Sonntag: Sehr verschwommenes Influencing Der MESSE-MAYER Frankfurt 2017 Teil 6 von 6

 

LIEBE FREUNDE,

 

die Buchmesse ist vorbei. Heute hat der Sonntag zwar ein wenig gebraucht, bis er sich aus dem Morgendunst erhoben hat, aber irgendwann kam der blaue Himmel vom Samstag wieder.

 

Der verschwindende Messeturm ist immer wieder ein erhabener Anblick

 

Was habe ich nur alles verpasst: Florian Schröder, Jennifer Armentrout, Dietrich Faber, Johann Lafer, Erin Hunter, Katie Melua, die Live-Aufzeichnung vom Literarischen Quartett, das Panikkonzert von Udo Lindenberg auf der Open Stage.

Ich wollte bei Birge Tetzner von Ultramar vorbeischauen, ich habe noch so viele Gutscheine, die ich nicht eingelöst habe, ich wollte mir den Karl-May-Eiskratzer abholen, ich habe das Dessert bei BLV vergessen, ich konnte Lojze Wieser nicht mehr in die Keule beißen.

Nicht mal mit Matthias Seuring vom Messe-Gastronomie-Dienstleister accente konnte ich dieses Jahr essen, und das, wo er mir im Restaurant immer die Gastlandküche vorstellt. Naja, war ja nur Frankreich. Wird schon nix Besonderes gewesen sein.

Ich hatte sogar eine Karte für die Friedenspreisverleihung in der Paulskirche!

 

Wussten Sie, dass Margret Atwood 2014 mal meine Ohren getragen hat?

 

Allein deswegen wäre ich gerne hingegangen, aber leider musste ich ausschlafen.

Eine Messemitarbeiterin (nicht Buchmesse, sondern Messegelände) sagte, dass die IAA zwar doppelt so lange dauere, aber dass da nur Männer sind, die Autos angucken, die wiederum nur herumstehen. Hingegen die Buchmesse ist ein Jahrmarkt an Leben, ein Lese- und Bücherfest, ein Weihnachten der Branche. (Obwohl ja Weihnachten unser Weihnachten ist.)

Diese Messe ist so groß und pulsierend, dass es immer viel mehr Verpasstes als Erlebtes geben wird, aber ich glaube, das ist ein universelles Prinzip. Ich freue mich also, dass die Messe vorbei ist, und ich freue mich, dass sie wieder so gut war.

 

Tetsche hat den Cartoonpreis gewonnen! (Ausstellung auf der Agora.)

 

Am Sonntag herrschte Aufbruchsstimmung. Je weiter der Rückreiseweg, desto eher wurde zusammengepackt, zumindest bei einigen.

 

Ja, Tessloff, Euer Heu nehmt Ihr mal schön wieder mit.

 

 

„Ich pack den Laptop schon mal ein.“

 

Meistens sind es die Chefs, die schon heimfahren und die Belegschaft hier lassen. „Die Erwachsenen fahren früher nach Hause“, höhnte eine nicht näher genannte BLV-Chefin.

Dafür dürfen wir Kinder eben noch ein bisschen länger wachbleiben und Quatsch machen:

Es war die politischste Messe seit Langem, prahlen einige, bloß weil es dauernd Querelen zwischen rechten Verlagen und linken Gegnern gab. Hier eins auf die Backe, da ein wenig Vandalismus – das hatten wir sonst nicht hier, das stimmt.

Allein durch die Anwesenheit dreier rechtspopulistischer Verlage warfen der anwesende Buchhandel und die Buchmesse sich sehr in die gegengewichtige Bekennerbrust, veranstalteten Partys, Kundgebungen, Demos, Führungen und wiesen bei der Frage, warum man diese deutschnationalen Verlage überhaupt auf die Messe lässt, halb stolz, halb zerknirschtes Zahnmehl herunterschluckend, auf die Demokratie hin. Selten trat das Linksliberale dieser Branche so sehr hervor wie dieses Jahr.

 

Klett Kinderbuch unterstützt jede Schule, die keinen AfD-Politiker zum Vorlesen rein lässt.

 

Ich habe das Thema dann erst mal vom Illumaten eindampfen lassen.:

 

„Links-Rechts-Konflikt“

 

Und ich bin jetzt schon gespannt, ob sich das bald beruhigt oder ob es auf den nächsten Messen schlimmer wird. Nur nicht blind sein für diese gefährlichen und bedenklichen Präsenzen.

