Empörung) Hast Du gehört, was er gerade gesagt hat?
(Hat sie. Sie empfiehlt, die Dinger anzunageln.)
Die schönsten CosPlayer
Halle 1 heißt ja nun nicht nur Halle 1, sondern gleich Manga Convention. Am Samstag sah es auch richtig aus wie eine Manga Convention, aber heute ließ sich auch hier der Sonntag ziemlich sonntäglich an.
Aber wenn man auf CosPlayer-Jagd ist, dann sind die Längsränder und der Gartenausgang der Glashalle eine ergiebige Bank. Hier sind meine schönsten.
(Und mit „schön“ meine ich meistens die, die ich auch erkenne.)
Tendenziell gab es wieder mehr One Piece als im letzten Jahr. Gandalfe und Hobbits haben Hogwarts inzwischen überflügelt, und ich verzeichne eine wahnsinnige Zunahme an Marvels Loki, dem thorfeindlichen Gott der Zwietracht.
Zuerst mal die Gruppenfotos:
Hier die besten Einzelpersonen:
Bei den tuntigen Gewändern von Waldelben-Fürst Thranduil komme ich auch schon mal durcheinander:
Manche erscheinen auch zuerst im Werktagsdress, um sich dann für Samstag und Sonntag herauszuputzen:
Und das war die Leipziger Buchmesse 2014
Die entspannte, aber beliebte Publikumsmesse ist ein wunderbarer Gegenpol zur Frankfurter Wichtigtuermesse, wir hatten strahlendes Wetter, und entweder habe ich interessante, neue Leute kennengelernt oder aber die alten Bekannten noch mehr liebgewonnen.
Ich bedanke mich bei allen, die mir geholfen haben, und bei allen, die uns anklicken und lesen. Wie immer an vorderster Dankesfront steht Maren Ongsiek vom Frankfurter Messeteam, ohne deren Umsicht und Anteil ich nur ein kleines Würstchen wäre, wie es in einer versäumten Kartoffelsuppe liegt. Mein Abschiedsgeschenk an Dich ist dieses Foto vom Samurai-Bogenschießen in Halle 1:
Meine Festplattenreste: Was ich nicht einbauen konnte, schiebe ich immer in den Schlussbericht. Zwei Fotos von Journalisten wären das diesmal. Zum einen BuchMarkt-Chefredakteur Christian von Zittwitz, erwischt von Thomas Weigelt bei Random House:
Und zum anderen hatte ich auf der Heimfahrt Denis Scheck im Zugabteil sitzen:
So, ich bin jetzt müde und werde zwei, drei Tage schlafen, bevor ich mich dann hinlege.
Danke fürs Anklicken!
Herzlichst,
Ihr
Matthias Mayer
Berühmte Autoren, aufgepeppt für Leipzig 2014, Teil 5 von 5: