Simone Buchholz auf Platz 1 der KrimiZeit-Bestenliste im Juni – hier zum Ausdrucken

An der Spitze der KrimiZEIT-Bestenliste Juni 2016 finden weiterhin auf Platz 1: Blaue Nacht von Simone Buchholz. Tobias Gohlis: „Vor drei Jahren hätte ich die 1972 im hessischen Hanau geborene Simone Buchholz als Prachtexemplar einer der wenigen Autorinnen vorgestellt, die das unendliche Versprechen einzulösen vermag, das der Regional-Krimi vor sich herträgt.“

„In sechs Kriminalromanen hatte sie seit 2008 einen großartigen Ort (Sankt Pauli) in seiner, d.h. in einer literarisch originellen Sprache zum Leben erweckt und sich sogar einige Fälle vorgenommen, die eher dort als anderswo spielen können. In Blaue Nacht ist es ihr gelungen, das tüddelig-Kleinmädchenhafte, das ihrem alter Ego Chastity Riley manchmal noch anhaftete, zu überwinden, ohne ihre Frechheit (2 Jurymitglieder im Gleichklang: „schnodderig“) aufzugeben. Durch knappe Rückschüsse (-blenden wäre zu fett für ihre Lichtblitze) in die Vergangenheit ihrer Figuren schafft sie Tiefe ohne Schwere. In das zwischen Selbstveräppelung, Scharfsinn und Schlagfertigkeit changierende Präsenz ihrer Ich-Erzählerin mischt sich ein Schuss Melancholie, ein zittriges Moll, das schwer noch mal so zu finden sein dürfte.

Der Fall hat etwas Gespenstisches (Elmar Krekeler): Chastity Riley ist degradiert zum Opferschutz, betreut den halb tot geprügelten Österreicher Joe, belagert ihn geradezu herzerwärmend und kaltblütig, bis er zu reden beginnt: von einem üblen Krok-Deal (Krok ist noch gesundheitsschädlicher als Crystal Meth) und von seinem langjährigen Auftraggeber, dem Albaner Malaj, der in Hamburg, St. Pauli und im Leben ihrer Kumpel eine Spur der Verwüstung gezogen hat. Es scheint nur so, als behandele sie ihren Fall wie in den früheren Romanen dilatorisch. Tatsächlich geht es ihr durchaus auch darum, und das tut gut.

„Chastity Riley ist Deutschlands härteste, schnoddrigste Krimiheldin. Und ein guter Kerl. Sagt ein Auftragskiller.“ (Elmar Krekeler, Die Welt)
„Besonders gefällt der frische, freche, klischeefreie Ton des Romans. Diese Prosa dreht auch mal Schleifen, aber sie tut es nicht ohne guten Grund. (…) Mit diesem Krimi kommt man gut durch jede blaue Nacht.“ (Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau)

Neu auf der KrimiZEIT-Bestenliste Juni finden Sie weitere vier Titel: Insgesamt sind es diesmal 3 deutschsprachige, 1 amerikanischer und 1 französischer mit 1470 Seiten.

Neu sind:

Auf Platz 3: Der Anruf von Olen Steinhauer
Olen Steinhauer (*1970) gehört zur kleinen Gruppe US-amerikanischer Autoren, die lange Zeit in Europa gelebt haben. Der kalte Krieg und seine Folgen, vor allem auf dem Balkan, haben es Steinhauer angetan. Er begann seine Karriere 2003 mit einer Serie von fünf Romanen über einen fiktiven Balkanstaat, die sich noch immer kein deutscher Verlag zu übersetzen traut. Mit seiner Serie um den „Touristen“ Milo Weaver hat sich Steinhauer inzwischen zu Recht als Nachfolger von Eric Ambler und John le Carré etabliert.
Der Anruf ist ein „stand alone“. Steinhauer wollte einen Spionageroman schreiben, der ausschließlich in einem Raum spielt. Das ist ihm fast gelungen. Im kalifornischen Aussteiger-Mekka Carmel treffen sich Henry Pelham, noch im Dienst, und seine inzwischen ins Mutterfach gewechselte Ex-CIA-Kollegin Celia zum Dinner. Sechs Jahre zuvor hatten sie versucht, in Wien die Geiselnahme eines Flugzeugs zu beenden. 120 Menschen kamen um, unter ihnen ein amerikanischer Kurier, der verraten worden war. Der verbitterte einsame Wolf Henry – immer noch verliebt in Celia – will herauskriegen, ob sie die Verräterin war. Das Katz-und-Maus-Spiel aus brillanten Dialogen und Täuschungsmanövern wirft blitzartige Lichter auf die völlige Sinnlosigkeit und Korruptheit des Spy-Business, bevor es tödlich endet.

„Die Art, wie die beiden sich gegenübersitzen, sich umkreisen und umschleichen und man als Leser langsam erfährt, was damals wirklich los war – das ist total toll gemacht.“ (Jutta Günther, Nordwestradio)
„Ein großartiger, ein raffiniert konstruierter Thriller“ (Marcus Müntefering, Spiegel online)

Auf Platz 5: Der Mann mit der Bombe von Christian Roux
Mit dem französischen Begriff „Polar“, nach dem der 2013 gegründete Hamburger Verlag benannt ist, konnten deutsche Leser zunächst wenig anfangen. Im Französichen bezeichnet das Kunstwort Polar den roman policier, den Kriminalroman, und weckt eine Assoziation von Kälte und Schrecken.
Was „Polar“ ist und worauf der tapfere, kleine Verlag zielt, ist exemplarisch an Christian Roux‘ schmalem Roman zu erkennen. Roux, Jahrgang 1963, auch als Musiker und Theatermann bekannt, legt hier einen echten Noir vor. Sein durch die Arbeitslosigkeit entwurzelter Held, ein bisher angepasster Spießer und Ingenieur mit afrikanischem Familienhintergrund, hat eine Bombenattrappe in der Tasche – als letzter Halt für sein Selbstwertgefühl. Doch wie schon die zutiefst unsicheren Antihelden in Léo Malets berühmter Schwarzer Trilogie aus den Jahren 1948/49 kennt sein Weg nur ein Ziel, den Tod. Bei einem Banküberfall, in den er verwickelt wird, kommt Larry mit der wilden Lu zusammen. Ihre Flucht – bald werden sie gesucht als das schwarz-weiße Killerpärchen – durch Frankreich erinnert an die Romane Jean-Patrick Manchettes und natürlch an Bonnie und Clyde. Roux gelingt es aber, eine ganz eigenständige Sprache für seinen Fall zu finden.

„Roux stattet die beiden mit Verletzlichkeit und dem bitteren Humor derer aus, die um ihre Verlorenheit wissen, und das macht ihre fulminante Fahrt, die immer wieder Hindernisse bereithält, umso spannender.“ (Lore Kleinert)

Auf Platz 8: Motel Terminal von Andrea Fischer Schulthess
Eine – wortwörtlich – beklemmende Situation: Eine Mutter hält ihre knapp dreizehnjährige Tochter vor der Welt verborgen, betreut und bewacht von einer dauergeilen alten Puffmutter auf dem Gelände eines ehemaligen Stundenhotels. Die Schweizer Autorin Andrea Fischer Schulthess (*1969) ist dem Publikum bisher als Bloggerin und Jugendtheater-Macherin bekannt. In ihrem Debüt-Roman Motel Terminal greift sie das Thema Mutter-Kind, das sie auch in ihren Beiträgen zum „Mama-Blog“ nicht gerade zimperlich anfasst, von der bitteren, schwarzen Seite an.

„Eine gute Krimi-Idee. (..) Ein fiktionaler Beitrag zu ‚Regretting Motherhood‘.“ (Tobias Gohlis, Recoil)

Auf Platz 9: Nadjas Katze von Ulrich Ritzel
In Ulrich Ritzels (*1940) zehntem Roman um Hans Berndorf, ehemals Leiter der Mordkommission in Ulm, jetzt Privatdetektiv in der Hauptstadt, geht es um Unaufgeräumtes, um Lebensstränge, die noch kein Ende gefunden haben. Und was gibt es unabgeschlosseneres als die Suche nach den eigenen Ursprüngen? Nadja Schwertfeger, pensionierte Lehrerin Anfang siebzig, entdeckt in einem vergessenen Manuskript aus der Nachkriegszeit einen vielleicht nicht nur fiktiven Hinweis auf ihre eigene Mutter, die sie zur Adoption freigegeben hat, bevor sie verschwand. Berndorf soll ihr helfen, den Realitätsgehalt dieses Hinweises – eben die titelgebende Stoffkatze – herauszufinden. Die beiden ungleichen, miteinander ständig kabbelnden Ermittler graben tief in der Nachkriegs- und Kriegsgeschichte und finden auch über sich selbst allerhand Befremdliches heraus.

„Man sollte einen erweiterten Kriminalromanbegriff mitbringen, um ihn als solchen zu lesen. Nadjas Katze ist die Begehung eines Erinnerungsraums. Eine zeitgeschichtliche Nachtwanderung zurück in die Nacht vom 19. auf den 20. April, die Nacht zu Hitlers letztem Geburtstag. (..) Man wird ganz still mit diesem Buch. Das macht es im Geballer dieses hartgekochten Genres so besonders, beglückend.“ (Elmar Krekeler, Die WELT)

Auf Platz 10: Allesfresser von Christine Lehmann
Blutrünstige Bloggerfantasien über ein „Menschenschlachthaus“ und der Mord an einem Promi-Koch, der sich als Veganer-Hasser viele Feinde gemacht hat – das ist das Plotsüppchen, das Christine Lehmann in ihrem zwölften Roman mit der bisexuellen und auch sonst auf nichts festgelegten „Schwabenreporterin“ Lisa Nerz anrührt. Mit Skai-Jacke und Laptop unterwandert sie als V-Frau der Ermittlungsbehörden – darunter ihr Verlobter Richard Weber – die hardcore-vegane Szene. Wäre er nicht so komisch und grotesk, könnte man Allesfresser seines Für und Wider gegen den Tiermord und das Fleischfressen wegen einen philosophischen Debattenroman nennen. So ist er einfach ein prima Krimi. Happy End auf dem Standesamt inklusive.

„Diese waghalsige Geschichte hat Lehmann mit handfestem Humor grundiert, sie ist frisch, ruppig, gelegentlich schrill, stets vielschichtig. Unter Veganern wird sie sich damit wohl keine Freunde machen.“ (Frank Rumpel, SWR 2)
„Gegen die Fluten des Wahns setzt Lehmann als sanfte, aber anhaltende Gegenströmung den Verstand, der sich in verschiedenen Reifegraden zeigt: Mal als juristischer Sachverstand, mal als typischer gesunder Menschenverstand. (..) Hochintelligent, unglaublich witzig und absolut spannend.“ (Thekla Dannenberg, Perlentaucher)

Unsere Dauerchampions: Zum dritten Mal stehen Ahmed Mourad mit Vertigo und James Lee Burke mit Mississippi Jam auf der KrimiZEIT-Bestenliste.

Die KrimiZEIT-Bestenliste Juni wird am 2.6.2016 in der Wochenzeitung DIE ZEIT, auf ZEITonline unter www.zeit.de/krimizeit-bestenliste und im Nordwestradio veröffentlicht, am Mittwoch, den 2.6.2016 gegen 9.20 live mit Tobias Gohlis und in den Sendungen der „Buchpiloten“, nachzuhören unter www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/bestenliste100.html

Hier können Sie die KrimiZEIT-Bestenliste aus der Wochenzeitung DIE ZEIT downloaden und als Plakat ausdrucken.

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