Die KrimiZeit-Bestenliste März – hier zum Ausdrucken

An der Spitze der KrimiZEIT-Bestenliste März 2016 finden Sie neu auf Platz 1 diesen Newcomer: Bitter Wash Road von Garry Disher (original 2013: Bitter Wash Road)

Garry Disher (*1949), vielseitig als Sachbuch-, Kinder- und Jugendbuchautor, Dramatiker und Kriminalschriftsteller tätig, ist in Deutschland immer noch – auch im Vergleich zu seinen Kollegen und Landsleuten Peter Temple und Michael Robotham – eine eher leise Empfehlung. Das hat vielleicht damit zu tun, dass seine in der Nachfolge Richard Starks aka Donald E. Westlake stehende famose Serie um den vornamenlosen Verbrecher Wyatt in dem ebenso famosen, aber leider reichweitenschwachen Verlag Pulp Master (für Fans ein Muss!) erscheint.

Im Unionsverlag hat Disher bisher sechs Romane mit Inspector Hal Challis veröffentlicht, genaue, feine Gesellschaftsbeschreibungen, in die das Kriminelle organisch eingewoben ist. Die Challis-Romane spielen auf der Halbinsel Mornington südöstlich von Melbourne, wo Disher wohnt. Mit Bitter Wash Road hat er sich einen Traum erfüllt: Sein neuer Held Paul „Hirsch“ Hirschhausen – dem weitere Romane beschieden sein sollen – ist in die von Weizen, Wolle und geschlossenen Kupferminen geprägte Gegend in South Australia nördlich von Adelaide versetzt worden, wo Disher aufgewachsen ist und ein Teil seiner Familie immer noch lebt.Diese Landschaft und die in ihr ums Dasein kämpfenden verstreuten Menschen sind die Hauptdarsteller in Bitter Wash Road. Es ist eine zugleich deprimierende und doch auch ermutigende Geschichte um den Tod eines jungen Mädchens, lokale und überregionale Polizeigewalt und –korruption, die Hirsch widerfährt, erzählt in einem ruhigen, genau die Abtönungen der Schatten beobachtenden Ton, von dem sich viele, viele Autoren eine Scheibe ablauschen sollten, könnten sie es denn. Kriminalliteratur vom feinsten: leise, genau, analytisch, „mit ernüchterter Zuneigung“ (Hannes Hintermeier) zu den menschlichen Wirrungen, die Disher beschreibt.
„Gesellschaftsmaler“ „mit langem Atem“ (Hannes Hintermeier, FAZ)
„Nicht unbedingt sind in einem Disher-Krimi die Dinge anders, als sie scheinen. Auch das ist seine hohe Kunst, dass er der Glaubwürdigkeit den Vorzug gibt vor dem Spektakulären.“ (Sylvia Staude, FR)

Neu auf der KrimiZEIT-Bestenliste März finden Sie außerdem neben Disher weitere fünf Titel: Insgesamt sind es 2 australische, 2 amerikanische, 1 irischer und 1 deutscher.

Neu sind:
Auf Platz 3: Endgültig von Andreas Pflüger
Der zweite Roman des Drehbuchautors Andreas Pflüger (*1957) ist ein Kracher. Operation Rubikon (2004) war ein genauestens recherchierter Spionageroman aus den Abgründen deutscher Geheimdienste, Endgültig ist eine Actionstory aus dem jenseits der Legalität operierenden Teil dieser Apparate (daher selbstverständliche reine Fiktion) mit einer durchaus mehrschichtig konzipierten blinden Heldin. In Endgültig sind Action-Szenen zu entdecken, wie sie bisher in der deutschen Kriminalliteratur kaum zu lesen waren. Fortsetzung winkt – so kann man das Ende lesen.
„Sie heißt Jenny Aaron. Sie ist blind und die deutsche Antwort auf James Bond. Hauptfigur in Andreas Pflügers Thriller Endgültig. Es ist wirklich lange her, dass ich ein Buch mit derart nägelkauender Spannung gelesen habe.“ (Tobias Gohlis, DIE ZEIT)

Auf Platz 4: Porkchoppers von Ross Thomas (original 1974: The Porkchoppers)
Während heutzutage die Texte der Krimiautoren von Verlagen und Lektoraten wie rohe Eier liebevoll behandelt werden (schön wär’s), wurden in den Sechziger und Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Kriminalromane auf ein ökonomisch zuträgliches Maß zusammengeschnitten.
Zum Beispiel die erste deutsche Ausgabe dieses Romans. Sie erschien unter dem Titel Wahlparole: Mord 1972 als Ullstein-Taschenbuch und hatte 142 Seiten. Dieser damals gängigen Unsitte verdanken wir, dass wir einen der besten Verfasser von Politthrillern aller Zeiten auf der KrimiZEIT-Bestenliste vorstellen können: Ross Thomas (1926-1995). Denn erst jetzt, in der neuen Übersetzung von Jochen Stremmel im Rahmen der verdienstvollen Werkausgabe des Alexander-Verlags, kann man Porkchoppers auf 310 Seiten vollständig und in allen raffinierten Feinheiten lesen. Es geht darin um eine Präsidentenwahl in den USA 1972. Es ist zwar „nur“ der Präsident einer Gewerkschaft, aber man sollte nicht davon ausgehen, dass sich seitdem irgendetwas verbessert hat. Porkshoppers sind übrigens „Absahner“.

