Liebe Freunde,
am Samstag ist es immer besonders schwierig, sich nochmals zu vorletzter Arbeit zusammenzureißen und aufzuraffen. Dass der Hallentransit total vercosplayt ist, erschwert solche Tage zusätzlich.
Aber nicht nur in den Hallen darinnen, sondern auch draußen auf den abschüssigen Wiesen suchten die unvorteilhaft Kostümierten sich schwierige Posituren aus.
Aber davon wollte ich mich nicht ablenken lassen. Nicht schon am Samstag. Zunächst brauchte ich einen Kaffee. Vielleicht gebe ich unserer Redaktion eine Chance und koste mal wieder deren.
Und wissen Sie was: Es muss nicht immer die Superröstung handvermahlen aus der Jurabrühung sein. Eine gute, alte Tasse Kannentropfkaffee, so wie damals bei Oma, ist sehr, sehr nett.
Dann auf in den Samstag.
INTERVIEW BEI RAVENSBURGER
Als erstes kann ich ein schönes Interview anbieten, das ich bei Ravensburger führen durfte. „Die unglaublichen Abenteuer von Wilbur McCloud: Stürmische Jagd“ ist ein Abenteuervorlesebuch fürs Kindergartenalter aufwärts bis hin zum Selbstlesealter Ende Grundschule, und es handelt von einem kleinen, pfiffigen Flugzeug, das Abenteuer erlebt, gegen Kobolde kämpft und Probleme löst. Ein ebenso pfiffiges Brüdergespann steckt hinter der Story: Andreas Karlström und sein Bruder, der TV-Moderator Steven Gätjen. BuchMarkt traf die beiden beim berühmtesten deutschen Kinderbuchverlag.
BuchMarkt: Sie sind Brüder und haben sich einen Kindheitstraum erfüllt, gemeinsam ein Buch zu machen. Wie macht man denn ein Buch gemeinsam? Der eine läuft auf und ab und hat Ideen, der andere tippt mit?
Steven Gätjen: Wir laufen beide auf und ab, weil wir Bewegungsdrang haben. Wir setzen uns zusammen an einem Ort, an dem wir inspiriert werden, also entweder zuhause bei Andreas oder bei mir. Wir haben uns auch schon im Café getroffen oder auf dem Flughafen. Und dann fangen wir einfach an zu spinnen, bis einer von uns eine Idee hat. Wir warten auf das Grundrauschen, und dann fangen wir an. Wir kennen uns in- und auswendig und kommen sehr gut miteinander klar; wir wissen, welche Punkte wir beim anderen triggern müssen. Dann haben wir relativ schnell die Grundgeschichte gefunden, die Protagonisten benannt, die Bösen definiert, die Handlungsstränge gefunden. Daraus macht Andreas dann Kapitel. Die lese ich dann, und dann sprechen wir darüber.
Sie schaukeln sich also dialektisch und kreativ gegenseitig hoch.
Andreas Karlström: Wir haben die Regel, dass wir alles sagen dürfen und auch müssen. Dünne Ideen fliegen sofort wieder raus.
Ist man da nicht ein wenig betriebsblind, den eigenen Bruder zu kritisieren?
Andreas: Gar nicht, wir wollen ja ein gutes Ergebnis haben. Wir sagen dann nicht „Das war aber eine blöde Idee“, sondern wir sind diplomatischer und konstruktiver. Das heißt dann eher „Du, ich weiß nicht, ob diese Idee funktioniert. Aber wie wäre es dann stattdessen damit?“
Steven: Aber Sie haben natürlich recht – man darf keine Hemmungen voreinander haben. Aber da kommt uns wieder zugute, dass unser Verhältnis sehr gut ist, dass wir Brüder sind. Da geht nichts drüber. Da kann nichts kaputtgehen. Wir streiten auch kreativ, man will ja um eine Idee, die man erst mal gut findet, auch kämpfen. Aber wir gehen nie zerstritten aus dem Schaffensprozess oder schweigen uns an, weil einer beleidigt ist oder so.
Andreas: Manchmal sehen Ideen als Idee, als Ablauf, als Stichpunkte von fünf, sechs Zeilen auch super aus, aber dann merkt man erst im Ausformulieren, dass es nicht reicht, um damit gute Kinderbuchseiten zu füllen und zu tragen.
Eine Idee ist erst dann eine Idee, wenn sie bis zum Schluss funktioniert.
Steven: Genau
Andreas: Es muss organisch sein. Es muss funktionieren.
Aber erwachsene Brüder haben ja trotzdem keinen gemeinsamen Arbeitsalltag – musste da ein eigener Schreibtag eingerichtet werden für ein solches Projekt?
Andreas: Gerade weil Steven immer sehr viele Termine hat, ist das sehr schwierig. Aber wir finden immer einen Tag.
Steven: Es gibt Projekte, die kann man auch per Home Office vorantreiben, man mailt und skypt sich die neuesten Schritte und so weiter. Aber weil uns dieses Projekt so sehr am Herzen lag, motiviert man sich. Wir hatten die Idee schon so lange, da verzichtet man gerne mal auf einen Ruhetag, damit man gemeinsam vorankommt. Aber das ist ja auch toll: Es ist ja nicht nur Arbeit, sondern auch Zeit, die ich mit meinem Bruder verbringe, und da reden wir dann auch über tausend andere Dinge, private Sachen. Das ist dann Vergnügen, und nicht nur Arbeit.
Andreas: Und wir können dann vor unseren Familien behaupten: Ich MUSS mich heute mit meinem Bruder treffen, das Projekt muss ja vorankommen.
Ihr Buch verweigert sich erfolgreich jeder buchhändlerischen Bemühung, in eine Schublade zu passen. Die Altersspanne der Leser (oder kleinen Zuhörer) ist weit gefasst. Es ist eine Tiergeschichte, ein Reiseabenteuer, es ist ein Buch übers Heranwachsen und über Freunde, es ist ein bisschen Fantasy, denn es gibt Kobolde. War das absichtlich ein sehr buntes Konzept, oder wurde das am Ende eher versehentlich rund?
Steven: Toll, dass Sie das sagen. Der rote Faden in der Geschichte war uns schon wichtig, aber wir sind beide schon immer riesige Disney-Fans gewesen. Wir lieben Disney-Filme und sehen sie uns auch als Erwachsene an. Und Pixar führt diese Tradition ja fort, dass die Geschichten auf mehreren Ebenen für verschiedenste Zuschauer funktionieren. Da sprechen wir auch über Schnittstellen von Fabel, Reiseabenteuer und Selbstfindungshandlung. Und eine solche Welt wollten wir selber auch erschaffen.
Andreas: Aber das ist eine spannende Frage. Wir sind ja beide absolute Anfänger, was das Schreiben von Kinderbüchern angeht. Wir haben keinen Plan gemacht, was alles enthalten sein soll. In erster Linie wollten wir ein Buch schreiben, das wir selber gerne lesen wollen.
Steven: Und nur so kann man auch schreiben. Wenn Sie sagen, das passt in keine Schublade, dann freuen wir uns, weil wir dann nicht so viel falsch gemacht haben können. Aber das ist ja auch ein sehr deutsches Bedürfnis, Dinge zu sortieren und zu kategorisieren. Hier darf ein Schauspieler nicht singen, ein Moderator darf nicht schauspielern.
Das dürfen Sie schon alles. Sie müssen sich nur an die Deklaration Ihres Hauptberufes halten, damit das Publikum Ihnen Nebenberufe erlaubt.
Andreas: (lacht) Das trifft es gut.
Wie teilt sich das auf, wenn Sie eine Lesung zu zweit machen?
Andreas: Steven spricht die Erzählerstimme, und ich spiele die Rollen und mache die Geräusche. Das gefällt den Kindern sehr gut.
Kinder sind ein anspruchsvolleres Publikum als die Schaulustigen am Red Carpet. Wie bereitet man sich auf eine Oscar-Pre-Show vor?
Steven: Wir schauen alle nominierten Filme, lernen alle Namen und Beteiligten eine Woche lang auswendig, und trotzdem weiß man vorher nicht, welcher Filmstar stehen bleibt und wieviel Zeit er oder sie hat.
Welche Bücher haben Euch als Kinder beeindruckt?
Steven: Götter- und Heldengeschichten, Odysseus und seine Abenteuer. Aber auch Pippi Langstrumpf.
Andreas: Und auch Comics. Eigentlich alles. Superman, Spider-Man. Krabat von Otfried Preußler hat mich völlig eingenommen.
Steven: Und es gab doch auch früher diese Bücher, wo man selbst entscheiden konnte, wie es weitergeht. Das fand ich auch toll.
Das ist die Reihe der Tausend Gefahren! Die gibt es heute noch, und zwar bei Ihrem Hausverlag Ravensburger.
BuchMarkt dankt für das Gespräch!
HERUMSCHLENDERN AM SAMSTAG
Ich hatte noch meine Aufwartung bei BLV zu machen. Der Münchner Schöntrendgartenkochenverlag hat nämlich Jubiläum, und da gibt es eine insgesamt weißblaue Werbeaktion.
Und auch das ist Verlagshandwerk: Weil Antje Wolf so ein Fan der Sendung „Dahoam is Dahoam“ ist, ist sie gleich vorstellig geworden, als jemand in der Sendung fallenließ, dass man doch mal ein Kochbuch machen könne. Klingeling, guten Tag, ich bin die Antje Wolf, un mir machn jetze das Buch. Genau so stelle ich mir das vor.
Eine weitere Attraktion in Halle 5, der Halle der Dienstleister und komischen Kauze: Dioramen von Richard Wetzel. Aber sehr winzige Dioramen.
Allerlei Vorträge am Podium gab es: ob prominent oder intern, ob ernst oder komisch – aber immer waren sie mit Mikrofon.
Bei diesem Thema möchte ich doch kurz nachhaken: Tatsächlich ergreifen Autoren wie Nina George oder Kathrin Lange die Initiative und binden anstatt Schmamazon (Name von der Redaktion unkenntlich gemacht) die eigene, lokale Buchhandlung vor Ort in ihre Homepage ein. Bravo, sage ich da!
Weniger eine Angelegenheit von „Bravo“ als vielmehr von „Ahem“ ist auch dieses Jahr wieder der liebe Erotikbuchverlag Blue Panther Books! Dort wird nämlich ein erotisches Buch verschenkt:
Von weitem schon erkennen gleichgesinnte Swinger das Dekotransparent, das den Verlagsstand als besondere Bar ausweist: Als die Vögelbar.
Bei KBV stellen sich Verleger Ralf Kramp und ich einem Battle: Wer hat die aberwitzigere Einkaufsstempelkundenkarte?
Ich habe eine Globus-Stammkundenkarte, in die ich mir hier in Leipzig jedes Jahr einen Stempel machen lasse. Nach zehn Jahren bekomme ich 10 % Rabatt an der Käsetheke. Und da freue ich mich schon drauf! Wie Sie sehen können, ist das zehnte Jahr bald um!
Die Karte von Herrn Kramp ist sehr modern und hat einen Chip, wow. Aber dafür heißt sie Rodenbrotkarte, und das ist wiederum schlimm.
Gegenüber vom KBV-Verlag findet sich der Weltbuch-Verlag, und die Damen die dort sitzen, warten schon immer auf den dortsogenannten Ohrenmann. Das bin ich. Und das schmeichelt mir sehr. Denn wenn ich mir vorstelle, welches Gelichter so den ganzen Tag bei Ralf Kramp ein- und ausgeht, dann ist an skurrilen Gestalten hier gewiss kein Mangel.
Hier hat sich der findige Regalbauer mocoba einen gut durchdachten Werbegag einfallen lassen: Sein stabiles Regal dient als Kletterkulisse für ein Profi-Foto. Der Messebesucher hat ein feines Souvenir zum Herunterladen, und der Regalbauer hat freiwillige Models für seine lustigen Regalfotos.
Bei der eBuch erbettle ich einen Teller Schnittchen, die ohnehin langsam mal wegmüssen. Was Samstag Abend noch nicht verfüttert wurde, kann schon nicht mehr in den normalen Müll.
Auch daran merkt man, dass es Samstag wurde: Ich kriege nicht mehr zu jedem Menschen, den ich treffe, eine Hintergrundgeschichte hin, sondern mache einfach nur noch ein Selfie. Mag das etwa eine Tendenz sein? Sicher nicht:
Und bedenken Sie bei all diesen Selfies, dass ich nicht so ein schickes, dünnes, schwules Smartphone habe, sondern eine männliche, klotzige Kamera, die vier Kilo wiegt.
Und schon deshalb – und nicht nur, weil Samstag ist – habe ich mir nun endlich meinen Whisky-Ausklang verdient.
WHISKY IN HALLE 5
Der sonnengemütige Kleinverleger Felix Busse vom Vielfliegerverlag führte diese schöne Tradition ein, als er vor zwei Messen, also einem Jahr, eine Flasche Whisky mitbrachte. Nun köpfen wir an jedem Messesamstag eine Flasche guten Scotch. Ich weiß, das hat nichts mehr mit der Buchmesse zu tun.
Der sächsische 19.00-Uhr-Wachdienst löste diese Runde dann rasch auf, sehr höflich und mit ein paar wenigen, verbindlichen Knüppelschlägen.
Ich weiß noch, dass ich vergangenen Herbst mit dem Restwhisky geradewegs in Leander Wattigs Arme torkelte. Und welcher Zufall mag hier regiert haben, dass das am gestrigen Samstag genau so wieder geschah?
ABSCHLUSS DES SAMSTAGES
Die Schlussfolgerungen aus diesen Bildern überlasse ich ganz Ihnen. Die Ferngebliebenen Holger Ehling und Felix Busse seien gegrüßt, und die Geschwänzthabenden kriegen einen Strich, so. Aber ich lade im kommenden Herbst wieder ein.
Bleibt noch ein Leipzigsonntag.
Und den schaffen wir auch noch.
Sie und auch Ihr
Matthias Mayer
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