Nina George (M)ein Brief an die Branche – und an Lufthansa und Amazon-Audible

Nina George : „Haben Sie eigentlich noch alle Propeller in der Düse?“ Foto: ©NinaGeorge0417

Nina George hat sich gestern auf Facebook über einen Deal zwischen Lufthansa und Amazon-Audible aufgeregt. Hier begründet die streitbare Kämpferin für ein gerechtes Urheberrecht in einem (Liebes?)brief an die beiden Unternehmen ihren Zorn:

Liebe Lufthansa, liebes Amazon-Audible,

Ihr habt mir gestern erst einen Lach- dann einen mittelgroßen Wutanfall beschert.
Das kommt, zugegeben, in der Kombination selten vor.
Ich rege mich im Prinzip schon lange nicht mehr auf; wer sich ehrenamtlich in der politischen Arbeit für Autoren- und Autorinnen engagiert, läuft bei der Vielfalt an kleineren und größeren Absurditäten sonst Gefahr, mit einem ständigen Adrenalin-Überschuss herum zu hecheln, komplizierte Folgekrankheiten zu entwickeln und sich nicht mehr auf seine Romane konzentrieren zu können. Und selbst die verständigste Krankenkasse, Verlegerin und/oder Ehepartner hätten dafür eines Tages keine Geduld mehr.

Wie auch immer, ihr habt es heute geschafft. Glückwunsch. Oder vielleicht auch nicht. Auslöser war Euer Angebot, wie es vermutlich hundertfach in den letzten Monaten an Verlage und ihre Autorinnen gegangen ist. Es lautet:

Audible möchte diesen Titel gerne Lufthansa für das Bord-Entertainment-Programm anbieten. Dabei handelt es sich um eine reine Marketingkooperation, keine Lizenz, für die Audible von Lufthansa honoriert werden würde.
Audible ist seit 2016 Kooperationspartner der Lufthansa. Mit ca. 70 Millionen Passagieren im Jahr bietet die Lufthansa ein riesiges Potenzial, Titel und Autoren bekannt zu machen und einer großen Hörerschaft zu präsentieren. Durch kommunikative Maßnahmen weist Lufthansa seine Kunden natürlich auf das Entertainment-System und seine Inhalte hin.  Die Einbindung in das Bord-Entertainment-System bietet damit eine tolle Möglichkeit für den Erstkontakt mit dem Medium Hörbuch. Wir glauben daher, dass sich die enorme Präsenz und Reichweite, die wir durch die Kooperation für die Titel schaffen, positiv auf die Verkäufe bei uns auswirken wird. Aktionszeitraum 01.11.2017 – 30.04.2018. Da der Titel von den Passagieren zwar nicht dauerhaft erworben werden kann, aber in voller Länge abspielbar ist, bietet Audible eine Marketingvergütung an. Diese orientiert sich an den Lizenzerlösen in einem vergleichbaren Zeitraum zur Marketingaktion. Für Nina George entspricht das einer Vergütung von 150 Euro (pauschal).

Liebe Lufthansa, liebes Audible, Sie haben es vermutlich schon mitbekommen, dass meine Antwort: „Nein, danke“ lautete. Aber eins muss ich jetzt schon mal fragen:

Haben Sie eigentlich noch alle Propeller in der Düse?

Sie beide wollen also Kulturwerke in dem Lufthansa-Bordservice sechs Monate lang, für in dieser Zeit rund 35 Millionen Passagiere anbieten (Gut, nehmen wir mal „nur“ alle deutschsprachigen, bleiben „nur“ noch einige Millionen), aber nicht dafür zahlen. Sie argumentieren dies konzertant mit „Erstkontakt mit dem Medium Hörbuch“ und „enormer Reichweite“. Und behaupten dann noch, es handele sich sowieso nicht um eine Lizenz?

Interessante, aber leider unzutreffende Sichtweise. Ich erläutere Ihnen gerne meine Sicht: Sie, und das gilt für Lufthansa genauso wie für den Lizenznehmer Audible, sind per Gesetz verpflichtet, mir für jede Nutzung meines Werkes eine faire Vergütung zu zahlen. Sie sind außerdem verpflichtet, diese Nutzung nachzuweisen und transparent auf Abruf zu dokumentieren. Sie kommen, auch wenn sich Ihre Juristen und Juristinnen schon auf eine spitzfindige Auseinandersetzung freuten, nicht mit der Behauptung aus diesen Verpflichtungen heraus, es handele sich ha, ha, bei dieser wenig verheimlichten und gezielten Massennutzung gar nicht um eine Lizenz. Ach was! Wir schreiben einfach „Promo“ drauf und fertig! Und dann ballern wir sechs Monate aus allen Klinkensteckeranschlüssen, 35 Millionen Passagiere, Mann, die George müsste UNS was zahlen für diese Reichweite!

