Wolfgang Andreae: vollautomatischen Satz – gibt es den wirklich?

Freitags um fünf: Was bewegt jetzt die Branche? Michael Lemsters Frage der Woche an Wolfgang Andreae, Verleger des Lexxion Verlags, der den Herstellungs-Workflow seiner Zeitschriften vom Kopf auf die Füße stellte.

Dr. Wolfgang Andreae, gründete 2002 den Lexxion Verlag als juristischen Fachverlag mit stark fokussierten Themengebieten.

Wolfgang Andreae, wie so viele Fachverlage hat auch Lexxion in den letzten Jahren intensiv über seine Herstellungsprozesse nachgedacht – was waren bei Ihnen die Motive dafür?

Wolfgang Andreae

Wolfgang Andreae: Erstens bildet bei Lexxion die Druckvorstufe einen nicht geringen Kostenblock. Daher ist es logisch, sich damit unter dem Aspekt der Aufwandsersparnis zu befassen. Zweitens bringt eine gute Automatisierung auch eine erhebliche Zeitersparnis mit sich. Und schließlich haben sich in den verschiedenen Titeln im Lauf der Zeit jeweils individuelle Strukturen eingestellt, dies wollten wir zurückführen auf einheitliche Standards.

Wie entwickeln sich Volumen und Marktposition?

Wolfgang Andreae: Wir veröffentlichen 14 juristische Fachzeitschriften mit 30.000 Druckseiten pro Jahr. Zwei Drittel der Produktion sind englischsprachig und werden primär im Ausland abgesetzt. Wir sind ein Spezialverlag, der jedes Jahr ein ganz schönes Wachstum hat.

Spitze Zielgruppen fest im Griff behalten – ist das Ihre Strategie? Kann man dabei heute noch gut schlafen?

Wolfgang Andreae: Da kann man sehr gut schlafen, besonders weil wir diese spitzen Zielgruppen relativ gut erreichen können.

Welche Rolle spielen bei Ihrem Verlagskonzept die Satz- und Layoutkosten?

Wolfgang Andreae: Genaue Prozentzahlen ersparen Sie mir bitte. Wir haben aber festgestellt, dass die Vorstufenkosten stark wuchsen – eigentlich verlangen die Märkte das Gegenteil.

Hat der Kostendruck Sie getrieben, oder haben Sie Ihre bisherige Arbeitsteilung systematisch auf den Prüfstand gestellt und in der Folge die Vorstufen-Leistungen ausgeschrieben?

Wolfgang Andreae: Nicht aktueller Kostendruck war der auslösende Punkt, sondern die Überzeugung, dass man bei der weiteren Zunahme der Kostenlosmentalität seine Medien wesentlich günstiger produzieren muss. Auch für den Fall, dass die Open Access-Bewegung irgendwann einmal in die juristische Fachinformation eindringt, müssen wir gerüstet sein.

Am Ende fiel Ihre Wahl auf einen neuen Anbieter, die Berliner me-ti. Warum hat me-ti besonders gut gepasst?

Wolfgang Andreae: me-ti ist sicherlich ein neuer Anbieter in diesem Markt, der aber durchaus schon eine hohe Kompetenz einbringen kann. Mit seinem System metiTEC geht er anders vor als andere Softwarefirmen, soweit ich das beurteilen kann. Der wichtige Punkt für uns ist, dass me-ti unseren sehr wortbasierten Satz wesentlich besser, fast maßgeschneidert umsetzen kann. Wir erhoffen uns davon auch eine beachtliche Geschwindigkeitssteigerung. Wir sind noch mitten in der Inbetriebnahme, aber wir sehen Bewegung in die richtige Richtung.

Wie läuft die Zusammenarbeit in der Praxis ab?

Wolfgang Andreae: Zunächst hat me-ti die Zeitschriften für uns produziert, denn sie musste mit unseren komplexen Layout-Regeln erst einmal vertraut werden, um sie automatisieren zu können. me-ti nimmt jetzt eine Zeitschrift nach der anderen in die Herstellung und übergibt sie uns anschließend, damit wir sie mit Hilfe des metiTEC-Interfaces selbst weiterproduzieren. Drei Zeitschriften können wir bereits selbstständig produzieren. Sukzessive haben wir die Objekte in die Lektorate übernommen und erzielen eine ganz beachtliche Geschwindigkeit. Wir brauchen bei Objekten ohne Tabellen und Grafiken zehn Minuten für den kompletten Satz eines Heftes von 70 bis 80 Seiten. Das ist enorm.

Optimierungsbedürftig sind allerdings noch komplexe Autorenkorrekturen. Aber auch hier sehen wir eine Lösung. Neulich hatten wir den Fall eines Autors, der in seinem 20-seitigen schon gesetzten Beitrag mehrere lange Passagen komplett überarbeitet hat – samt Fußnoten. Diese Änderungen und Korrekturen ließen sich nicht automatisch übertragen, sondern mussten manuell eingetragen werden. Hier bedarf es noch einer Nachbesserung.

Was sind auf Ihrer Produktionsstrecke die Knackpunkte?

Wolfgang Andreae: Das sind die Fußnoten. Wir gelten als „der Verlag mit den schönen Zeitschriften“, und es ist für uns sehr wichtig, dass diese Qualität erhalten bleibt. Besonders die Fußnoten im 2-spaltigen Satz haben es in sich: Wir wollen, dass sie immer in der inneren Spalte stehen. Traditionelle Satzprogramme wie InDesign haben da auch ihre Probleme mit. Wenn die Fußnoten sehr lang sind, müssen sie wiederum 2-spaltig oder auch auf eine neue Seite umlaufen, damit der Satz besser aussieht.

Was sind ganz konkret die Antworten von me-ti auf diese Fragen?

Wolfgang Andreae: me-ti hat das nach einiger Tüftelei gut hinbekommen. me-ti hinterlegt die Layout-Entscheidungen, die ein Mediengestalter fallbezogen mal so, mal so trifft, im System, damit sie automatisch und einheitlich ausgeführt werden – ob es nun um Ästhetik geht oder um Lesbarkeit. Das ist das technische Prinzip der Software.

Wenn Sie die Tendenzen, die Sie in den vergangenen Jahren beobachtet haben, einige Jahre in die Zukunft projizieren – was wird sich in der Vorstufenproduktion allgemein tun müssen?

Wolfgang Andreae: Sie muss günstiger werden, und sie muss schneller werden. Dabei sollte das Lektorat nicht mehr als bisher mit der Aufbereitung der Autorendateien beschäftigt sein. metiTEC ist der Baustein, den wir brauchen, um dies zu gewährleisten. Denn wir verstehen nach wie vor Verlage als qualitätssichernde Instanz. Wir wollen weiterhin Lektoren beschäftigen, anders als viele andere Verlage, die einfach das drucken lassen, was die Autoren bei ihnen einreichen.

Welche Rolle spielt für Sie eine medienneutrale Datenhaltung und wie gut werden Sie dabei durch me-ti unterstützt?

Wolfgang Andreae: Es ist Teil des me-ti-Konzepts, dass wir die Daten in XML bekommen, um sie online bereitzustellen und zu syndizieren.

Crossmedial, nachbearbeitungsfrei, medienspezifisch auf Knopfdruck, ist das wirklich möglich?

Wolfgang Andreae: Ob es mit metiTEC möglich ist, kann ich heute noch nicht hundertprozentig seriös beantworten, aber so wie ich den Ablauf der Inbetriebnahme sehe, bin ich sicher, das wir das in den nächsten Monaten hinbekommen.

Kann die Qualität von Typografie und Layout des automatisierten Satzes mit der eines Setzers verglichen werden?

Wolfgang Andreae: Wir konnten unsere langjährige Schriftsetzerin in den Umstellungsprozess einbinden, und sie ist einerseits schlichtweg platt, was metiTEC alles kann, andererseits betroffen, dass ihr erlernter Beruf bei Lexxion durch Maschinenkraft substituiert wird.

Wie aufwendig war die Integration von metiTEC in Ihre IT-Infrastruktur?

Wolfgang Andreae: Die me-ti-Techniker haben uns einen Rechner mit der metiTEC-Software geliefert und ins Daten- und Stromnetz eingestöpselt – das war’s. Wir bekommen die Dateien von den Autoren größtenteils wie gehabt als WORD-Dokumente und legen sie ins Dateisystem ab. Den weitaus kleineren Teil stellen die Autoren in unser Redaktionssystem COSIS ein. Daher wird eine Vollautomatisierung im Sinne einer Einspielung in metiTEC per Schnittstelle auf Sicht nicht allzu viel bringen. Allerding sollen später die XML-Daten automatisiert aus metiTEC ausgeliefert werden.

Wie beurteilen Sie die Einsatzmöglichkeiten solcher Systeme für die Medienbranche unter dem Aspekt von XML-First und Workflow-Optimierung?

Wolfgang Andreae: Wir haben schon im Jahr 2000 angefangen mit Datenbanken und XML. Da war eine einheitliche Datenhaltung ein entscheidender Faktor für schlanke Workflows und hohe Qualität. Mittelfristig kommt kein Verlag darum herum, so zu arbeiten. Bei me-ti fühlen wir uns in dieser Hinsicht gut aufgehoben.

Mit seiner Firma alVoloConsult berät Michael Lemster Verlage, E-Commerce-Unternehmen, Buchhändler und Dienstleister bei Geschäftsentwicklung, Programm, Business- und Datenprozessen. Stammdaten und deren Qualitätssicherung sind sein Spezialgebiet. Daneben publiziert er in Fach- und Publikumsmedien.

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