Und apropos blind: Ich war im Blindmobil und habe mal mein Nichtaugenlicht ausprobiert.

 

LIONS CLUBS EREBNISMOBIL

Der weltumspannende Feinsinnige-Wohltäter-Verein The Lions Club hat ein Erlebnismobil auf der Agora geparkt, das den Grauen Star zum Erlebnis macht. Ich hoffe, der Fahrer wusste, was er tat.

Man wird vorher mit Blindenstock und Sandstrahlbrille ausgestattet, damit man wie im Falle der Erkrankung alles nur noch verschwommen sieht, und dann darf man durch ein Mobil hindurchstolpern, das ein paar normale Alltagshürden für Verschwimmsichtige simuliert.

Nein, hier gibt es keine Crêpes.

 

 

Das war nicht so einfach, wie ich dachte.

 

 

Verschwommen zu sehen ist irritierender als nichts zu sehen.

 

 

Na, so schwierig wird’s schon ni- WTF?

 

 

Gebamsel und alles, was herumhängt und in Ihr Gesichtfeld ragt, ist der Horror

 

 

Treppen sind okay, aber Teppichkanten und Fußmatten, unter die sich der Taststock schiebt, sind richtige kleine Mistviecher.

 

Hier nochmal das gleiche Bild hinter der Grau-Star-Brille

 

 

Und so verlässt man das Erlebnismobil, sichtlich verschwommbenommen.

 

Ich danke dem Lions Club für diese Erfahrung, Holger Ehling für den Tipp und dem lieben Gott, dass ich keinen Grauen Star habe.

 

Sehenden Auges darf ich nun das nächste Interview anbieten.

 

 

JAN WEILER

 

Der wahlsüddeutsche Journalist ist im selben nordrheinwestfälischen Dorf aufgewachsen, in dem unsere Redaktion steht. Er war bereits in seinem Beruf erfolgreich, aber den großen Durchbruch hatte er mit Maria, ihm schmeckt’s nicht, das sehr leise an sein eigenes Leben und sehr sinnvoll an seine Schreibstärken angelehnt war – die trocken formulierte, spaßige Selbst- und Alltagsbetrachtung.

Seine Pubertätsglosse Das Pubertier ging noch stärker in diese Richtung, und da explodierte der Erfolg förmlich: Von der Glosse zum Buch, vom Buch zur Fortsetzung, von da zum Film, vom Film zum Fernsehen, mittlerweile gibt es auch Musical- und Theaterversionen.

Während wir noch auf Pubertier on Ice und Cirque du Pubertée warten, durfte ich das Glückskind Jan Weiler am Stand von Piper interviewen!

 

 

 

 

Jan Weiler: Ist BuchMarkt das, was Herr von Zittwitz macht?

BuchMarkt: Ja, genau.

Da kenne ich die Familie!

Denn Sie sind in Meerbusch aufgewachsen – das wäre jetzt meine erste Frage gewesen. Meine nächste Frage: Kino, Buch, TV-Serie, und jetzt ein Theaterstück nach Motiven von Jan Weiler –

…und ein Musical gibt es auch!

Wann kommt das Pubertier als Yps-Heft?

(lacht) Interessant. Als Pulver, dann kann man mich in Wasser werfen, und dann wachsen eklige Krebse.

Ist Pubertät eine Erfolgsmasche, oder ist Jan Weiler eine Erfolgsmaschine?

Weder noch. In dem Wort „Masche“ schwingt ja die Annahme mit, man wolle eine Goldader ausschürfen.

Och, und das wollen Sie nicht?

Nein, tatsächlich ergeben sich die Dinge auseinander. Niemand hat am Reißbrett gesessen und sich diese Entwicklung überlegt. Das Pubertier ist Produkt eines reinen Zufalls. In der Zeitungskolumne „Mein Leben als Mensch“ schreibe ich ja schon seit zehn Jahren solche Geschichten, und manchmal kommen auch die Pubertiere darin vor. Ich erhielt eine Mail von einer Leserin, sie würde die Pubertiergeschichten am meisten mögen, und ob ich daraus nicht mal ein Buch machen wolle. Das habe ich so an meine Lektorin, damals bei Rowohlt, weitergeleitet, und die sagte einfach: Mach! Wir waren zwar auch in anderen Projekten, aber die zogen sich oder mussten verschoben werden, also machten wir tatsächlich etwas Kleines, um die Zeit bis zum nächsten größeren Buch zu überbrücken. Deshalb ist Das Pubertier so klein und so dünn, es sollte einfach eine Überbrückung sein. Dass das dann so durch die Decke gegangen ist, das hat keiner geplant.

Aber wieso wurde das so ein Erfolg?

Jugend gibt es immer, jeder kommt in die Pubertät. Das Thema geht also alle an. Das Buch ist für alle Generationen, weil jeder in der Familie von der Pubertät betroffen ist, ob es die Eltern sind oder die Kinder oder die Großeltern oder die Geschwister, die es schon hinter sich haben. So haben wir es zumindest in der Rückschau zu erklären versucht. Der Rest war dann eher zwangsläufig – zu einem Buch macht man Lesereisen, aus denen werden Bühnenprogramme, daraus CDs, und dann fragt halt irgendwann auch mal ein Fernsehsender oder eine Filmfirma an.

Sind Sie zufrieden mit der Umsetzung in andere Medien, oder interessiert Sie das nicht, weil Ihr Job mit dem Schreiben erledigt ist?

Letzteres finde ich eine ausgesprochen gute Haltung, weil man sich damit viel Ärger erspart. Am Film konnte ich mitarbeiten, an der Serie nicht, aber ich finde beide Produkte auf ihre Weise recht respektabel. Aber man muss loslassen. Ich möchte nicht am Filmset stehen und derjenige sein, der Sachen sagt wie „Jetzt hat er aber die falschen Socken an“. Ab einem bestimmten Punkt muss ich akzeptieren, dass ich nur noch Zuschauer bin. Ein Buch schreibt man allein, aber ein Film ist ein großer Haufen an Bedürfnissen und Perspektiven, die sich einbringen, so dass der Vorlagengeber ganz schnell der allerletzte ist, der da wichtig wäre. In den USA gibt es diese Form des Autorenfernsehens, wo ein Showrunner alles in der Hand hat, aber in Deutschland sind wir noch nicht so weit.

Werden Sie nicht mittlerweile nach weiteren Drehbüchern und Serien-Ideen angefragt?

Ja, aber das macht ja keinen Spaß. Ich mag es, mit klugen Menschen wie meinen Lektoren etwas Gutes zu erschaffen, aber das Arbeiten für einen Konzern oder einen Verleih ist sehr unfrei, und ich würde unter den Sachzwängen leiden. Im Tatort muss der Täter binnen 20 Minuten zum ersten Mal zu sehen sein.

Finden sich Ihre Kinder in Ihren Kolumnen wieder?

Nein, das tun sie nicht. Ich erfinde diese Geschichten von den Kindern weg. Ich lasse mich zwar inspirieren und übernehme Dinge, die sich verallgemeinern oder abstrahieren lassen. Aber ich schreibe nichts Persönliches über meine Kinder.

Ist es nicht gerade bei Glossen reizvoll, den Autor und seine Ich-Figur gleichzusetzen? All das zu lesen und zu hoffen: Der führt dieses Leben, über das ich hier lese?

Ja, aber die Trennlinie liegt in der Allgemeingültigkeit dessen, was in der Kolumne passiert. Liebeskummer als allgemeingültiges Thema ist okay, aber ich darf daraus keine biographische Schilderung machen und detailliert beschreiben, wie die Beziehung meiner Tochter zu Ende ging.

Gibt es noch etwas, das Sie gerne gefragt werden möchten?

Ich möchte gerne gefragt werden: „Herr Weiler, Sie haben im WM-Finale sieben Tore geschossen, was ist das für ein Gefühl?“ Aber das fragt mich kein Mensch.

Eine letzte Frage habe ich da noch, Herr Weiler. Sie haben im WM-Finale sieben Tore geschossen, was ist das für ein Gefühl?

Das war sehr geil. Aber diese Frage kam jetzt sehr unerwartet.

 

Zu klug für einen Showrunner, aber ein ungalublicher Torschütze: Jan Weiler

 

Und das war Jan Weiler. Bevor ich mein nächstes und letztes Messe-Interview präsentiere, erlaube ich mir aber einen letzten Gang durch die Hallen, um mich überall zu verabschieden.

 

 

DIE AUSSTELLER UND GÄSTE SAGEN ADIEU

 

Als ich bei e-Buch vorbeikomme, heißt es nur noch, „Komm, geh in die Küche.“

 

Und das mache ich dann eben.

 

Am Stand treffe ich Birgit Kidd und Dörte Brilling von litnity. Litnity ist eine Literaturcommunity, aber alle guten Namen waren schon vergeben.

Ich soll das Foto neben dem Monitor machen, damit man das Logo von litnity sieht.

 

Ich mache ja alles, was man mir sagt.

 

Nur her mit den sinnlosen Fotos, heute ist schließlich Messesonntag.

Jetzt ist aber gut, schließlich bin ich eine seriöse Kolumne.

 

Später treffe ich die gleichen Damen beim Börsenverein, aber jetzt haben sie die Plätze getauscht.

 

 

Nicht mir mir, meine Damen.

 

 

Ich möchte mich bei Katja Schmidt von der Frankfurter Buchmesse entschuldigen und bedanken.

Entschuldigen muss ich mich, weil Kaja Schmidt ein wenig verletzt war über meine frechmäulige Behauptung, Halle 4.2 sei langweilig. In Halle 4.2 finden sich Dienstleister und Sachbuchverlage, und da mag ich vorschnell bei der Gähnhand gewesen sein.

Dabei gab es hier einiges zu entdecken:

 

Der Sitzsack von Wikipedia

 

 

Das Kostenrecht (gesamt!) und das Rechtsdienstleistungsgesetz

 

Ein Blick auf beide Etagen zeigt ja, dass 4.2 sich jederzeit mit 4.1 messen kann:

 

Moment, ich zähle noch schnell oben.

 

Bedanken möchte ich mich bei Katja Schmidt für die schöne Frankreichtasse, die ich dieses Jahr bekommen durfte. Für mich und meine Mama. Vielen lieben Dank!

 

 

Zu deutsch: „Nicht für einen Wald voll Affen und irgendwas mit Wasser“

 

Beim Softwaregigant BookHit frage ich nach der nächsten digitalen Revolution, die auf uns zukommt, und da wies man mich sofort auf die Kassenzertifizierung hin, die 2020 auf den Buchhandel zukommt.

Und da bin ich schnell wieder weggerannt.

 

Hier meine letzten Sekunden vor dem Start

 

 

 

Beim Illumat finde ich ein interessantes grammatisches Problem vor:

 

Ist es für das Passivhilfsverb „werden“ relevant, dass die tollen Ideen ein Plural sind?

 

Lösungen bitte an die Mailadresse am Ende des Textes.

 

In Halle 4.0 bekomme ich etwas geschenkt, das gar kein Asthmaspray ist, obwohl es im Gutscheinheft für Buchhändler so aussah. Die Firma BookChair verschenkte hier in Wahrheit einen nachfüllbaren Lochrandverstärker!

 

 

Voll im Trend: Erwachsenes Ausmalen.

(Kopfschütteln) Riva, Riva, Riva.

 

In Halle 3.1 hat sich ein Finanzdienstleister einen eigenen Stand gemietet: Mit AF Media setzt sich Alex Fischer zum einen selbst in Messeszene, zum anderen sein Buch Reicher als die Geissens. Zusätzlich hat er seinen Stand mit einem Wiley-Autoren dekoriert: Dieter Homburg präsentiert hier seinen Titel Altersvorsorge für Dummies.

 

Und wer war jetzt diese mysteriöse Frau Andersen?

 

Lange Geschichte. Ich lasse sie weg.

 

Im Forum, also dem Gastlandpavillon, wurde Frankreich als Gastland verabschiedet und Georgien für 2018 willkommen geheißen. Diese Staffelübergabe findet quasi auf dem Zahnfleisch statt, aber danach wird gefeiert und abgehottet. Katie Melua wird auftreten, sobald ich weg bin. Katie Melua kommt aus Georgien. Sonst niemand.

Die übergebene Staffel ist eine merkwürdige Kapsel mit einem Schriftstück darin, die sogenannte Buchmesse-Rolle, eine Mischung zwischen Heiliger Gral und Ü-Ei.

Das ist meine erste Staffelübergabe!

Und das reicht auf Jahre.

 

Hinter dem Sitztribüne haben sich ein paar Schlaufüchse Lücken zunutze gemacht, durch die sie spähen können:

 

Spalier der Staffelspanner

 

Während ich meine immense Körpergröße und mein besonderes Talent, die Hände über meinen Kopf zu heben, in die Waagschale warf, erledigte meine Kamera den Rest.

Eine Frau, die Französisch kann, spricht mit jemandem, der nicht Katie Melua ist

 

Bei Lübbe finde ich zwei schöne Motive zum Abschied:

Funny Pilgrim ist eine umjubelte Social-Media-Influencerin mit kilometerlanger Autogrammschlange. Sie sagen jetzt sicher: Influencer, ist das ein grippaler Infekt? Nein, Influencer bedeutet:

Leute, die ihr eigenes Publikum fotografieren und dieses Foto synchron ans Publikum schicken

 

Zweitens sitzen sie hier alle beisammen, Vorstand, Presse, Autoren, Vertrieb und Freunde der  Lübbe AG.

 

Klaus Kluge sieht man nur in ganz winzig ganz hinten…

 

…während ich für Rebecca Gablé natürlich gerne näherkomme.

 

Auch draußen auf der Open Stage spricht gerade ein Influencer, während der Publikumsbereich vor Fans überquillt: Der Verlag HarperCollins hat sich Lukas Rieger ins Programm geholt, hier auf dem Foto mit Basecap und Haltungsschaden. Rieger ist eine Art deutsche Viralversion von Justin Biber. Auch „viral“ klingt nach Infekt, aber das ist alles beabsichtigt.

 

Also Hinsetzen ist schon mal ein Problem.

 

Was Rieger denn später mal mit seinem Leben machen wolle?

 

Seine Antwort war „Ab wann kann man denn Kinder kriegen?“

 

Ich bedanke mich bei Jasmin Strauß, die mich an der Security vorbei bis zur Bühne gelassen hat und, was noch viel lebenswichtiger war, auch wieder hinaus.

 

Wenn ich schon auf der Agora bin, dann kann ich auch gleich noch das Lesezelt mitnehmen, das ich bisher kaum betreten habe. Carlsen-Autor Andreas Steinhöfel ist mein moderner Erich Kästner, und hier liest er aus seinem neuesten Rico & Oscar vor.

Ein netter, kluger und sehr guter Autor.

 

 

Dass das Lesezelt immer so nach Lesezelt riecht, liegt daran, dass die Firma YogiTea sich hier mit Ausschank etabliert hat. Dass wir also bei Zimt sofort an die Buchmesse denken, ist Pavlovsche Methode.

 

Neben Hibiskus und Chai ist „Zeltgeruch“ die beliebteste Geschmacksrichtung.

 

Apropos Geschmacksrichtung: Ich habe zwar dieses Mal nichts von Lojze Wiesers legendärem Messeschinken kosten können, aber vielleicht verzeiht mir der Verleger und kulinarische Europabotschafter, wenn ich dieses Foto hier zeige, dass ich heute auf dem Nachhauseweg schoss. Hier spricht er gerade live in der Senung Literadio.

 

Eigentlich waren Verleger ja schon immer Influencer, bevor es das Wort überhaupt gab.

 

Ich hatte einige Wartezeit am Landesstand von Thüringen zuzubringen, weil der Illumat so populär ist, und damit ich meinen Platz in der Schlange nicht verliere, brachte mir Thomas Sittler einen Espresso von seinem Stand herüber.

 

„Das ist der „ICH-habe-den-besten-Espresso“-Blick.

 

Weil der Verlag Fleet Street Press von Lavazza für diese Messe perfekt mit High-End-Geräten ausgestattet wurde, will ich sehr wohl den Bohnenbrenner preisen:

 

Lavazza, nur damit es auch wirklich jeder weiß.

 

 

Die Pressefrau Ira Zeitzen von Edition Michael Fischer ist mir fast jeden Tag über den Weg gelaufen, und irgendwann ist auch mein Maß voll. Jetzt reicht’s, jetzt werden Sie gepostet und geinfluenct. Schreibt man das so? Geinfluenct? Das sieht ja grauenhaft aus.

 

Aber unser Foto nicht!

 

Beim Kinderbuchverlag Nordsüd treffe ich den Kleinen Eisbären!

 

Dann möchte ich nicht den großen sehen.

 

Im Hintergrund signiert Hans de Beer die Eisbärbücher.

Hans de Beer guckt so, wie ich mich körperlich fühle.

 

 

Rafik Schami guckt so, wie ich mich seelisch fühle.

 

Schnappschuss bei Dumont: Rafik Schami und Imke Schuster.

 

Lea Kaib ist aus der Generation YouTube vor etwa zwei Messen in dieses Messeleben hineingeploppt, und ich will sie nicht mehr missen. Auf dieser Messe hat sich Oetinger ihre Dienste als CosPlayerin gesichert: Als Aurora aus dem Oetinger-Titel Stormheart steht sie am Stand und badet in Besucherströmen.

 

Macht selbst in der Kolter eine gute Figur: Lea Kaib

 

 

Das Kulturhaus Südverlag hat mir durch seine Pressesprecherin Diane Kopp diese wundervolle E.-O.-Plauen-Tasse schenken lassen. Wie schön sie ist! Und so eine habe ich noch nicht!

 

Ich habe überhaupt keine Tassen, die mit E.-O.- anfangen.

 

Bei so viel reichhaltigen Gaben und innigen Kontakten will ich auch gerne etwas herschenken und geben. Nämlich mein letztes Messe-Interview für diese Saison.

 

 

SEBASTIAN FITZEK

 

Es gab keine deutschen Thriller, bis Sebastian Fitzek versehentlich einen geschrieben hat. Und dabei wollte er nur ein Buch schreiben, das ihm gefällt und spannend ist, aber egal, was Fitzek schreibt: Es wird ein Psychothriller. Viele hat er schon geschrieben, und was er schreibt, wird ein Bestseller; und was er signiert, ist immer ein Unikat, das viele Stunden des Schlangestehens auf einer solchen Messe wert ist.

Fitzek ist eines der besten Pferde im Droemer-Stall, im November nimmt sein neuester Titel Flugangst 7A  sich einer besonderen Angstsituation in einem geschlossenen Raum mit befristeter Zeit an, also eine raffinierte Pageturner-Kür der Thrillerbasics.  BuchMarkt konnte mit dem cleveren Krimimacher sprechen.

 

 

BuchMarkt: Bedeutet Sperrfrist, dass ich das Cover nicht zeigen darf?

Sabstian Fitzek: Nicht für mich.

Muss Sebastian Fitzek noch Exposés einreichen?

Ich weiß es gar nicht, weil ich sie immer einreiche. Ich lege sehr viel Wert auf die Meinung meiner beiden Lektorinnen. Um mir eine erste professionelle Meinung einzuholen und mir Fallstricke zeigen zu lassen, mache ich das immer. Ich bin noch gar nicht auf den Gedanken gekommen, es nicht zu tun. Das Exposé wird aber bei weitem nicht so zerpflückt wie der erste Entwurf.

Auf wieviele Verlage sind Sie zugegangen, bis es geklappt hat?

Ich habe 15 Verlage angeschrieben. 13 haben abgesagt, und zwei haben sich bis heute nicht gemeldet. Das war also eine hundertprozentige Nichterfüllungsquote.

Was haben Sie dann gemacht?

Dann fiel mir ein Artikel in der FAZ über Literaturagenten in die Hände, das war 2002, und danach dachte ich dann: Ein Verlag kann mein Manuskript auch ungelesen und per Formbrief ablehnen, aber ein Agent ja nicht, der muss davon leben. Naiv und eingebildet wie ich war, ging ich davon aus, dass ich etwas ganz Tolles geschrieben habe, dass ich Goldstaub abliefere. Von zwei angeschriebenen Agenten haben sich zwar beide zurückgemeldet, Roman Hocke schneller als der andere; und Roman Hocke war auch der Lektor von Michael Endes Unendlicher Geschichte, einem Buch, das mich sehr inspiriert und geprägt hat. Und da dachte ich: Okay, das ist der richtige. Nur wollte der mir erst mal gar keinen Vertrag geben. Er sagte, man sieht ein bisschen Talent, aber man sieht auch alle Anfängerfehler, die man machen kann.

Was unterscheidet dann den Agenten vom Verlag?

Man bekommt eine begründete Absage.

Wie ging es dann weiter?

Hocke hat sich gewundert, dass ich mir seine Anmerkungen zu Herzen genommen habe, und wir haben dann an dem Text gemeinsam weitergearbeitet. Er war ja selber Lektor und Verlagsleiter und kannte das Geschäft. Ich kann also leider nicht die Geschichte vom verkannten Autor erzählen und den blinden Verlagen, die sein Talent nicht erkennen. Denn was wir im zweiten Gang bei den Verlagen eingereicht haben, das hat sich deutlich von der ersten Version unterschieden.

Heutzutage kann jeder ein Buch schreiben und macht das dann auch, einfach weil es geht?

Ich erlebe auch bei meinen Lektorinnen, dass die Stapel der eingereichten und noch nicht gelesenen Manuskripte immer höher werden. Ich habe an mir selbst gemerkt, wie trügerisch das ist: Früher war es ein mühseliger Prozess, ein Manuskript zu tippen. Heute kann ich mit geringem Aufwand eine Fassung drucken und binden lassen, die erst mal was hermacht, ohne dass das erste Wort gelesen ist. Das sieht viel wertiger aus als das, was man früher abgegeben hat, und da kann man schon mal vor lauter Begeisterung auf sich selber reinfallen. So wie ich auch.