Auf Platz 6: Der Feldhüter von Cormac McCarthy (original 1965: The Orchard Keeper)
Cormac McCarthys tatsächlich erst jetzt (kunstvoll von Nikolaus Stingl) ins Deutsche übersetzter Debütroman ist der älteste Newcomer auf der KrimiZEIT-Bestenliste März.
Um keine falschen Erwartungen zu wecken: Es handelt sich nicht um einen klassischen Kriminalroman. Sondern um den Versuch eines jungen Autors, in den riesigen Schuhen seines Vorbilds Faulkner erste eigene Schritte zu tun. Der Kern der Handlung ist nicht leicht auszumachen. In der Vorgebirgslandschaft bei Knoxville, Tennessee, wo McCarthy (*1933) aufgewachsen ist und lange gelebt hat, ziehen ein Junge, ein Schnapsschmuggler und ein alter Knorz, der „Feldhüter“ Arthur Ownby, ihren Weg. Ohne es zu wissen, sind sie verbunden durch einen Toten, den Vater des Jungen. Und es fragt sich: welchem Gesetz sind sie unterworfen? Dem der Natur, ihren Trieben, dem des amerikanischen Staats?
Trotz einiger stilistischer Manierismen ist Der Feldhüter eine faszinierende Lektüre.
„Ein sperriges Rätselwerk, das sich weigert, seine Geheimnisse preiszugeben und gerade deshalb seinen ganz eigenen verwunschenen Reiz entwickelt. Es geht, wie in McCarthys gesamtem Werk, um existentielle Dinge. Um das Überleben, um das Sterben. Und um eine gewaltige Natur, gleichsam von erhabener Schönheit und unendliche Schrecken bereithaltend.“ (Marcus Müntefering, Spiegel online)

Auf Platz 8: Der Schlafmacher von Michael Robotham (original 2015: Close your eyes)
Mit dem an Parkinson erkrankten klinischen Psychiater Joe O’Loughlin hat der Australier Michael Robotham (*1960) eine interessante Ermittlervariante entwickelt: Joe ist einerseits Privatmensch, andererseits wird er teils durch Zufall, teils durch seine psychiatrische (In-) Kompetenz in Fälle verwickelt, die ihren Reiz vor allem aus der intelligent dargestellten Psychologie von Opfer und Täter gewinnen.
Aktuell ist Joe, unterstützt von seinem sidekick, dem pensionierten DI Ruiz, in einen Doppelmord verwickelt, bei dem es zu viele Spuren gibt. Überlagert wird O’Loughlins Beraterintensität durch die Sorgen, die er sich um seine an Krebs erkrankte Ex-Frau macht. Es wird familiär sehr eng – ein nicht ungewöhnliches Schicksal von Serienfiguren, die ein gewisses Alter erreicht haben. Der Schlafmacher ist Robothams neunter Roman mit Joe.

Auf Platz 9: Die Welt ist immer noch schön von Eugene McCabe (original 1976: A Tale from Fermanagh)
In der Reihe der Neuentdeckungen bereits älterer hervorragender Bücher, die wir Ihnen auf der Märzliste präsentieren, ist der nicht anders als ironisch zu verstehende Titel Die Welt ist immer noch schön von Eugene McCabe die faszinierendste.Der britisch-irische Konflikt war 1976 bereits so weit fortgeschritten, dass der Dramatiker McCabe, geboren 1930 und fast sein ganzes Leben als Farmer an der Grenze zwischen Nordirland und der Republik lebend, offensichtlich dachte, den darin enthaltenen Wahnsinn in Beckettscher Knappheit fassen zu können. Das Ergebnis ist ein auf verschiedenen Ebenen äußerst fesselnder Roman, den man ganz langsam lesen muss, um alle Facetten von Handlung und Verblendung mitzubekommen und genießen zu können. Wobei „genießen“ vielleicht nicht die richtige Vokabel ist: Zwischendurch und am Ende stößt einem vieles sehr bitter auf.

Unsere Dauerchampions: Zum dritten Mal stehen Malla Nunn mit Tal des Schweigens und Tito Topin mit Exodus aus Libyen auf der KrimiZEIT-Bestenliste.

Die KrimiZEIT-Bestenliste wird am 3.3.2016 in der Wochenzeitung DIE ZEIT, auf ZEITonline unter www.zeit.de/krimizeit-bestenliste und im Nordwestradio veröffentlicht, am Donnerstag, den 4.2.2016 gegen 9.20 live mit Tobias Gohlis und in den Sendungen der „Buchpiloten“, nachzuhören unter www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/bestenliste100.html.

Hier können Sie die KrimiZEIT-Bestenliste aus der Wochenzeitung DIE ZEIT downloaden download(KrimiZEIT_Bestenliste_Maerz_2016.pdf) und als Plakat ausdrucken.

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert