Kaffeehaussitzers Netzrückblick Fundstücke aus den Literaturblogs – November 2019

Uwe Kalkowski

Ein verregneter Monat November geht zu Ende, in dem an Schmuddelwettertagen viel Zeit war, durch die Literaturblogs zu bummeln und empfehlenswerte Beiträge zu sammeln.

Es beginnt mit einem Aufreger. Die Süddeutsche Zeitung kam – warum auch immer – auf die Idee, einen „Soulmates“-Schuber mit Literatur von Männern anzupreisen. In Zeiten, in denen intensiv über die Sichtbarkeit von Autorinnen im Literaturbetrieb diskutiert wird, ein, vorsichtig gesagt, etwas unsensibles Unterfangen. Besonders, als nach Nachfrage mitgeteilt wurde, dass ein weibliches Gegenstück nicht geplant sei. Die Reaktionen im Netz ließen nicht lange auf sich warten. Nicole Seifert schrieb in ihrem Blog Nacht und Tag ausführlich darüber und schnell etablierte sich auf allen Kanälen der Hashtag #Autorinnenschuber, mit dem die unterschiedlichsten Menschen jeweils zehn Bücher von Autorinnen präsentierten, die ihnen wichtig sind. Eine schöne Möglichkeit, um sich Leseanregungen zu holen.

Bei der Verleihung des Bayerischen Buchpreises 2019 kam es zu einem Eklat, als einer der drei Titel, die es ins Finale geschafft hatten, auf offener Bühne wegen Plagiatsvorwürfen zurückgezogen wurde. Blogger Marius Müller berichtet auf Buch-Haltung ausführlich über diesen denkwürdigen Abend.

Beim Blog LiteraturReich schaue ich gerne regelmäßig vorbei und entdecke dort immer wieder Bücher, die mir sonst entgangen wären. Wie etwa die Neuauflage von Horst Krügers Erinnerungsbuch „Das zerbrochene Haus“, in dem er das Aufwachsen im Nachkriegsdeutschland beschreibt und das lange vergriffen war. Petra Reich stellt das Buch so fesselnd vor, dass ein anschließender Besuch in der Buchhandlung des Vertrauens nicht ausbleiben kann. Das gilt ebenso für ihre Besprechung der Stories von Jamel Brinkley, die in dem Band „Unverschämtes Glück“ versammelt sind.

Stichwort Buchhandlung des Vertrauens: Buchbloggerin Nina Goldhammer hat nach dem Besuch der Essener Buchhandlung Alex liest Agatha eine wahre Liebeserklärung geschrieben.

Das Besondere am Blog Travel Without Moving: Jeden Monat wählt Bloggerin Romy Henze ein anderes Schwerpunktthema, mit dem sie sich beschäftigt. Im November war es passenderweise das Thema DDR. Neben ernstem Stoff wurde auch das Buch „Trabi Love“ vorgestellt, eine Liebeserklärung an den Zweitakter mit seinem unverwechselbaren Aussehen.

Der Blog Das Debüt hat zum vierten Mal den Bloggerpreis für Literatur ausgeschrieben, mit dem das beste deutschsprachige Debüt ausgezeichnet wird. Jetzt wird es spannend: Aus 80 eingereichten Titeln ist nun die Shortlist aus fünf Romanen erstellt worden.

Eines der Jury-Mitglieder ist Marc Richter, der für den Gemeinschaftblog We Read Indie über diesen Debüt-Preis geschrieben hat und sich darüber freut, dass vier von den fünf Finalisten in unabhängigen Verlagen erschienen sind – was zeigt, wie wichtig die Indie-Verlage für die Vielfalt im Buchmarkt sind. Man kann es gar nicht oft genug erwähnen.

Im Blog Bücheratlas von Martin Oehlen und Petra Pluwatsch gibt es einen Nachruf auf den Kölner Graphiker und Bibliomanen Eduard Prüssen. Ein Mensch, der für die Literatur lebte.

Bloggerin Sabine Delorme war wieder unterwegs, diesmal in Kopenhagen. Auf Binge Reading & More schreibt sie über diese wunderschöne Stadt; Schwerpunkte sind dabei Bücher und die Literatur. Bei der Gelegenheit sei auf die von ihr initiierte Beitragsreihe Women in Sci-Fi hingewiesen, in der seit einigen Jahren Science-Fiction-Literatur von Autorinnen gesammelt wird.

Einer meiner Lieblingsblogs ist irgendwie jüdisch von Juna Grossmann – eine wahre Fundgrube von Beiträgen zu kulturellen und gesellschaftlichen Themen. Und immer wieder gibt es dort interessante und spannende Buchtipps zu entdecken. Etwa, wenn es um „Die Bücher meines Sommers“ geht.

Zum Schluss geht es mit Sätze & Schätze ins Kino: Es wird der Sammelband „CINEMA“ aus dem Elif Verlag vorgestellt, in dem sich 64 Lyrikerinnen und Lyriker auf unterschiedlichste Weise mit der Kunstform des Films beschäftigen. Ein spannendes Projekt – und auch nach diesem Beitrag ist der Besuch der Buchhandlung des Vertrauens schon fest eingeplant. Und überhaupt, es geht langsam auf Weihnachten zu und warum soll man anderes schenken als Bücher?

In diesem Sinne wünsche ich uns allen viele literarische Entdeckungen und eine schöne Vorweihnachtszeit. Und zwischen den Feiertagen viel Zeit zum Lesen.

Uwe Kalkowski ist seit über 25 Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus unterschiedlichen Perspektiven: Als Buchhändler, als Absolvent des Studiengangs Verlagswirtschaft in Leipzig und als Mitarbeiter verschiedener Verlage. Seit August 2019 arbeitet er als Produktmanager für den Eichborn Verlag. In seinem Blog Kaffeehaussitzer schreibt er über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse und stellt in der monatlichen Kolumne »Kaffeehaussitzers Netzrückblick« auf buchmarkt.de lesenswerte Fundstücke aus den unterschiedlichsten Literaturblogs vor. „Vollkommen subjektiv, handverlesen und rein persönlich ausgewählt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn eine solche kann es in einer so vielschichtigen Szene gar nicht geben“, wie er sagt.

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