Haben Sie Tipps für Autoren?

Alle Autorinnen und Autoren, die ich kenne, fingen mit Schreiben als Zweitbeschäftigung an. Sie haben einen Brotberuf, der sie wochen- wenn nicht gar monatelang zwingt, im Schreiben zu pausieren. Wenn man dann keinen Überblick hat über die Prämissen, die Figuren, dann verliert man den Faden unweigerlich. Man ist nicht mehr mit seinen Figuren verhaftet. Ein Autor, der vom Schreiben leben kann, könnte eher auf ein Exposé verzichten, wenn er jeden Tag schreibt und ganz nah an der Geschichte ist. Ich rate also zu täglichem Schreiben, egal, wie schwer es einem manchmal fällt.

Was ist das für ein Gefühl, dass sich die allerlängsten Schlangen von Autogrammjägern bilden, wenn Sebastian Fitzek signiert?

Damit konnte niemand rechnen, und erklären kann ich es mir auch nicht so hundertprozentig. Ich persönlich bewundere dieses – Stehfleisch müsste man es eigentlich nennen. Das könnte ich ja gar nicht. Ich freue mich natürlich, und ich glaube, solange die Menschen das spüren, stellen sie sich auch gerne an. Ich höre von vielen internationalen Autoren-Stars, die schon viel länger im Geschäft sind, die nur ein Buch pro Leser signieren und dabei auch gar nicht aufsehen, sondern das einfach nur abarbeiten. Das kann eben auch eine sehr enttäuschende Begegnung sein.

Haben Sie eine solche Enttäuschung selber erlebt?

Aus diesem Grunde bin ich – obwohl ich eine Einladung hatte! – nicht zur einzigen Lesung gegangen, die Stephen King in Deutschland hielt: Weil ich immer Angst hatte, dass dieses große Idol sich mir entzaubert. Ich habe mir dann aber erzählen lassen, dass es eine tolle Lesung war, dass King sehr eloquent, sehr lustig war, sehr nett war. Dann habe ich mich natürlich geärgert.

Lesen Sie ihre Kritiken?

Man kommt natürlich nicht ohne Kritik aus, wenn wir hier über einen Lektor sprechen, da sind Anmerkungen sogar gefordert. Mancher Kritiker will auch Reaktionen provozieren. Im Zweifel sollte man lieber eine gute Kritik lesen als eine schlechte, und jeder muss sich selber fragen, wie er damit umgeht. Und man sollte den Grund der Kritik hinterfragen – will mich da jemand fördern, mir helfen, will er nur seine Meinung loswerden, oder will er mich schlechtmachen?

Einer der Täter in Ihrem Buch handelt aus sehr idealistischen Beweggründen, die real und nachvollziehbar sind. Ist das nicht Zündstoff?

Vielleicht für oberflächliche Leser. Ich plädiere ja für nichts, sondern als Autor will ich Fragen aufwerfen, auf die ich selber auch keine Antworten habe. Ideologische Konflikte, die man selber nicht gelöst hat, kann ich so sehr gut an die Figuren weitergeben.

Sie sagen, die Geschichte passiert Ihnen beim Schreiben genau so, wie sie dem Leser passiert. Schreiben Sie linear?

Ich probiere es, aber eigentlich ziehe ich Kreise, die immer enger werden.

War Autor Ihr Traumberuf?

Nein. Hinter diesem Erfolg steckt kein großer, umfassender Masterplan. Den hatte ich für meine Musikerkarriere, für mein Tierarztstudium, für meine Strafverteidigerkarriere und für mein Tennisspiel, und all das habe ich nicht geschafft.

 

Nichts kriegt er richtig hin, also schreibt er halt Bestseller.

 

 

Fitzeks legendäre Widmungen

 

Ebenfalls ein Renner: Das Brettspiel Safe House, ein geniales Fluchtspiel, erschienen bei Moses nach Fitzeks Krimimotiven.

 

Sozusagen die pathologische Version von Mensch, ärgere Dich nicht

 

Apropos pathologisch: Ich habe Ihnen ja noch gar nicht meine CosPlayer des Tages präsentiert! Keine Angst, es sind nur vier.

 

COSPLAY AM SONNTAG

 

Platz 4: Diese Saint-Exupéry-Combo, bestehend aus kleiner Prinz, Fuchs und Pilot

 

Aber der Pilot war am besten.

 

Platz 3: Auch eine Maßnahme – Game-of-Thrones-Fans bleiben in ihren normalen Klamotten, aber kommen zu dritt und haben jede eine Daeneris-Targaryan-Perücke auf.

 

psychologische Kostümierung: Simpel aber dreifach

 

Platz 2: Marilyn fotografiert Elvis.

 

Und ich fotografiere beide.

 

Platz 1: Die drei Musketiere mit ihren Baguettes.

 

Extra fürs Gastland Frankreich!

 

Und das war meine Buchmesse.

 

 

ZUM GELEIT

 

Ähnlich einer Riesenrutsche in einem Schwimmpark in Florida ist die Buchmesse immer erst eine Spur zu mühsam im Antritt, dann kann man nicht mehr bremsen, und ehe man sich versieht, ist es vorbei, man ist klatschnass und hat zitternde Knie.

 

 

Fahre ich jetzt heim, oder lege ich mich brav in die dafür vorgesehenen Konturen und schlafe?

 

 

Auch wenn die Messe vorüber ist, bleiben immer noch manche Fragen ungelöst:

  • Was hat Matthias Seuring (accente) seinen Gästen Französisches vorgesetzt?
  • Wird Thomas Sittler (Fleet Street Press) das Lavazza-Equipment wieder hergeben?
  • Wird Kein & Aber es schaffen, den kleinsten Verlagsstand der Welt in einer YogiTea-Packung aufzubauen?
  • Wird mir bis Oktober 2018 noch irgendetwas anderes zu Georgien einfallen außer Katie Melua und Walnüssen?

 

– Und wieso stand mitten in Halle 3.0 ein koreanischer Pavillon?

 

 

Auf dem Rausweg wollte ich beim Börsenverein schauen, ob meine Whiskyflasche von gestern noch einen lohnenswerten Rest aufweist, oder ob sie leergetrunken wurde. Beides würde mich freuen, weil ich dann entweder Whisky mit heim nehmen kann oder weil ich wüsste, dass mein Schnaps meinen Freunden geschmeckt hat.

Aber keins von beidem war der Fall: Am Flaschenboden war nur noch ein Zentimeter. Zuviel zum Hierlassen, zu wenig zum Mitnehmen. Also den hätten die Nappsdro$$eln vom Börsenverein ja nun wirklich auch noch killen können. Ich schlepp doch nicht die ganze Flasche nur wegen dieses Tropfen Whisky wieder nach Hause!

Ich habe ihn dann verschenkt.

 

Mich so zu verhöhnen.

 

Ich möchte noch Danke sagen:

  • Danke an alle Verlage, Aussteller und Personen, die mir beim Messe-Mayer helfen. Insbesondere die Presse- und Marketingmenschen in den Verlagen helfen mir mit Zuflüsterungen, Fotos, Kontakten oder Zugängen zu Backstage- und anderen Bereichen.
  • In aller Demut will ich Nahrung und Getränke weder unterschätzt noch unerwähnt wissen. Heute habe ich bei BLV zwei große Gläser kalte Milch hintereinander leergetrunken, so sehr hat mein messegeschundener Körper nach Proteinen und Kalium geschrien.
  • Danke an meine Redaktion dafür, dass sie mich erfunden hat.
  • und Danke an mein Management. Wenn Sie hier immer wieder auf Maren Ongsiek stoßen, dann liegt das daran, dass sie für das Gelingen des Messe-Mayers mittlerweile unersetzlich geworden ist.

Vielleicht aber auch… bin ich ja selber Maren Ongsiek! Nur wenige wissen die Wahrheit.

Ich hatte rasenden Spaß auf dieser Messe. Nicht alle hatten den. Das Umpflügen der politischen Himmelsrichtungen hat diese Messe voll erwischt und aufgebracht. Katie Melua und ich sind sehr gespannt auf 2018.

Wenn Sie das lesen, werde ich noch schlafen. Ganz gleich, wann Sie es lesen. Denn ich werde jetzt einen Monat lang schlafen.

 

Erholen Sie sich gut von dieser Messe!

 

Herzlichst,

 

Ihr Matthias Mayer

 

Erfindungen, die wir den Franzosen verdanken, Teil 6 von 6:

 

Das Klischee

 

 

www.herrmayer.com

herrmayer@hotmail.com

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