Ja, auf dieses Argument warte ich eigentlich noch. In Piratenkreisen hat sich das längst etabliert, dass illegaler Download doch voll die Promo ist und wir Autorinnen happy … egal.

@Audible. Ihre Behauptung, dass ich mittelfristig profitieren würde (Wir glauben daher, dass sich die enorme Präsenz und Reichweite … positiv auf die Verkäufe bei uns auswirken wird), in dem ganz bestimmt zum Beispiel all jene, die auf der Langstrecke Hamburg-San Fransisco mein Buch hören, im Nachhinein für eine Verkaufsexplosion im Hörbuch- und Buchhandel (bei Amazon, by the way?) sorgen, ist, höflich gesagt, als „Möhrenreligion“ zu bezeichnen: Mit der Lockrübe „Ist doch Werbung für Dich!“ werden bereits tausende Autorinnen und/oder Verlage an der Nase herum geführt, und ihre Leistungen gratis genutzt, ohne dass sich für den Autoren und die Autorin im Nachhinein ein messbarer und auf diese oder ähnliche „Promo-Aktionen“ hin nachweisbarer monetärer Zuwachs feststellen lässt.

@Lufthansa: Was Sie vorhaben, das ist keine Werbung. Werbung ist, wenn Sie alle Boeings nach New York mit meinem Cover verzieren. Schön in lila, wäre doch nett. Was sie aber vorhaben, ist Nutzung. Und das bekommen Sie nicht umsonst, mehr noch: Sie sollten sich schämen, dass Sie die Arbeit der Autorinnen und Autoren umsonst haben wollen.
Ja, schämen: Sie bieten Hörbücher in Ihrem Service an wie Tomatensaft und Kaffeekeks. Ist das Werbung für Granini? Nicht? Müssen Sie den Saft etwa nicht bezahlen? Was hat der Saft, was ich nicht habe? Wohl keinen Partner wie Audible, der Ihnen solche Un-Angebote macht?

Und, liebes Audible: das mag sich für Dich ja in der Masse und im Image lohnen, Audible macht’s möglich, was auf die Ohren über den Wolken, hu, sexy, modern, ja, ja – aber Du willst dieses Image auf meine Kosten. Auf meine und auf all die jener Kolleginnen und Kollegen, die sich auf diese halbgare Promo-keine-Lizenz-150-Euro-Illusion einlassen, und deren Werke dann hundert-, tausendfach genutzt werden, und sie nichts dafür erhalten.

Wissen Sie, was mich dabei außerdem aufregt? Sie beide, Sie sind nicht die ersten. Nicht die letzten, die die Arbeit von Autorinnen und Autoren, kaum das deren Werke digitalisiert sind, nutzen ohne anständig zu vergüten. 0-Euro-Aktionen. Leihmodelle- Ist-doch-Werbung. Paid Piracy. E-Books in bestimmten Zuglinien im „kostenlosem Mediapaket“. Die Leistung wird geliebt. Aber nicht die, die sie erbringen, die sollen mit Luftmöhren satt werden.

A propos Luftmöhre: Nach dieser Ist-doch-Werbung!-Logik, liebe Lufthansa, müssten Sie mir ein halbes Jahr lang Freiflüge ohne Limit gewähren, die ich meinen, na, seien wir großzügig, meinen 1500 Facebookfreundinnen überlasse. Oder meinen 1,5 Millionen LeserInnen weltweit. So oft, so weit diese wollen. Das ist DIE Chance für Sie! Ich meine – eine tolle Möglichkeit für den Erstkontakt mit dem Medium Flugzeug! Ich kann Ihnen 5 Euro dafür anbieten. Weil: Ist doch Werbung – und keine Nutzung. Oder, etwa doch?

Ach, und eine letzte Frage, liebe Lufthansa, liebes Audible: Wer von Ihnen zahlt eigentlich VG Wort-Geräteabgaben für diese Angebote der ständigen Vervielfältigung im luftigen Raum? Streaming ist das nicht, oder gibt’s inzwischen WLAN über den Wolken? Keine Sorge. Ich kümmere mich gern darum.

Ihre Nina George

Nina George (43), ist Schriftstellerin, Präsidiumsmitglied des PEN-Zentrums Deutschland, VS-Bundesvorstandsmitglied, Gründerin der Initiative Fairer Buchmarkt und VG Wort Verwaltungsrätin.

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert