Liebe Freunde, Leser, Abonnenten, Inserenten,
willkommen zur Frankfurter Buchmesse 2012! In den folgenden sechs Tagen können Sie an dieser Stelle täglich meine Messe-Erlebnisse nachlesen, die ich dann nachts niederschreibe. Von daher hat das Gastlandmotto „Bevor es bei Euch hell wird“ für mich etwas ungemein Zutreffendes.
Sie werden hier nichts über Preisträger, Politik, Wirtschaft oder Strukturwandel finden. Ich gehe doch nicht auf die Buchmesse, um dann ein dreistündiges Seminar über Urheberrecht zu besuchen. Obwohl es toll ist, dass so etwas angeboten wird! Doch ich will hier zunächst essen, trinken, Spaß haben und Geld kosten. Und im Gegenzuge unzureichenden Journalismus anbieten. Sechs Tage lang die Luft einatmen, die Roger Willemsen ausgeatmet hat. (Und davon wird es jede Menge geben.)
Der geschlossene Eröffnungsdienstag gliederte sich in Pressekonferenz am Morgen, Altbieranstich am Abend und dazwischen eine kleine Tour durch die Hallen, bevor Sie am heutigen Mittwoche hereinströmen.
Pressekonferenz als erste Prüfung des Hobbits
Unser Gast ist dieses Jahr ein angeblicher Kontinent, der Neuseeland heiße und der vollständig von Peter Jackson erbaut wurde; aber vor dessen feierlicher Pavillon-Eröffnung steht die feierliche Eröffnungspressekonferenz. Das ist wie Weihnachten: Bevor man an den Baum darf, kommt immer erst unsägliches Ausharren und -halten. Aber zum Glück kam ich gute zwanzig Minuten zu spät. Verdammt, ich habe Dr. Honnefelder verpasst. Aber das war okay, der ist im Dialog lustiger als im Vortrag.
Als Gastredner sprach dieses Jahr statt eines prominenten Autors ein echter amerikanischer CEO. Aber das war immer noch besser als dieser Audi-Felsen vom letzten Jahr. Richard Robinson von Scholastic Publishing brachte immerhin ein paar sympathische Phonetiken ins Spiel: Jeawrgen Bous für Juergen Boos und Doctor Hawnenvelder, das höre ich sehr gerne. Sehr schön war, dass Juergen Boos ein einziges Mal angesteckt wurde und tatsächlich ebenfalls aus Versehen, aber doch relativ Chris-Howland-esk „Honevelder“ sagte.
(„Bob’s your uncle“ müssen Sie selber googeln.)
Ebenfalls neu war, dass es dieses Jahr jede Menge Diagramme und Schaubilder gab. Die Veränderungen der kulturellen Muster sind so vielgestalt, dass Schaubilder nun helfen. (Dass diese Schaubildnot selbst ein kulturelles Muster ist, verrät sich eher versehentlich, als Boos auf neue Arbeitsfelder hinweist wie zum Beispiel Designer und Techniker für die Erstellung von Infografiken.)
Der abschließende Fragenteil war wie immer amüsant, weil Dr. Hawnenvelden doch jedes Jahr irgendeinen Neunmalklugen abkanzelt. Diesmal wollte die FAZ wissen, welche politischen Rahmenbedingungen sich Honnefelder für den Buchhandel zusätzlich zur Preisbindung wünscht, und der sagte „Das werde ich Ihnen jetzt nicht auf die Nase binden.“
Danach wollte keiner mehr was fragen, und wir konnten alle vergleichweise früh gehen. So eine Pressekonferenz kann also auch gutgehen!
Gastlandpavillon
Traditionell muss jedes Gastland den Pavillon vom Vorjahr aufräumen. Das wird immer in anderer majestätischer Weise gelöst, z.B. indem die Leinwände stehen bleiben, aber neue Dias projiziert werden oder indem einfach eine neue Deko über die alte drübergebaut wird. Und da haben es sich die Neuseeländer gerissen einfach gemacht: Großflächige, flache Wasserareale bei ausgeschaltetem Licht. Also wenig Licht. Aber das wenige dann immer spektakulär. Bücher waren auch da. Niemand ist ertrunken.
An Darbietungen gab es einen Minister, der sich zu benehmen wusste, und etliche Krieger, die tanzten und Zungen herausstreckten und brüllten. Wahrscheinlich um uns daran zu erinnern, Neuseeland nicht nur auf Maori-Folklore zu beschränken. Aber es gab auch einen schönen Chor und ein eindringliches Gedicht. Nein, zwei: Das eine kam von den Tänzern und hörte sich ein wenig an wie das Vaterunser, vor allem, weil plötzlich manche der Gäste unisono mitmurmelten. Das war ein schöner Effekt, wenn man nicht damit rechnet. Das andere Gedicht wurde mit 114 % Gesichtseinsatz vorgetragen, aber war auf englisch.
Im Dunkeln trifft man dann wieder die VIPS aus der vorangegangenen Konferenz:
…aber Sie brennen sicher schon darauf, Bilder vom Pavillon zu sehen. Das ist vor allem in kleiner Homepage-Winzformat-Auflösung viel besser als vor Ort in Echtgröße und lästigem 3D:
Oh, und ich will nicht versäumen, Ihnen die Projektleiterin des Neuseelandkomitees vorzustellen, Tanea Heke. Hier ist sie in einem seltenen Moment gerade mal nicht belagert von Journalisten, so dass ich sie endlich selber belagern kann.
Die Hallen im Aufbau
Nach der spirituellen Massage im Zwielicht des Weißwolkenlandes erdet mich ein Gang durch die unfertigen, chaotischen Hallen. Hier gibt es Endzeit-Anblicke von Bauruinen, Müllbergen und Autos, die durch Gebäudegänge fahren. Ganze Wohnwagensiedlungen. Nein, halt, das ist ja der Messe-Stand von Hapag-Lloyd!
Oder hier, echtes Graffiti:
Aber hier im Chaos ist auch überall Fleiß zu spüren: Bei Franzis wollte ich eigentlich nur ein schönes Retro-Radio-Buch fotografieren…
…als mir Jürgen Kraeber aber auch gleich eine Präsentation aufbaut.
Und wo nicht aufgebaut wird, wird abgebaut. Da sage einer, PR-Leute seien nicht fleißig: Christian Sonnhoff schmeißt bei Lappan eigenhändig Pappen weg.
Eine Frankfurter Messe ist keine echte, wenn ich nicht mindestens einmal pro Tag mit dem Accente-Versorgungsoffizier Matthias Seuring zusammenstoße. Warum der überhaupt noch physisch hier herumläuft, das frage ich mich. Der könnte als körperloses Telefonsignal ja quasi noch noch besser arbeiten.
Bis dahin müssen Seurings Jungs sich ihre Pizza noch selber bestellen.
Und apropos handfest: Das hier ist Waltraud Strohschein, die hessische Windbeutelgräfin, ein echtes Frankfurter Original.
Und bei allem Nonsens soll nicht unerwähnt sein, dass die Messegastronomie Accente seit diesem Jahr mit der Frankfurter Tafel zusammenarbeitet. Endlich auch Lachsröllchen und Kaviarcanapés für die ärmeren Bevölkerungsschichten.
Nach getaner Standbestückung ist die Besetzung im Messerestaurant nicht die einzige Pizzaklientel. Auch bei GeraNova hat man alle Schienen verlegt und alle Züge umgeleitet, um endlich zu pausieren.
Hier habe ich einen Medienstand unbewacht vorgefunden, und Sie wissen ja, wie gerne ich unbewachte Stände schände. Zack, einfach ungeschützt in den Sessel gelungert.
Deshalb gehen immer mehr Aussteller dazu über, die Einräumarbeiten abzuschirmen, zu verhüllen und zu verhängen.
