Wenn Sie das lesen, haben Sie das meiste schon hinter sich, aber womöglich noch einen ganzen Tag mit dem Messe-Mayer vor sich. Aber das schaffen Sie nun auch noch.
Liebe Freunde,
meine ordentliche, tageweise Nomenklatur kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich in Wahrheit schon gar nicht mehr weiß, welcher Tag ist. Aber da morgen als letzter Tag der Sonntag leuchtet, muss das heute wohl ein Samstag gewesen sein. Voll war er sehr wohl, voll mit Menschen, Freunden und CosPlayern.
Zunächst einmal: Halle 4.1 heißt nicht Good Will. Es handelt sich lediglich um einen dort zugehörigen Konferenzraum. Hier auf der Buchmesse heißen Konferenzräume nämlich immer so wie ganze Gesprächsverläufe: Harmonie, Good Will, Konsens, Illusion.
Sehr gefreut habe ich mich über die Zuschrift von dem treuen Leser Patrick Musial, der mir dieses Standfoto schickte. Das war irgendwo in 3.1 Mitte; ich habe diese Trommler sogar auch gesehen.
Vielen lieben Dank, Patrick Musial, Sir.
Kaum auf der Messe angekommen, eröffnet mir unsere IT-Abteilung, dass wir ab Montag eine neue Homepage haben, die ich nun sofort in acht Minuten zu erlernen und zu beherrschen habe.
Das bedeutet, dass der Sonntags-Messe-Mayer-Bericht mit mir zusammen für immer in der Phantomzone verschwunden sein wird, falls ich nicht das neue System zu reiten lerne.
Erfreuen Sie sich also mit mir am allerletzten Messe-Mayer auf der alten Homepage!
THEARTS+
Doch, das soll alles so geschrieben sein. „The Arts“ muss zusammen geschrieben werden, und das „+“ soll ausgesprochen werden, also unter uns Erwachsenen im Grunde „The Arts Plus“, wenn wir es sagen. Aber offiziell schreiben tut man es THEARTS+.
Gemeint ist ein lobenswerter Bereich in Halle 4.1, der gute zwei Gänge umfasst. Hier ist es künstlerischer, ästhetischer, kühner und edler als anderswo. Hier hat Benedikt Taschenzum Beispiel seinen Stand, der einzig dem Buch von David Hockney gewidmet ist.
Hier findet man die Verneigung vor der niederländischen (und flämischen) Kunst:
Das aller-, allerabgefahrenste, das Sie sich in THEARTS ansehen sollten (ach Du Scheiße, jetzt habe ich das Plus vergessen), ist der Wachsdrucker. Pardon, ich meine: der riesige Wachsdrucker. Ein paar Verrückte namens Moovel Lab haben einen Drucker gebaut, der mit Wachs druckt.
Ich denke, dafür nehme ich gerne einen Titel wie THEARTS+ in Kauf.
LEUTE UND VERLAGE AM SAMSTAG
(Ich muss nur oft genug das Wort „Samstag“ einbauen, damit ich die letzten zwei Tage noch voneinander trennen kann.) Natürlich habe ich am Samstag besonders viele Leute und Verlage getroffen, weil man so langsam merkt, wen man schon die ganze Woche vergessen hat. Und das sind am Samstag so viele, dass ich Sie gerade mal herunterreiße:
Beim Verschnaufen am Lübbe-Stand habe ich Felix Rudloff getroffen, alter Berufsschulkamerad, dann Lektor bei S. Fischer, dann Chef bei Eichborn und nun endlich literarischer Agent. Sie suchen jemanden mit Leidenschaft und Sachkenntnis? Dann fragen Sie nach bei copywrite, Frankfurt.
Gut, aber das waren ja nicht alle für heute, da kommen noch ein paar:
Und dann war da noch Hella von Sinnen, die im Auftrag von Egmont das Lesezelt mit einem Quizney rockte:
Und bei Plassen schließlich bekam ich dank der umtriebigen Hilfe des Fleet Street-Verlages ausgerechnet Daniela Katzenberger zu fotografieren.
(Oder meine alten, wenn man Holger Ehling noch mitzählen würde, denn der gehört auch zu Fleet Street.)
