NACHGEREICHTES
Heute präsentiere ich Ihnen meinen Bericht vom Eröffnungsmittwoch. Das heißt, dass die Buchmesse seit Mittwoch geöffnet hat.
Zunächst muss ich meine versprochenen Fotos vom Außenlettering des Gastlandpavillons nachreichen, weil ich die gestern verbummelt habe.
Figuriert wie ein aufgeschlagenes Buch steht das Messemotto handgelettert in weißen Fingerfarben auf den Scheiben. Ich wies ja schon darauf hin, dass Handgelettertes der Trend 2017 sei.
Oder auch Uffgeschriwwenes, wie der Frankfurter gerne brombele tut.
Als nächstes darf ich exklusiv nachreichen: Mätzchenwart Markus Fertig vom MVB gelang es tatsächlich, auf der Eröffnungsfeier vom Dienstag ein Foto von Chefkoch Emmanuel Macron zu knipsen. Respekt. Das kann nur eines bedeuten:
Weiterhin hat mir ein branchenbekannter Whiskytrinker, den ich lieber nicht benenne, dieses Foto geschickt und fröhlich kommentiert.
Der Kommentar lautete: „Café Strich für Stricher!!!“
Und so sieht das nämlich eigentlich aus:
Und eines nur: Hatte ich in den vergangenen Jahren nicht immer wieder klargemacht, dass Juergen Boos und ich keine Trolleys in den Hallen wünschen?
Nur weil da einer einen Garderobeneuro sparen will, ruiniert er mir damit die aufdringlichen Schuhspitzen.
Sie sehen, ich bin energiegeladen und freue mich auf diesen Messetag. Gleich werde ich nämlich Bücher-DJ. Das hat mehr mit Bibliographie als mit Disco zu tun, aber sehen Sie selbst.
BÜCHER-DEEJAY BEIM MVB
Der MVB ist nicht die Mainzer Volksbank, sondern der verbandseigene Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels. Dort heckt man publikumswirksame, originelle und unterhaltsame Maßnahmen auf technisch hohem Niveau aus, um mich auf den Buchmessen zu beeindrucken.
Auch dieses Jahr hat Markus Fertig aus der Abteilung Q, wie ich sie gerne nenne, wieder einen erstaunlichen Prototypen für mich parat: Einen riesigen Touchtable mit drei beweglichen Aggregaten.
Die drei Aggregate, die aussehen wie Hustenbonbondosen, können Sie als Drehregler ansetzen und Ihre Auswahlpräferenzen festlegen. Zur Auswahl stehen Genre, Ort und Farbe.
Und dann sucht Ihnen HAL 9000 die jeweiligen Bücher heraus, also beispielsweise alle Krimis mit schwarzem Cover, die auf dem Land spielen. Und die kann ich dann auf dem Touchtable hin- und herschieben.
Oder alle rosafarbenen Kochbücher, die von Weltstadtküche handeln.
Im Grunde ist das also eine ganz normale Metadaten-Bibliographie, aber eben in einem saucoolen Gewand. Der Blade Runner unter den Bücherverzeichnissen.
Nein, pardon, das ist kein Cyborg, ich hatte nur keine Visitenkarte von dem netten Mann zur rechten. Es handelt sich um Ronald Schild, den CEO der MVB. Aber ich habe mir einen Verbandshotdog mit Jalapeños und Krautsalat verdient!
Als nächstes nehme ich an einer hochinteressanten Führung durch die politischen Verlagslandschaften teil.
DIE POLITISCHE VERLAGSLANDSCHAFT
Comiczeichner, Autor und Aktivist Nils Oskamp ist politisch betroffen, aber nicht so sehr im Sinne der Betroffenheitskultur, sondern vielmehr dergestalt, dass Neonazis ihn tatsächlich schon umbringen wollten. Dreimal.
Nils Oskamp bot eine Führung durch die Messe an, bei der er über politische Verlage referiert, linke als auch rechte. Der Pulk Zuhörer, der ihm folgte, hörte seine Ansprache über Funkkopfhörer. Und beim Vorstellen der Verlage fackelt er nicht lange: Flugs hat er auch mal Bücher aus den Regalen genommen und dort aufgeschlagen, wo die Hakenkreuzverehrung zu finden ist, zu sehen ist.
Und er tat das nicht nur mit Kompetenz, sondern auch mit einer Mischung aus empörter Leidenschaft und abgebrühter Lakonik, die man sicher nur erreicht, wenn man drei Mordanschläge überlebt.
Das muss man allerdings erst mal alles optisch auflösen: Der Hitlerdonald ist ein bekanntes, satirisches, antifaschistisches Motiv.
Und der Go!-Arm gehört zur Börsenvereinsbeauftragten Maren Ongsiek, die zur Orientierungshilfe der Wanderzuhörer immer dieses laminierte Schild hochhielt.
Jawohl, wir haben natürlich auch rechtsgerichtete Verlage auf der Messe. Das wäre ja auch seltsam, wenn diese Messe hieße „Internationale Frankfurter Linksliberale Buchmesse 2017“. Obwohl sie das im Herzen natürlich gerne sein will.
Aber wenn wir fragwürdige Verlage ausladen, dann wären wir so hilflos wie das Magazin Der Spiegel, der den Antaios-Verlag einfach von der Bestsellerliste schmeißt. Das sieht auch Nils Oskamp so.
Allerdings behalten wir Nazis immer im Auge.
Ich weiß jetzt auch keinen eleganten Übergang, aber danach machte ich Mittagspause bei BLV.
MITTAGSPAUSE BEI BLV
Der BLV-Verlag ist einer der wenigen, die die pragmatische Natur meiner Tätigkeit vollständig erfassen und sich ihrer so bedienen, wie sie vorgesehen ist: Auf jeder Messe machen wir einen Termin, CEO Antje Wolf zeigt mir die Neuheiten, die ich im Messe-Mayer erwähne, und dann kriege ich ein exzellentes Essen und ein reizendes Geschenk. Das steht schon so in deren Kalender. „Mittwoch: Reizendes Geschenk und exzellentes Essen für Herrn Mayer.“
Ebenfalls schwer im Trend: Hau alles aufs Blech, und Ruhe ist. Aus dem Kochbuch darf ich zwei Gerichte testen!
Habe vor Hunger nichts notiert, daher die unzulängliche Benennung.
Aber ich muss eh nochmal da vorbei, denn ich konnte den Nachtisch gar nicht kosten. Dann werde ich auch die Titel der Kochbuchgerichte nachreichen. (Tatsächlich werde ich nur die Namen nachreichen, aber den Nachtisch bis zum Ende der Messe nicht erlangen.)
Nach derlei Leckerem freue ich mich auf einen Spaziergang auf der Agora, denn ebenfalls nachzureichen habe ich die Containerburg von Kein & Aber.
CONTAINERHOTEL KEIN & ABER
Angeblich könne man irgendwie auf der Messe übernachten, haben viele gehört. Und das stimmt: Das schweizer Verlagshaus Kein & Aber hat als Messestand vier Container übereinander gestapelt, deren oberster ein Penthouse ist, mit tatsächlichem Schlafzimmer, echter Toilette und wirklicher Dachterasse.
Der Verlag hat die Übernachtungen verlost, und ich muss schon sagen, dass ich die Gewinner beneide. Auf der Messe übernachten wollte ich schon auch immer mal, aber dann auch noch in einer Containerburg!
Das ist so ausgeflippt, dass ich jetzt etwas Bodenständiges brauche, das mich erdet. Daher gehe ich nun zu TheARTS+.
THE ARTS+
Bitte sprechen Sie das „+“ immer mit aus, und immer englisch. Obwohl man gerade dieses Jahr auch hätte sagen können: LesArtesplüs. Also, LesArtesPlüs ist der Kunstbereich der Buchmesse. Hier wird alles Kreative, Künstlerische, Museale und Experimentelle in einem wahnsinnig hippen, kühnen Bereich in Halle 4.1 gebündelt.
Der ganze Kunstbereich ist mit pinkfarbenem Klebeband eingegrenzt.
Hier finde ich weitere Belege für die Beliebtheit des angesagten Letterings:
Man kann Handlettering auch maschinell ausführen lassen:
Und auch das hier sieht aus wie von Markus Fertig gebaut:
Kunstmäzen und Verlegerlegende Benedikt Taschen ist auch wieder mit dabei dieses Jahr!
