Literaturpreise Stomps-Preis 2015 ging an vier Frauen

Annette Köhn, Kulturdezernentin Marianne Grosse,
Bettina Haller, Birgit Reichert, Andrea Lange

Gestern Abend fand im Gutenberg-Museum Mainz die 19. Verleihung des V. O. Stomps-Preises statt. Erstmals wurden der Haupt- und der Förderpreis am Vorabend der Mainzer Minipressen-Messe vergeben.

Den Hauptpreis konnte die Sonnenberg-Presse Chemnitz/Kemberg von Andrea Lange, Bettina Haller und Birgit Reichert entgegennehmen. Der Förderpreis ging an den Jaja-Verlag Berlin von Annette Köhn. Der Hauptpreis ist mit 3.500 Euro, der Förderpreis mit 1.500 Euro dotiert. Mit dem im Zwei-Jahres-Turnus ausgelobten V. O. Stomps-Preis der Landeshauptstadt Mainz werden seit 1979 (seit 2009 Haupt- und Förderpreis) Qualität und persönliches Engagement von Kleinverlagen honoriert.

Marianne Grosse, Dezernentin für Bauen, Denkmalpflege und Kultur in Mainz, begrüßte die Gäste: „Die Eröffnung der Mainzer Minipressen-Messe ist schon aufregend und Ereignis genug. Deshalb haben wir uns anlässlich der 23. Messe entschieden, den V. O. Stomps-Preis bereits am Vorabend in einem würdigen Rahmen hier im Vortragssaal des Gutenberg-Museums zu überreichen“, erklärte sie die Veränderung.

Grosse ging auf die Leistungen Victor Otto Stomps’ (1897 bis 1970) ein. „Wer als Autor oder Illustrator in der Eremitenpresse veröffentlichen durfte, empfand das als Auszeichnung“, unterstrich die Dezernentin. „Stomps machte die Entdeckungen, den Gewinn machten später andere.“ Denn wenn „seine“ Autoren zu großen Verlagen gingen, habe sich Stomps gefreut, er habe ihnen den Weg geöffnet, ohne davon in großem Maße zu profitieren.

Inzwischen seien allerdings aus einer „Bibliophilie der Armut“ – Stomps musste besonders in Kriegs- und Nachkriegszeiten sparsam mit allem umgehen, begehrte Sammlerobjekte geworden.

Die Jury, bestehend aus je einem Mitglied der Stadtratsfraktionen, einem Kleinverleger, einem Fachjournalisten oder Schriftsteller, einem Grafiker, der Kulturdezernentin sowie V. O. Stomps’ Sohn Hans Goswin Stomps, musste für den diesjährigen Preis 85 Bewerbungen beurteilen. „Auffallend viele Frauen haben in den letzten Jahren Pressendrucke gegründet“, bemerkte Grosse.

Amelie Persson hielt die Laudatio auf den Förderpreisträger Jaja-Verlag. „Schon der Name ist toll in der von Krisen geschüttelten Buchbranche“, begann die Rednerin, „Nein-Sager gründen keine Verlage und bekommen keine Auszeichnungen.“ Der 2011 von Annette Köhn ins Leben gerufene Verlag und seine Musenstube in der Tellstraße in Berlin-Neukölln habe ganz erstaunliche Produkte in seinem inzwischen 50 Werke umfassenden Portfolio, so beispielsweise den Comic über den Drachen Leto und seine Reise in die Halong-Bucht in Vietnam. Das Buch wurde vor kurzem ins Vietnamesische übersetzt.

Der Verlag, der als Ein-Frau-Unternehmen startete, hat inzwischen eine weitere feste Mitarbeiterin, Praktikanten und etwas 60 Autoren und Illustratoren, die mit Annette Köhn zusammenarbeiten. Bis Herbst 2016 ist das Programm bereits geplant.
„Beim Jaja-Verlag ist es wie bei V. O. Stomps: Begeisterung und Leidenschaft stehen über Rendite“, unterstrich Persson.

Extra aus der Schweiz war der Laudator für den Hauptpreis angereist: Rainer Stöckli, mit „unermüdbar scheinendem Fleiß als Literaturhistoriker und Bücherverantworter … mit sechzigjähriger Leserei, folglich einer Lebensart in Reichweite von 30.000 Büchern“ legitimierte das als Lobredner.

1998 gründete Andrea Lange mit Bettina Haller in Chemnitz die Sonnenberg-Presse. 1999/2000 begann die Herstellung der Kalenderblätter – „das zu erwartende Jahr wurde bebildert“, formulierte Stöckli. Seit 2005 erscheint das LyrikHeft, 2011 das originalgrafische Buch Hohelied – Lied der Lieder.
Stöckli würdigte die „eigenhändigen, stupend gestalteten Buchkorpora sowohl Bettina Hallers als auch Andrea Langes“, er stellte fest, „dass zu einer jeden leinengedeckelten oder schubergeschützten Textauswahl der Chemnitzer/Kemberger Buchgraphikerin in meinen Beständen … die Textquelle sich finde“ und führte als Beispiele Marlen Haushofer, Fernando Pessoa und Franz Baermann Steiner an. So falle am Oeuvre des Verlages Parteinahme für ältere und zeitgenössische Belletristik und die bemerkenswerte Wahl der Formate auf.
Damit schlug der Laudator die Brücke zum Namensgeber des Preises, V. O. Stomps.
Abschließend erwähnte Stöckli Andrea „Langes Vorliebe für Großformatiges und Unschlankes“, während Bettina Haller und Birgit Reichert eher kleinformatig arbeiten – eine glückliche Konstellation.
Der Laudator wünschte den Preisträgern und der Mainzer Minipressen-Messe viel Aufmerksamkeit und den Besuch auch von „mäzenatisch Veranlagten“.

V. O. Stomps’ Sohn Goswin Stomps berichtete anschließend von der Arbeit seines Vaters, bezeichnete dabei „die Stomps-Bibel“, das 1977 von Albert Spindler und Arno Waldschmidt im Merlin Verlag Hamburg herausgegebene Das große Rabenbuch, als fulminantes Werk über das Wirken seines Vaters.

Die Ausstellung des 18. Stomps-Preisträgers Christian Ewald e-wald – Buchkunstwerke der Berliner Katzengraben-Presse seit 1990 ist übrigens noch bis zum 9. August im Gutenberg-Museum zu sehen.

JF

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