DAS SAMSTAGS-INTERVIEW: HORST LICHTER
Für den spaßigen Fernsehkoch Horst Lichter lief es ziemlich gut, immer der spaßige Fernsehkoch zu sein. Allein das Leben schert sich nicht darum, was gut läuft, und so sucht Lichter in Büchern nach Ausgleich für das ewige Kaspertum. Ich denke, dass ihm das gut gelingt. BuchMarkt traf den Lebemann am Stand von Gräfe & Unzer.
BuchMarkt: Sind wir per Du, oder siezen wir uns?
Horst Lichter: Wenn man mich kennt, weiß man, dass mir das Du sehr leicht fällt. Und ich bin ein großer Kämpfer dafür, dass man in einfacher Sprache sehr wohl ein Du mit sehr viel Respekt aussprechen kann.
Dein Buch heißt „Keine Zeit für Arschlöcher“, weil Du dich selbst schamvoll betrachtet hast, nachdem Du im Stress eine Krankenschwester angepöbelt hast. Aber es geht doch eigentlich tiefer: Deine Mutter hat diese Haltung losgetreten, weil sie auch keine Zeit mehr für Arschlöcher hatte, als es dem Ende zuging. Hat das Dein Buch verändert?
Ja. Die Idee für das Buch hatte ich vor fünf Jahren. Aber es wäre ein ganz anderes Buch geworden, das Du nicht gerne gelesen hättest. Ich dachte, ich wollte mal aufschreiben, was alles so passiert ist, nachdem ich so bekannt wurde. Lustige Dinge, oder Dinge, die mich beeindruckt haben. Aber vielleicht habe ich auch deswegen nie angefangen zu schreiben. Erst nach den zweieinhalb Monaten mit meiner Mutter, die im Sterben lag, und nach dem Satz, den sie mir sagte –
– Du sollest endlich aufhören, den Clown zu spielen –
Ja, genau – da wusste ich endlich, was ich schreiben wollte. Und nicht als Selbsttherapie, sondern weil ich so vieles noch einmal neu verstanden habe, für mich selbst. Das hat mich so unfassbar getroffen. Ich wusste nicht, dass Wörter so stark sein können, dass sie mehr wehtun als Schläge oder Schicksalsschläge.
War es leicht, sich das von der Seele zu schreiben, oder war das schwer?
Es war sehr, sehr schwer. Es war nicht einfach, jemanden zu finden, mit dem ich das schreiben kann. Ich brauchte jemanden, der sehr kritisch nachfragt, der mir aber auch zuhört. Ich brauchte keinen, der nur aufschreibt, was ich erzähle. Sondern ich brauchte einen Gesprächspartner, der mir glaubt. Der selber ehrlich ist. Ich bin sehr glücklich, dass unsere Freundschaft daran gewachsen ist, obwohl ich immer wieder verrissen habe, was er mir gebracht hat, weil ich mich darin nicht gefunden habe. Wir haben zusammengesessen, wir haben erzählt, wir haben geweint, wir haben gelacht.
Es muss ja druckbar sein, aber es soll trotzdem nach Horst Lichter klingen.
Mir war es ein Herzenswunsch, dass man meine Stimme hört, wenn man das Buch liest. Nur dann ist das mein Buch.
Nun hat man Deine Stimme aber viel leichter im Ohr, wenn sie „Butterflöckchen“ sagt oder Witze macht. Wer will denn einen traurigen, einen ernsten Horst Lichter lesen? War es schwer, einen Verlag zu finden, der da mit Dir geht?
Ich bin ganz ehrlich – das war schon alleine wegen des Titels nicht leicht. Wir haben darüber sehr viel diskutiert, der Titel ist natürlich sehr provokant. Der Verlag hat auch vorgeschlagen, das abzuschwächen, vielleicht durch einen Balken oder einen harmloseren Ausdruck. Ich blieb aber stur und sagte, entweder steht Ihr mit meinem Buch hinter mir, oder ich suche mir wirklich einen anderen Verlag. Gott sei Dank haben die sich überzeugen lassen, dann haben sie es gelesen und dann gesagt: Jetzt verstehen wir auch.
Diesen Titel abzuschwächen wäre ja auch eine Sinnverkehrung: „Keine Zeit für Leute, die mir ein wenig auf den Senkel gehen“ wäre nicht die Aussage, die Du treffen willst.
Nein, das geht nicht. Der Titel ist ganz klar. Und so bin ich. Mir war nur ein einziges Wort bei der ganzen Arbeit wirklich wichtig: „Ehrlichkeit“. Ich bin ein ehrlicher Mensch, ich liebe klare Worte.
Markus Lanz hat 2009 ein sehr ernstes Buch über Dich und Deine Schicksalsschläge geschrieben. Hat das vielleicht ein wenig den Weg bereitet dafür, dass Du dich nun bereit fühltest für einen Neuanfang?
Ja. Aber ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass mein Leben für ein Buch taugt, und auch nicht, dass das einer kaufen würde. Und ich hatte es Lanz auch nicht zugetraut, da bin ich ganz erhlich. Und dann wurde es ein ganz tolles, einfühlsames Buch. Ich dachte mir: Das muss kein Schwein kaufen, aber jeder sollte es lesen. Und das wollte ich nun mit meinem Buch auch erreichen.
Wir Klassenkasper können auch auf die Schnauze fallen, wir können also auch hart und ehrlich sein – aber unser Humor ist doch trotzdem da, oder?
Ja, klar. Der hat mir ja überhaupt mein Leben erst ermöglicht. Wenn ich nicht manchmal Blödsinn machen könnte, spontan sein, lustig sein, dann wäre mein Leben ganz anders verlaufen. Vielleicht wäre ich eine tragische oder bemitleidenswerte Figur geworden.
Das Wort „Leichenschmaus“ ist doch eigentlich viel zu hässlich für ein schönes Abschiednehmen, oder?
Ja, wie soll man sonst sagen?
Na, Trösterkaffee.
Habe ich bis jetzt noch nie gehört. Danke! Das ist ein schönes Wort.
Du wurdest für Deine Maggi-Werbung angefeindet von Kollegen. Aber inzwischen machen sehr viele Fernsehköche Werbung für Knorr, McDonalds, Maggi und so fort.
Jeder ist seines Glückes Schmied. Und ich bin froh, dass ich immer ich geblieben bin.
Gab es schon Rückmeldungen von anderen Köchen, die gut in Deinem Buch wegkommen – Rosin, Henssler, Mälzer?
Ich habe von keinem bisher etwas gehört, aber vielleicht haben sie es auch noch gar nicht gelesen.
Michael Kessler und Max Giermann als Lafer und Lichter – kennst Du die Switch-Parodie?
Michael Kessler liebe ich ja sowieso heiß und innig, wir kennen uns gut. Es ist ja die größte Ehre, parodiert zu werden. Aber wenn Du dann noch so gnadenlos gut parodiert wirst – grandios.
Danke, dass Du Zeit für mich hattest, obwohl Du ja auf Deinen Umgang achten wolltest.
Na, das werde ich noch wegstecken.
DER WHISKYSAMSTAG
Angeblich findet am Messesamstag nach der Happy Hour immer eine sogenannte „geheime Whiskyverkostung“ statt, zu der nur mündlich eingeladen wird. Ich weiß es nicht; ich war noch nie auf einer solchen Geheimverkostung. Ich bin eigentlich wegen Tim Mälzer in der Gourmet Gallery.
Doch plötzlich passierte, nur wenige Meter woanders, folgendes:
Ich habe vorsichtshalber mal die meisten Namen weggelassen, dann kann Google sie auch nicht finden. Also die Namen der Trinkenden, nicht der Whiskys.
UND DAS MUSS ABER NUN REICHEN FÜR EINEN SAMSTAG
Nun, liebe Messefreunde, bleibt nur noch der Sonntag; wie eingangs voller Horror erwähnt, eingetippt in den neuen Homepage-Provider. Apropos Horror – natürlich erwarten Sie für Sonntag wieder die schönsten CosPlay-Fotos.
Außerdem gibt es noch zwei Interviews. Wenn alles klappt, habe ich am Sonntag noch einen Star-Komiker anzubieten; und Harold Faltermeyer wäre dann auch fertig.
Und apropos fertig:
Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Sonntag zum Abschluss der Messe. Nur noch einen Tag, dann haben wir’s.
Zum Glück habe ich jetzt im Zug meine Ruhe.
Herzlichst,
Ihr Matthias Mayer
Abgelehnte Covervorschläge berühmter Maler aus den Niederlanden (und Flandern), Teil 5 von 6: Kamagurka