Hier stehe ich vor einer Monitorleinwand, die künstlerische Versionen von mir virtualisiert:
Zum Glück finde ich in LesArtesPlüs auch einen Stand vom schottischen Hendrick’s-Verlag. Die drucken Gin.
Doch, liest sich gut.
Warum die nicht in der Gourmet Gallery in Halle 3.1 sind, sondern hier bei den pinkfarbenen Establishmentrebellen, weiß ich nicht. Und die übrigens auch nicht, ich habe gefragt.
Aber wenden wir uns nun wichtigeren Fragen zu, denn ich habe mein erstes Messe-Interview!
THOMAS ANDERS
Der ehemalige Modern-Talking-Star Thomas Anders hat im Tre Torri-Verlag zusammen mit Verleger, Beef- und Weinkoryphäe Ralf Frenzel ein Kochbuch herausgebracht, das völlig entspanntes Cross Cooking feiert und dabei auf die Freundschaft und Familie anstößt: Modern Cooking.
Und genau so entspannt und freundlich ist auch der Sänger und Produzent Thomas Anders, als ich ihn am Stand von Vertriebspartner Gräfe & Unzer treffe.
BuchMarkt: Wie sind sie an ihren Verleger Ralf Frenzel geraten? Der Mann ist ja ein Hansdampf in allen Kochtöpfen.
Thomas Anders: Das stimmt. Wir haben uns vor ein paar Jahren kennengelernt und uns übers Kochen ausgetauscht. Gar nicht in Hinsicht auf ein Buch, aber er kocht gerne, und ich koche gerne. Ich wohne in Koblenz, er in Wiesbaden, er kommt mal zu mir zum Kochen und ich mal zu ihm. Und irgendwann fragte er mich einfach, ob ich ein Kochbuch machen wolle. Und Sie wissen ja: Wenn Ralf Frenzel etwas will, dann ist es sehr schwer, Nein zu ihm zu sagen. Aber ich fühlte mich sehr geschmeichelt und war ganz aufgeregt, denn Kochbücher sind ja gar nicht mein Metier.
Wie lange haben Sie zusammen an dem Buch gearbeitet?
Anderthalb Jahre.
Gibt es ein Gericht oder eine Zubereitung, an die sie sich nicht herantrauen?
Ich hatte sehr großen Respekt vor Fisch. Aber das muss man einfach probieren und sich heranarbeiten. Fisch ist empfindlich, er wird zu schnell trocken, er hat ein Image, das manchen nicht geheuer ist. Aber die Übung macht auch da den Meister.
Sind Sie ein Whiskytrinker?
Nein, Gin. An einem Ötzi will ich nicht herumnuckeln.
Ötzi?
An so einer Torfleiche. Aber Gin Tonic liebe ich sehr.
Hat das „Vater-und-Sohn-Sandwich“ eine Geschichte?
Zuhause achte ich immer darauf, dass alles lecker und liebevoll ist. Niemals würde ich auf ein Brot einfach eine Scheibe Wurst draufklatschen, und das war’s dann. Eines Tages wollte mein Sohn ein Brot, und da kam dann ein bisschen Remoulade drauf, ein bisschen Salat, eine Gurkenscheibe, dann wird das Fleisch schön drapiert, noch etwas Petersilie, dann den Deckel oben drauf. Und seitdem machen wir das immer so.
Hat das ihren Sohn kulinarisch aufs Leben vorbereitet?
Ja, der macht das heute selber genau so. Er fing zwar erst mit 13 an, Sachen zu probieren, also im Restaurant über die Pizza hinaus auch mal nach dem Fleisch zu fragen, aber er probiert alles. Sogar Austern.
Sein Urteil?
„Nichts für ungut, Papa, aber das ist nicht meins.“ Aber immerhin: Er hat probiert.
Ich finde in Ihrem Buch viele internationale Klassiker, vom New York Cheesecake bis zum Piroggen. Welche Länderküche mögen Sie denn nun am liebsten?
Asiatisch, mediterran, deutsch.
Als ein Menü?
Das wäre ein wenig schwierig, weil sich asiatische und mediterrane Gewürze nicht völlig frei kombinieren lassen. Ich weiß nicht, ob Thymian zu Curry passt. Aber diese drei nationalen Küchen mag ich am liebsten, und manchmal versuche ich, das in einem Gericht zu kombinieren.
Zum Beispiel?
Bolognese mit Zitronengras. Hähnchen-Saltimbocca. Ich versuche, normale Gerichte abzuwandeln.
Heißt „Asien“ bei Ihnen eher chinesische oder indische Küche?
Eher Thailand.
Haben Sie ein kulinarisches Guilty Pleasure? So etwas, was man nicht gerne zugibt, aber was manchmal einfach sein muss?
(Thomas Anders zögert lange.) Ja. Es passiert nicht oft. Aber es passiert. Wenn ich spät nachts nach Hause komme und keine Lust mehr habe, groß was zu kochen, und auch kein Brot mehr künstlerisch belegen will…
…und im Schrank dann eine Dose Ravioli finde…
…dann ist es geschehen.
Vielen Dank, genau so etwas wollte ich hören.
Jetzt kommt der Teil, wo ich immer durch die Hallen stromere und Ihnen alles Mögliche präsentiere.
MEIN GANG DURCH DIE HALLEN
Heute habe ich eine treue Leserin dieser Glosse kennengelernt, die sich als Katzenbuchautorin bei Insel herausstellte. Und weil sie es wagte, mich anzusprechen, hat sie sich nun einen Auftritt im Messe-Mayer eingebrockt: Hermien Stellmacher und ihr Buch Wie wir Katzen die Welt sehen.
Aus der Abteilung „Ich wusste gar nicht, dass die auch einen Messestand haben“ darf ich Ihnen das Deutsche Porschemuseum präsentieren.
Wenn Sie Raucher suchen, müssen Sie vor Halle 3 suchen. Obwohl vor Halle 4 durchaus genug Platz zum Rauchen ist, geht man zum Rauchen am liebsten vor Halle 3. Aber hier habe ich mal zwei beim Nichtrauchen erwischt:
Dass ich am Morgen wegen lästiger und demütigender Eisenbahnprobleme die Pressekonferenz mit Sir Kenneth Follett verpasste, wollte ich eigentlich unter den Tisch fallen lassen. Aber dass ich ihn dann am Lübbe-Stand bei einem TV-Interview erwische, darf ich ruhig bejubeln.
Und apropos kein Witz: Ich präsentiere Ihnen als nächstes einen Inder, der sein Essen mild mag!
RANGA YOGESHWAR
Der promovierte Physiker wurde in den 90ern im Fernsehen als Wissenschaftsmoderator bekannt und muss mittlerweile niemandem mehr vorgestellt werden. Yogeshwar hat ein Buch geschrieben über alle sozialen und technischen Bereiche, die im Umbruch sind. Ich treffe den besonnenen, nachdenklichen Colatrinker bei Kiepenheuer & Witsch, wo „Nächste Ausfahrt Zukunft“ erschienen ist.
BuchMarkt: Sind wir noch in der Postmoderne, oder ist die auch schon vorbei?
Ranga Yogeshwar: Man kann fast sagen, wir sind wieder in einer Prä-Moderne. Postmoderne ist ein Begriff, der im Scharnier vom 19. ins 20. Jahrhundert benutzt wurde. Insofern stehen wir heute vor einer neuen Moderne.
Warum setzt sich die indische Mathematik in deutschen Schulen nicht durch?
Aber das tut sie. Uns ist nämlich nicht klar, dass wir etwas sehr Wichtiges aus der indischen Mathematik importiert haben: die Null. Sogar das deutsche Wort „Ziffer“ geht ethymologisch auf das südindische Wort für Null zurück. Adam Riese war der erste, der das wirklich umgesetzt hat, aber im Hinblick auf die Null verwenden wir durchaus indische Mathematik.
Wie scharf darf Ihr Essen sein?
Wenn ich es essen soll, eher mild. Zu scharfes Essen nennen wir familienintern „sudden death“, also plötzlicher Tod. Das sind diese Mahlzeiten, wo ein Gast leichtfertig sagt, er liebe es scharf, aber ab dem ersten Bissen stockt seine Stimme, und das waren seine letzten Worte des Abends, weil er nur noch damit beschäftigt ist, Milch zu trinken und nach Luft zu japsen.
Haben Sie eine Lieblings-Comicfigur?
Ja. Ich war von Kind an ein Fan von Tim und Struppi. Ich fand Tim großartig, weil er all diese Abenteuer erlebte: Er war bei den Inkas, er war auf dem Mond, er taucht nach dem Schatz Rackhams des Roten. Und das, was er machte, ist genau mein Beruf geworden. Ich mache heute dasselbe, was Tim in seinen Comics gemacht hat.
Aber Tim war ja kein Physiker.
Ich bin zwar Physiker, aber nicht nur. Ich glaube, meine Kernstärke besteht darin, komplexe Dinge nicht nur im Bereich der Physik zu durchdringen und verständlich zu erläutern.
Das leitet sehr gut zu Ihrem Buch über.
Ja, wir reden alle über Fortschritt und über abstrakte Dinge wie künstliche Intelligenz oder genetische Veränderungen, aber wir verstehen es gar nicht richtig. Und erst, wenn man eine Sache verstanden hat, kann man sie reflektieren und debattieren und ihre gesellschaftliche Wirkung untersuchen.
Das muss ich zugeben: Ich habe die Kernspaltung erst in Ihrem Buch verstanden. Was möchten Sie mit Ihrem Buch erreichen oder erklären?
Das Buch ist ein Mosaik, das ein Gesamtbild ergibt – im Gegensatz zur üblichen, eindimensionalen Betrachtung. Die Autoindustrie redet nur mit Auto-Fachleuten über die Zukunft des Automobils, während die Datenschützer nur über die Privatsphäre reden. Aber wir brauchen einen Blick, der die Wissenschaften über ihren jeweiligen Tellerrand hinaus verbindet. Im Moment stehen wir vor so vielen Veränderungen, dass die Beharrungsenergien immer größer werden. Man merkt es an Katalanien, an Pegida, am Rechtspopulismus. Aber wir brauchen nicht den Rückzug, sondern die Debatte: Was ändert sich? Was bleibt? Und wie gehen wir mit beidem um?
Sie beklagen, dass Ihre Kaffeemaschine Ihnen befiehlt, den Trester auszuleeren. Könnte man das nicht umgehen, indem man eine abendliche Kaffeetrester-Ausleer-Routine einführt?
(lacht) Ja, natürlich ginge das. Aber ich habe den Vollautomaten als Symbol verwendet für das, was wir täglich zulassen, nämlich immer mehr Apparate ins Haus zu holen, um unser Leben scheinbar bequemer zu gestalten, ohne zu merken, dass die Geräte uns herumkommandieren statt umgekehrt.
Was kann man Ihnen Negatives vorwerfen? Gibt es Menschen, die Ranga Yogeshwar kritisieren?
Sicher gibt es die. Wenn Sie eine bestimmte Exponiertheit haben, wenn Sie sich trauen, thematisch Kante zu zeigen, dann haben Sie immer auch Kritiker. Es gibt auch Leute, die meinen Erfolg skeptisch betrachten, weil sie glauben, er ginge zu Lasten ihres eigenen Erfolges. Auch in den Medien ist es nützlich, ökonomische Trittbrettfahrerei zu betreiben, also gegen etwas zu sein, weil es den eigenen Nachrichtenwert erhöht.
So wie Donald Trump, der nicht an den Klimawandel glaubt?
Ja, so in etwa.
Sagt man, Sie seien ein Allrounddilettant, weil Sie sich in alle Wissensgebiete reinhängen?
Nein, im Gegenteil. Ich erfahre, dass man meine interdisziplinäre Neugier eher begrüßt. Viele Forscher und Wissenschaftler sind froh, wenn ich ihre Erkenntnisse verstehbar machen, theoretisieren und kompetent bewerten kann. Man muss dabei aber wahrhaftig bleiben.
Gibt es im Gegensatz zur Schwarmintelligenz auch eine Schwarmdummheit, die durch immer raschere Vernetzung zustande kommt, so wie ein Shitstorm oder so wie Fake News?
