Gerhard Beckmanns Meinung – Tobias Gohlis erklärt, warum Deutsche auf skandinavische Krimis stehen: Ein mustergültiger Verlagswerbeprospekt, der die Trommel nicht nur für die eigenen Autoren und Bücher rührt

Der Zsolnay Verlag hat für dieses Frühjahr eine Form der Händlerwerbung gefunden, die besondere Aufmerksamkeit verdient, weil sie – über die nötige Reklame für zwei seiner Novitäten hinaus – Sortimenterinnen und Sortimentern Orientierungshilfe für einen ganzen Literatursektor bietet, die ihnen zu einem genaueren Verständnis breiter Kundeninteressen und –wünsche ermöglicht.

Auf Lese-Exemplare hat Zsolnay für diese Saison verzichtet. Statt dessen hat der hiesige Henning-Mankell-Erfolgsverlag ein schmuckes kleines Heft mit Leseproben aus zwei neuen Kriminalromanen anderer skandinavischer Autoren verschickt. Die Idee eines Bandes mit Leseproben ist an sich nicht neu. Neu – und werblich wegweisend – ist hier jedoch ein andersartiges Gesamtkonzept.

Um mit dem (üblichen) Aspekt des Verlagsnutzens zu beginnen: Die Leseproben stammen aus Der sechste Passagier von Theodor Kallifatides und aus Leif Davidsons Roman Die guten Schwestern. Kallifatides – ein aus Griechenland gebürtiger Schwede, Nachfolger Lars Gustafsons als Herausgeber der ältesten und angesehensten Literaturzeitschrift seiner Wahlheimat – erscheint mit seinem zweiten ins Deutsche übersetzten Kristina Vendel-Kriminalroman erstmals bei Zsolnay. Mit dem neuen Buch des Polit-Thriller-Autors Leif Davidson hofft der Verlag jetzt die bisherige Schallgrenze von 20.000 verkauften Exemplaren zu überspringen.

Der Witz und über den unmittelbaren Verlagszweck hinaus gehende aber besteht in folgendem: Den Leseproben vorangestellt ist ein Essay von Tobias Gohlis, dem heute wohl besten deutschen Kritiker von Kriminalromanen.( Er schreibt regelmäßig in Die Zeit). Darin gibt Gohlis vor allem eine Antwort auf die Frage: Warum sprechen die Kriminalromane skandivanischer Autorinnen und Autoren seit einigen Jahren das deutsche Lesepublikum so ausgesprochen stark an – viel stärker als die Leser aller anderen Länder (außerhalb Skandivaniens)?

Hervorhebenswert scheint mir, dass er eben nicht nur Eigenwerbung betreibt; dass es sich um Werbung mit einem Mehrwert handelt – der dem Buchhandel zu einem weiteren Verständnis und bei der Beratung alter und neuer Kunden dienen kann. Dass der Verlag dabei hofft, dass die Bücher seiner Autoren vom Publikum besonders gefragt werden, ist begreiflich und ihm nur zu wünschen.

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de. Natürlich können Sie diese Kolumne auch im BuchMarkt-Forum diskutieren. Einfach oben auf der Seite den Button „Forum“ anklicken, einloggen und los geht‘s.

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