Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen über: Der Mafia-Killer kam zum Osterfest

Wer meint, eine solche Überschrift habe im seriösen BuchMarkt nichts verloren, hat gar nicht so Unrecht. Der Ursprung der folgenden Geschichte liegt in der Zeitung mit den großen Buchstaben verborgen:

Vor ein paar Jahren erfuhr ein BILD-Italienkorrespondent, dass sich eine Deutsche im Anti-Mafia-Zeugenschutzprogramm der italienischen Polizei befindet. Nach einigen Schwierigkeiten gelang es, sie zu kontaktieren und dazu zu bewegen, ihre Lebensgeschichte aufschreiben zu lassen.

BILD berichtete exklusiv, der damals noch zu Springer gehörende Ullstein Verlag übernahm die nachfolgende Buchauswertung des Sachbuchs „Ich, die Frau des Paten. Als Deutsche in der Mafia“. Beschrieben wurde dort in eher dürren Worten und mit wenigen Details die Lebensgeschichte einer Deutschen, die im Deutschland der sechziger Jahre einen italienischen Gastarbeiter kennen lernt, ihn heiratet, von ihm schwanger wird und mit ihm nach Sizilien zieht.

Dort erfährt sie zu ihrer Überraschung, dass ihr Mann in Wirklichkeit Mafia-Killer ist und schließlich Mafia-Pate wird. Bekannt wird dieser europaweit dadurch, dass auf seine Veranlassung hin bei rivalisierenden Mafia-Kämpfen in Zusammenhang mit der Vergabe von Staudammarbeiten ins sizilianische Hinterland bis zu 500 Mafia-Angehörige rivalisierender Clans ums Leben kommen. Nicht wenige der Opfer wurden direkt durch Vater und Söhne der deutsch-italienischen Mafia-Familie ins Jenseits befördert.

Diese Geschichte war schon wieder in Vergessenheit geraten, die Buchrechte deshalb auch längst von Ullstein an die Autorin zurückgegeben, als die ARD basierend auf diesen wenigen Fakten und ergänzt um zahllose zusätzliche Handlungsstränge ein umfangreiches Drehbuch für einen Fernsehzweiteiler „Vera – Die Frau des Paten“ in Auftrag gab.

Auf der Grundlage des Drehbuchs wurde ein nochmals im Vergleich zum Drehbuch erweitertes „Buch zum Film“ verfasst und beim Münchner Heyne Verlag veröffentlicht. Alles jedoch ohne Kenntnis oder gar Zustimmung der Mafia-Familie.

Wenige Tag vor dem stark beworbenen Ausstrahlungstermin des Zweiteilers am Karfreitag und Ostersonntag meldete sich ein Berliner Anwalt bei der ARD und beim Verlag. Film und Buch „Vera – Die Frau des Sizilianers“ verletzten demnach Urheber- und Persönlichkeitsrechte seiner Mandanten, nämlich der deutschen Mafia-Ehefrau, ihres Gatten, dem Herrn Mafia-Killer und von deren Co-Autoren am Buch „Ich, die Frau des Paten“.

Der Jurist mit den interessanten Mandanten forderte sofortige Unterlassung der Ausstrahlung des Films und des Vertriebs des Buchs. Anderenfalls drohte er ARD- und Verlagsmitarbeitern zwar nicht mit genretypischer Einbetonierung im Rahmen des von der EU geförderten sizilianischen Staudammprojekts, aber doch mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, darauf gerichtet, Film und Buch verbieten zu lassen.

ARD und Verlag waren unerschrocken weiter der Ansicht, dass allenfalls eine freie Bearbeitung bereits veröffentlichter biographischer Motive, keinesfalls jedoch ein Plagiat oder eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt. Deshalb lehnten sie die Abgabe der geforderten sog. strafbewehrten Unterlassungserklärung ab.

Trotzdem rechneten sie mit einem Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung durch den Anwalt der Mafia-Familie. Da ein solcher Antrag überall dort gestellt werden konnte, wo der Film zu sehen und das Buch zu kaufen war, also bundesweit, war es erforderlich, alle bekannten Landgerichte Deutschlands über die Rechtsansicht von ARD und Verlag im Wege einer sog. Schutzschrift zu informieren.

Da einstweilige Verfügungen von den Gerichten üblicherweise aus Eilgründen ohne vorherige mündliche Verhandlung erlassen werden, sichert nur die präventive Einreichung einer Schutzschrift mit dem zu erwartenden Verfügungsantrag entgegenstehenden Argumenten das rechtliche Gehör der Gegenseite.

Erfreulicherweise haben sämtliche vom Mafia-Anwalt mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung konfrontierten und in den jeweiligen Ostervorbereitungen gestörten Richter die in den Schutzschriften unterbreiteten Rechtsausführungen von ARD und Verlag aufgegriffen und die Verbotsanträge zurückgewiesen.

Deshalb stand für jeweils über fünf Millionen ARD-Zuschauer einem besinnlichen Osterfest mit der sympathischen Mafia-Familie (gespielt u.a. von Mario Adorf, Heinz Hoenig und Martin Semmelrogge) nichts entgegen. Auch der Buchvertrieb verlief ungestört.

Nur ist es seit den Rückschlägen vor Gericht verdächtig ruhig um den ehemals so forschen Mafia-Anwalt geworden…

Rainer Dresen, 40, arbeitet als Rechtsanwalt und Verlagsjustitiar in München auf dem Gebiet des Urheber- und Medienrechts. Mail: Dresen-Kolumne@freenet.de

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