Die Entzündlichkeit von Kommunikationsstrukturen hat sich geändert. In der Vergangenheit hatten wir monolithische Top-Down-Strukturen, also Zeitung, TV, Hörfunk, die in die Breite gingen und auch missbraucht werden konnten zu Propagandazwecken. Jetzt aber haben wir aus den Massenmedien die Medien der Massen gemacht, wir haben die Fließrichtung umgekehrt. Dadurch entstehen Kollateraleffekte wie beispielsweise Shitstorms. Das passiert nicht als bewusster Prozess einer Wissensverzerrung, sondern als Ergebnis eines veränderten Kommunikationsflusses, der ohne Referenzen auskommt und der, bedingt durch seine Spielregeln, nebeneinanderstehende Wahrheiten erlaubt.
Also ja, es gibt Schwarmdummheit?
Es gibt Dummheit, und es gibt eine große Zahl aktivierter Menschen. Aber es wäre vermessen, von Schwarmdummheit zu sprechen. Genauso wäre es vermessen zu behaupten, dass soziale Netzwerke Hass säen. Sie offenbaren zwar Hass als eine Facette, aber nicht als einzige. Da findet man auch Empathie und Freude.
„Guck mal, mein Essen.“
Genau. Aber wir sind noch gepolt mir der Grammatik alter Medien und blicken etwas verunsichert auf die neuen.
Wo hatten Sie schon ungewöhnlicherweise Handy-Empfang? Reinhold Messner hat Handy-Empfang auf der Zugspitze.
Auf der Zugspitze finde ich ja noch okay, aber im vietnamesischen Regenwald, mitten im Urwald an der Grenze zu Laos, wo es noch Artenvielfalt gibt, da hatte mich das sehr überrascht. Und in Südaustralien konnte ich auf den mäandernden, zahlreichen Flüssen sogar mit dem Handy navigieren.
Und das war mein letzter Termin für Mittwoch. Die vielen Happy Hours zählen natürlich nicht als Termin.
HAPPY HOUR
Das lässt sich leicht erklären: In der Gastronomie weist dieser Begriff auf einen speziell definierten Ermäßigungszeitraum im Getränkeerwerb hin, aber auf der Messe bedeutet er, dass man bereits vor dem Ende der Messe mit dem Betrinken anfangen kann.
Beim Börsenverein des deutschen Buchhandels gibt es eine kleine, aber souveräne Auswahl an Cocktailklassikern.
Vom Börsenverein gehen wir zur Happy Hour des sehr unverwechselbaren Dorling Kindersley-Verlages. Erstens lerne ich dort die Geschäftsführerin Monika Schlitzer kennen.
Zweitens: Marketingfrau Doris Giesemann verabschiedete sich, und Michael Schönwälder, Inhaber der Firma Farbsatz in Neuried, hat ihr diese prachtvolle Andywarholage gewidmet und geschenkt.
Drittens: Oh, wie schön, hier treffe ich auch wieder Julia Graff vom Hädecke-Verlag. Bitte verzeihen Sie mir, dass ich ein Foto mit geschlossenen Augen verwende, das tue ich sonst nicht. Aber ich verwende es aus einem ganz anderen Grunde, nämlich weil meine Mutter dieses Foto mit ihrem verdutzten Gesicht photobombt.
Und das war mein Mittwoch.
ZUM GELEIT
Diese satirische Liste geisterte heute durch die Mailverteiler, und ich bin sicher, Oliver Welke erlaubt uns, dass wir sie re-posten:
Ebenfalls urheberrechtlich bedenklich ist die Abbildung dieses Bildes vom großartigen Cartoon-Duo Greser & Lenz, aber weil ich heute so unter der Bahn zu leiden hatte, und weil wir doch alle eine Messe sind, ist es bestimmt in Ordnung, wenn ich diese herrliche Miniatur hier abbilde.
Und hierüber kann ich gar nicht lachen: Jetzt schütten sich die scheiß Hipster auch noch meinen guten Bourbon in ihr geripptes Äpplerglas.
Aber das soll meine Laune nicht trüben. Der Sicherheitsdienst hat mir heute zugesagt, dass ich am Samstag meinen Whisky mitbringen kann. Hoffentlich wollen die mich nicht nur in Sicherheit wiegen. Und ihn dann konfiszieren.
Wir haben die Messe nun eröffnet, und ich wünsche Ihnen einen schönen, anregenden Donnerstag.
Ihr
Matthias Mayer
Erfindungen, die wir den Franzosen verdanken, Teil 2 von 6: