Die Krimibestenliste hier zum Download Krimibestenliste März 2020: „Sommer bei Nacht“ auf Platz 1

Die Krimibestenliste März 2020 von Tobias Gohlis gibt es hier als Download. An der Spitze der aktuellen Krimibestenliste finden Sie neu auf Platz 1: Sommer bei Nacht von Jan Costin Wagner
Dass ein möglicherweise kontroverser Titel wie Sommer bei Nacht auf Anhieb Platz 1 der Krimibestenliste erringt, spricht für die Entscheidungsfreude der Jury.
Jan Costin Wagner (*1972) kehrt nach sieben Kimmo-Joentaa-Krimis aus Finnland topographisch ins heimische Rhein-Main-Gebiet zurück, in dem die beiden Kommissare Ben Neven und Christian Sandner, Beamte der Wiesbadener Kripo, in einem Fall von Kindesentführung und –missbrauch ermitteln. Bei dem Entführer, der den Lesern bald bekannt gemacht wird, handelt es sich um einen Serientäter – ein afghanischer Junge wurde ebenfalls in Innsbruck entführt.
Dass der eine der beiden Kommissare verdeckt pädophil ist – die Frage, ob er, würde er therapiert werden und gleichzeitig als Kriminalpolizist arbeiten dürfen, ist eine, die offen bleibt – führt zwangsläufig zu unterschiedlichen Betrachtungen.

Sonja Hartl hat sich vorab so im Deutschlandfunk Kultur geäußert.

Sylvia Staude fragt sich in der Frankfurter Rundschau, wie die von Wagner geplante Serie weitergehen soll.

Marcus Müntefering ist im Spiegel begeistert.

Neu auf der Krimibestenliste März finden Sie insgesamt fünf Titel. Diesmal sind es je 3 deutsche, 1 italienischer, 1 französischer mit zusammen 1526 Seiten. 5 Autoren. Neu dabei sind außerdem:

Auf Platz 3: Die jungen Bestien von Davide Longo

Kaum älter als Wagner ist der 1971 bei Turin geborene Davide Longo, der explizit „literarische“ Kriminalromane verfasst, die sich mit Geschichte und Mentalität im heimatlichen Piemont auseinandersetzen.
Der italienische Titel ist doppeldeutiger als der deutsche: „So spielen die jungen Tiere/Schwachköpfe“. Und es sind tatsächlich idealistische politische Trottel, deren Skelette beim Bau der Bahnlinie Mailand-Turin (der industriellen Achse Italiens) gefunden werden. Nicht wie vorschnell behauptet wird, Opfer des Zweiten Weltkriegs, sondern der „Bleiernen Jahre“ sind sie, jener Zeit in den Siebzigern, als Faschisten Bomben an Bahnstrecken und in Bahnhöfen  hochgehen ließen und die radikalisierten Linken vom bewaffneten Kampf träumten – eine düstere Zeit, die wohl nie vollständig aufgeklärt werden wird und deshalb Krimi-Autoren wie Giancarlo de Cataldo, Carlo Lucarelli oder Paolo Roversi zu immer neuen Interpretationen anregt.
Die jungen Bestien vergegenwärtigen spannend jene düstere Zeit, dem Ende zu geht es aber auch um Auswege aus den damaligen Verstrickungen – wer kann schon ein ganzes Leben im Kampf-Modus führen? – und um Möglichkeiten, mit seiner Vergangenheit klarzukommen.

Im Vergleich zu seinem Debüt Der Fall Bramard (Bramard tritt in den jungen Bestien als Mentor des verantwortlichen Kommissars auf) findet Frank Rumpel, „scheint er im aktuellen Roman ganz bei sich selbst angekommen zu sein, denn hier passt alles. Longo gelingt eine facettenreiche, dunkle Geschichte über eine Zeit unübersichtlicher politischer Verhältnisse.“ (SWR 2)

Etwas kritischer ist Marcus Müntefering im Spiegel.

Auf Platz 6: Verdammte Liebe Amsterdam von Frank Göhre

76 ist Frank Göhre (*1943 in Tetschen-Bodenbach) und immer noch verdammt gut drauf. Vor zehn Jahren erschien sein letzter Kriminalroman, eine Studie jenes wohlhabenden Hamburger Milieus und jener Quartiere, in denen die FDP bei den Landtagswahlen im Februar auf knapp 20 Prozent kam.
Das Milieu von Verdammte Liebe Amsterdam ist Göhre vertrauter, das merkt man an den knappen Skizzen von Habitus und Verhalten: Seine Protagonisten sind tapfere Glücksritter, Leute, die frei sind in ihren Berufen, auf dem eigenen vergeblichen Weg ins Glück, der bestenfalls mit etwas Knete endet. Gegen die Anstandsgebote der Spießerwelt gehorchen sie ihren eigenen Regeln, lustbetont und widerständig. Ihnen widmet sich Göhre mit Zuneigung und sanfter Ablehnung, wenn es fiese Typen sind, aber niemals verächtlich.
Über dieses kurze, schelle Buch, dessen Dialoge so scharf geschliffen sind, dass man sie nicht auf der Zunge haben möchte, ließe sich viel philosophieren und schreiben; ich empfehle: Kaufen und Lesen. Die Welt wäre besser, wenn es mehr Kriminalromane wie diesen gäbe.

Auf Platz 7: Der erste Mensch von Xavier-Marie Bonnot (original 2013: Premier Homme)

Xavier-Marie Bonnot (*1962) wohnt in Marseille, schreibt über Marseille und Umgebung und lebt in zwei Zeiten: heute und in der frühen Geschichte.
In der näheren Umgebung von Marseille haben vor 20.000 oder mehr Jahren Frühmenschen die sogenannte frankokantabrische Höhlenkunst hinterlassen, berühmteste Höhle ist die von Lascaux. Immer wieder umkreist Bonnot in seinen Kriminalromanen mit Commandant Michel de Palma zentrale Fragen der menschlichen Entwicklung, schlägt Verbindungen zur Kultur jener Frühmenschen, von denen wir nur wenige Zeichen kennen. In diesem Fall, der Fälle und Familiengeschichte aus seinem ersten Roman Der große Jäger (2008) fortschreibt (unbedingt lesen!) geht es um die Zusammenhänge zwischen Psychologie und Schamanismus, um die Rückkehr zum wahren Menschen, der freier war als der heutige, aber auch schon ein Mörder.

Thekla Dannenberg ist in ihrer Perlentaucher-Kolumne „Mord und Ratschlag“ begeistert.

Auf Platz 10: Hinter den Gesichtern von Richard Lorenz

Gänzlich neu, auch weil Hinter den Gesichtern sein erster Kriminalroman ist, ist auf unserer Liste der in Nandlstadt im Landkreis Freising wohnende Richard Lorenz, auch er Jahrgang 1972.
Lorenz ist radikal, er schreibt an den Wurzeln der seelischen Verstörungen, dort wo Erinnerungen und Albtäume ineinander übergehen. Kein Wunder, dass Friedrich Ani zu seinen literarischen Freunden gehört: Der ehemalige Krankenpfleger kennt sich aus mit Leben und Sterben und weiß, wie man dem literarisch Widerpart bieten kann. Lorenz ist als Kriminalschriftsteller eine Entdeckung.
Die Geschichte ist ganz einfach, doch wie er sie erzählt, als Kaskade von Überwindungen traumatischer Erfahrungen fast aller Beteiligter, ist grandios. Im Hintergrund ein ganzer Set verstoßener, missachteter, geflohener Jungen. Im Vordergrund die Krankenschwester Lisbeth, deren „zweites Gesicht“ vor 30 Jahren half, einen Serienmörder von Kindern zu entlarven. Jetzt ist sie alleinerziehende Mutter und steht, noch ohne es zu wissen, im Zentrum einer neuen Mordserie in der namenlosen Kleinstadt in der Nähe von München, die wie ein Gewittersturm (Lorenz liebt Dunkelheit, Gewitter, Sturm) auf sie zu rollt. Echt stark.

„Richard Lorenz erzählt eine Geschichte über das Vergangene im Gegenwärtigen, in Hinter den Gesichtern geht es letztlich um Identität und Herkunft. Dabei klingt Magisches und Mythisches an, was letztlich sehr geschickt aufgelöst wird; und Richard Lorenz trifft stilistisch einen sehr speziellen, unverwechselbaren Ton. Ein im besten Sinne ungewöhnlich packender Roman, der eine ganze eigene Welt erzählt – beeindruckend!“ (Ulrich Noller, WDR)

Unsere Dauerchampions: Zum vierten Mal steht Sarah Schulman mit Trüb, zum dritten Mal Robert E. Dunn mit Dead Man‘s Badge auf der Krimibestenliste.

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Die Krimibestenliste März wurde am Sonntag, den 1.3.2020, veröffentlicht, und ist online wiederzufinden unter www.faz.net/krimibestenliste
und www.deutschlandfunkkultur.de/krimibestenliste .
Unter diesen Webadressen finden Sie immer die aktuelle Krimibestenliste.

Am Freitag, dem 28. Februar um 8.20 Uhr  gab es wie immer einen Vorgeschmack auf die Krimibestenliste bei Deutschlandfunk Kultur.

Die Krimibestenliste finden Sie als Download unter Krimibestenliste März

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