Kaffeehaussitzers Netzrückblick Fundstücke aus den Literaturblogs – Mai 2018

Auch in der Buchblogszene war der Mai geprägt von der allgemeinen DSGVO-Aufregung. In den sozialen Netzwerken schien es eine Weile kaum ein anderes Thema zu geben, die Reaktionen reichten von Panik über stoisches Abarbeiten der technischen und formellen Änderungen bis zu Resignation. Denn leider sind auch einige lesenswerte Blogs offline gegangen – eine Folge der Datenschutzgrundverordnung, die themenunabhängig überall zu beobachten ist. Im technikphilosophischen Blog von Enno Park erhält man einen plakativen Eindruck davon.

In den Literaturblogs ist mir der Beitrag auf schiefgelesen sehr angenehm aufgefallen, in dem sich Bloggerin Marion Rave wunderbar unaufgeregt zum Thema DSGVO und Blogger äußert. Um noch etwas bei diesem Blog zu verweilen: Wer die Netzrückblick-Kolumne regelmäßig liest, weiß, dass ich ein großer Fan der Rubrik „Essen aus Bücher“ im Blog schiefgelesen bin. Daher hat es mich sehr gefreut, dass diese wunderbaren Beiträge jetzt zusätzlich in dem eigenen Blog schiefgegessen gesammelt werden. Ein Blick lohnt sich.

Auf Der Leiermann habe ich den Beitrag „Lesestufen“ entdeckt, in dem es um die Entwicklung der Kulturtechnik Lesen und deren Veränderung im digitalen Zeitalter geht.

Autor und Blogger Frank Rudkoffsky stellt auf seinem Blog unter der Rubrik „Drei Bücher über…“ regelmäßig Titel zu einem bestimmten Thema zusammen. Diesmal über das „Künstlerleid“– es sind drei spannende Biographien über die Schriftsteller Richard Yates, David Foster Wallace und Mark Oliver Everett, drei Menschen, bei denen Talent und Tragödie eng miteinander verknüpft sind. Und Frank Rudkoffsky schreibt so mitreißend über die Biographien, dass alle drei Bücher umgehend auf meine Lesewunschliste gewandert sind.

Die Autorin Mareike Fallwickl ist im Frühjahr mit ihrem Roman „Dunkelgrün, fast schwarz“ durchgestartet. Im Interview auf novellieren sprechen unter dem Beitragstitel „Vier Frauen, ein Buch“ die an der Entstehungsgeschichte des Buches Beteiligten über ihre Zusammenarbeit. Neben der Autorin sind es die Literaturagentin Caterina Kirsten, die Lektorin Nadya Hartmann, die das Buch in der Frankfurter Verlagsanstalt betreut hat, und Anne Michaelis, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeitverantwortliche des Verlags. Ein sehr sympathischer Blick hinter die Kulissen.

Und noch ein Interview: Marc Richter hat für seinen Blog Lesen macht glücklich den Autor Hannes Köhler interviewt, dessen Roman „Ein mögliches Leben“ auch mich sehr beeindruckt hat.

Im Blog notizhefte gibt es als Top-five-Empfehlung eine Liste von fünf Romanen zeitgenössischer Literatur aus den letzten fünf Jahren. Der Rat des Bloggers Norman Weiß: „Fünf Bücher, fünf Themen und Zeiten, noch mehr Schauplätze und Hauptpersonen. Fünfmal Lesezeit und fünfmaliges Nachklingen – eine Empfehlung: Alle lesen!“ Auf jeden Fall eine schöne Auswahl.

Da wir gerade bei Listen sind: Bei Frau Hemingway finden wir eine Zusammenstellung von Büchern zum Thema Empowerment für Frauen. Bloggerin Janine Rumrich stellt die Titel einzeln vor und macht neugierig auf deren Inhalt.

Lars Hartmann würdigt auf AISTHESIS den im Mai verstorbenen Tom Wolfe auf eine sehr persönliche Art. Ein schöner Text. Zum Thema Gedenken sei ebenfalls auf den Beitrag „Ein Mahnmal aus Papier“ hingewiesen, in dem es auf Kaffeehaussitzer anlässlich des 85. Jahretags der Bücherverbrennung um Volker Weidermanns wichtiges Projekt „Das Buch der verbrannten Bücher“ geht. Auf Bouvard & Pécuchet gibt es einen lesenswerten Beitrag über Hannah Arendt und vor allem über ihren Essay „Die Freiheit, frei zu sein“, ein Vortrag, der dieses Jahr erstmals aus dem Nachlass Hannah Arendts veröffentlicht wurde. Sehr lesenswert.

Was mir an der Welt der Literaturblogs immer wieder gut gefällt: Die Neuentdeckungen lesenswerter Blogs hören nie auf. Im Mai hat mir foejetong (wunderbarer Name!) besonders gut gefallen – interessante Beiträge und eine vielseitige Themenauswahl. Vielen Dank an Linus Giese von Buzzaldrins Bücher, der mich auf diesen Blog aufmerksam gemacht hat.

Außerdem finde ich es immer schön, wenn Buchhandlungen Literaturblogs betreiben. Umso mehr habe ich mich als ein in Köln lebender Buchmensch gefreut, dass im Mai der Buchladen Neusser Straße mit einem eigenen Blog an den Start gegangen ist, redaktionell betreut von Wibke Ladwig. Bitte mehr davon.

Uns allen wünsche ich einen schönen Juni mit vielen spannenden Literaturentdeckungen.

Uwe Kalkowski ist seit 25 Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus unterschiedlichen Perspektiven: Als Buchhändler in großen und winzigen Buchhandlungen, als Absolvent des Studiengangs Verlagswirtschaft in Leipzig und als Marketingmensch in verschiedenen Fachverlagen; seit 2009 ist er Marketingleiter des RWS Verlags in Köln. Als Kaffeehaussitzer bloggt er über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse. In der Kolumne Kaffeehaussitzers Netzrückblick gibt er hier auf buchmarkt.de regelmäßig eine Übersicht über lesenswerte Fundstücke aus den Literaturblogs. „Vollkommen subjektiv, handverlesen und rein persönlich ausgewählt ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn eine solche kann es in einer so vielschichtigen Szene gar nicht geben“, wie er sagt.

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