Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen: Vom „Aufbau-Krimi“ zur „Aufbau-Tragödie“?

Die von Herrn Lunkewitz ja stets sehr offensiv publizierten Vorkommnisse um seine Auseinandersetzung mit der Nachfolgeorganisation der Treuhand waren bereits Gegenstand diverser Zeitungsartikel. Aufgrund der Komplexität der Geschehnisse konnte und kann es niemandem gelingen, auch nur ein annähernd vollständiges Bild der Situation zu zeichnen. Allenfalls bekam man noch mit, dass es zwei Aufbau Verlage gab, die irgendwie beide Bernd Lunkewitz „gehören“ und er viel Geld in den laut höchstrichterlichem Urteil „falschen“, 1991 von der Treuhandanstalt erworbenen, nachfolgend Aufbau I genannten Verlag gesteckt hat.

Besonders erzürnt war und ist Bernd Lunkewitz, weil er sicher ist, dass die Treuhand bereits beim Verkauf von Aufbau I wusste, dass sie ihm nur eine vermögenslose Hülle verkauft hatte. Weil er früh ahnte, dass mit Aufbau I irgendetwas nicht stimmt, hat er 1995 und dieses Mal als Privatperson vom DDR-Kulturbund gleich noch einen Aufbau Verlag erworben, wie der BGH jetzt feststellte den einzig real existierenden Aufbau II, dem jetzt also alle Aufbau-Rechte auch für die Vergangenheit zustehen.
In die leere Hülle Aufbau I aber pumpte Bernd Lunkewitz als Alleingesellschafter der BFL (wohl für Bernd F. Lunkewitz) GmbH laut SZ in den letzten 17 Jahren nicht weniger als 27 Millionen Euro. Die leere Hülle blieb nicht untätig über die Jahre sondern tat, was Verlage tun müssen: Sie nutzte das Geld, um Bücher zu drucken und zu verkaufen, die, so ist das Geschäft, mal erfolgreich waren (zB Klemperer, Die Päpstin, Fred Vargas), mal nicht. Diese leere Hülle vergab Lizenzen für Auslandsrechte und für Verfilmungen, was man eben als Verlag so macht. So richtig erfolgreich war das über die Jahre gesehen wohl nicht, denn jedenfalls hat die Hülle zusätzlich 27 Millionen von der BFL GmbH erhalten und wohl sämtlich für den ordnungsgemäßen Geschäftsgang des Verlages Aufbau I ausgegeben.

Nachdem der BGH jetzt die Situation zwischen Aufbau I und Aufbau II geklärt hat, steht fest: Aufbau I hätte sich nie Aufbau nennen dürfen, der Verlag hätte nie unter diesem Namen Rechte einholen und vergeben und also Geld verdienen dürfen. Was aber sollten die Konsequenzen aus dieser eigentümlich anmutenden Situation sein, wer sollte sich denn beschweren? Man hat seitdem nicht davon gehört, dass ein Autor seine Rechte zurückforderte oder ein Lizenzpartner seine Zahlungen. Alle Vertragspartner, so steht zu vermuten, wurden von Aufbau I wie von anderen Verlagen auch korrekt behandelt und vergütet. Also alles in Ordnung, warum die ganze Aufregung? Doch von Entwarnung aber keine Spur, denn bedrohlich klang, was Bernd Lunkewitz im BuchMarkt Interview auf die Frage: „Was sind die Folgen des BGH-Urteils?“ sagte:

Die Rechtssicherheit über das Eigentum ist die Basis für die Tätigkeit jedes Unternehmens. Jetzt steht also fest, dass der Geschäftsbetrieb des Aufbau-Verlages und sein gesamtes Vermögen mein persönliches Eigentum ist. Es ist dem rechtmäßigen Eigentümer aber 18 Jahre lang vorenthalten gewesen. Außerdem steht nunmehr fest, dass die Investoren zwar viel Geld ausgegeben, aber nur eine vermögenslose Hülle dafür erhalten haben. Das alles löst Schadensersatzansprüche aus. Das größte Problem sind jedoch die Ansprüche aus Verletzungen des Urheber- und Markenrechts, denn die von der Treuhandanstalt verkaufte Gesellschaft war ja nicht Eigentümer des Verlagsvermögens. Sie hat es 18 Jahre selbst verwertet und auch im In- und Ausland lizenziert. Der gutgläubige Erwerb solcher Rechte ist aber gesetzlich ausgeschlossen. Der Schaden ist mit Sicherheit enorm, aber noch nicht quantifizierbar. [mehr…]

Branchenbeobachter fragten sich also, auf welche weiteren Schritte die Öffentlichkeit durch diese Worte vorbereitet werden sollte, wer denn von wem welchen Schaden einfordern würde? Laienhaft gefragt: Bernd Lunkewitz von sich selbst? Das klang zu abenteuerlich, doch genau so ist es nun gekommen. Am 30.Mai musste Aufbau I eilig beim Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Überschuldung stellen. Denn am Morgen fand der Aufbau I Geschäftsführer einen Brief von Bernd Lunkewitz und die Mitteilung, dass er Aufbau I nicht weiter unterstützen werde, es also keine weiteren Millionenzahlungen geben werde. Schlimmer aber noch: Bernd Lunkewitz kündigte auch an, dass er von Aufbau I Schadensersatz in Höhe von 48 Millionen Euro verlangt. Sind das all die Einnahmen, die Aufbau I über die Jahre hatte, vielleicht auch die Unterstützungszahlungen der BFL GmbH ? Praktisch jedenfalls ist, dass der Privatmann und Aufbau II-Eigentümer Bernd Lunkewitz sein alter ego, den bestens über deren finanzielle Situation informierten Alleingesellschafter der Aufbau I-Eigentümerin BFL GmbH Bernd Lunkewitz wahrscheinlich nicht lange bitten musste, ihm all die für den so folgenreichen Brief nötigen Informationen zu erteilen.

Jedenfalls ist Aufbau I nach dem Brief nun überschuldet und damit insolvent, die Marke Aufbau durch die ganze Auseinandersetzung nicht eben gestärkt. Den Verlag rechtssicher weiterführen könnte vielleicht Aufbau II. Ob der Verlag das wollen soll und was die Insolvenz in dem sicher noch lange andauernden Streit mit den öffentlichen Buhmännern, den Treuhandnachfolgern der BVS, für eine Rolle spielt, weiß außer Bernd Lunkewitz vermutlich nur Bernd Lunkewitz. Und natürlich seine Anwälte, die wie es scheint ein wahrhaftes Dauermandat ihr eigen nennen dürfen.

Rainer Dresen arbeitet als Rechtsanwalt und Verlagsjustitiar in München auf dem Gebiet des Urheber- und Medienrechts. Mail: Dresen-Kolumne@freenet.de

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