Unter der Rubrik „Dinge, die auch ich nicht verstehe“, habe ich drei Fotos anzubieten:
Herr Andrews ergänzte seine Aussage dann beim Bier mit „Und jetzt bin ich der Saugnapf.“
Aber ich muss ja auch nicht alles verstehen. Ich freue mich einfach in größtmöglicher Simpelheit an den Dingen, die ich verstehe, zum Beispiel am neuen Bond-Titel bei Knesebeck!
Aber man bekommt nicht alles geschenkt hier. Zum Beispiel musste ich mir ein kompromittierendes Foto vom neuen Eichborn-Chef hart erkämpfen. Ich wollte ihn eigentlich mit seinem Dressman-Artikel in der ZEIT konfrontieren, aber Felix Rudloff und ich lieferten uns einen knallharten Faustkampf, bis ich wenigstens mein Foto hatte. Dank Adrienne Hinze. Na gut, und weil Herr Rudloff mir tatsächlich hinterher meine Kamera wieder aushändigte.
Altbieranstich am BuchMarkt-Stand
Zum Messe-Auftakt belohnt die Redaktion alle ihre Freunde und Leser und zahllose Schnorrer, indem Sie ein paar Bierfässer ansticht. Lecker Altbier aus Düsseldorf. Seit Jahren. (Trotzdem kommt Reinhold Joppich immer wieder.) Allerdings haben wir unseren schönen Standplatz am Kopfende von Gang E an die Typen von 3sat verloren. Uns hat Juergen Boos direkt vor die Wand gesetzt. Wahrscheinlich wegen der zunehmenden Bierrandale um unseren Stand herum.
Obwohl – dafür sind wir diesmal in attraktiver Nachbarschaft. Unser Nachbarstand ist nämlich die Leipziger Buchmesse. Hoffentlich stören die uns nicht mit ihrem leisen Sächsisch beim Lärmen und Saufen.
Hier sehen wir die einzige Bestsellerautorin, die Ihre Bücher selber in die Regale räumt: Dora Heldt, dtv, zusammen mit Chefredakteur Christian von Zittwitz.
Das ist Wibke Ladwig. Sie kommt aus der Welt der Netzwerke, und ihr ausgesprochenes Ziel ist es, mich da hineinzuziehen. Aber ich habe Angst vor Apps. Ich verheddere mich in Netzwerken nur.
Naja, und halt die üblichen Verdächtigen. Das sind schon keine Stammgäste mehr, das sind schon Komplizen. Dieser undurchsichtige Schweizer Bardola.
Oder der unschweizerische undurchsichtige Holger Ehling:
Aber er hat einen schönklingenden Verlag gegründet: Die Fleet Street Press.
Ralph Möllers ist ja nicht mehr Terzio, dafür guckt er nun prüfend anderer Leute Material an. Beim Vielflieger-Verlag habe ich mir für die Woche mindestens drei Champagner-Empfänge notiert.
Ein bewährtes Team: Adrienne Hinze und Bodo Horn-Rumold vom Baumhaus-Verlag.
Aber ich habe auch noch eines mit Nicola Bardola und Bodo, wo Bodo ulkig guckt.
Und wo wäre ich überhaupt mit allem, was ich je auf diesen Messen erreichte oder verspeiste, ohne Maren Ongsiek? Leider betreut sie nicht mehr die Gourmet-Gallery, sondern ist nun für die Reisehalle zuständig.
Und abschließend, damit Sie sich nicht beklagen, weil ich immer nur die gleichen Arbeitsvortäuscher ablichte, habe ich auch ein Foto anzubieten von Leuten, die sich ihr Bier tatsächlich verdient haben:
Ich wünsche Ihnen einen guten Auftakt, eine anregende Messe und stabile Gesundheit. Und hierauf freue ich mich schon ganz besonders:
Bis morgen!
Ihr
Matthias Mayer
herrmayer@hotmail.com
www.herrmayer.com
Weisheit des Tages:
Waea atu ki te Pirihimana!