Clemens Birk, Lutz Saling: hat der Indie-Buchhandel noch eine Chance auf langfristiges Überleben?

Freitags um fünf: Was bewegt jetzt die Branche? Michael Lemsters Frage der Woche an Clemens Birk und Lutz Saling, Geschäftsführer und Leiter E-Commerce des Großhändlers Umbreit.

Clemens Birk, geb.1960, ist seit 2001 Geschäftsführer bei Umbreit.
Lutz Saling, geb. 1966, ist seit 2009 Assistent der Geschäftsführung und seit 2013 Leiter E-Commerce bei Umbreit. Am Rand des Zukunftstages Buchhandel, den Umbreit zusammen mit der LG Buch und der mdg Unternehmensberatung am Umbreit-Firmensitz ausrichtete, gaben sie Auskunft über den Markt und Umbreits Position.

Clemens Birk, wie viele unabhängige kleine Buchhandlungen gibt es noch in Deutschland?

Clemens Birk

Clemens Birk: Die Anzahl hängt natürlich auch von der Definition ab. Wenn wir von den Mitgliederzahlen des Börsenvereins ausgehen, kommen wir auf eine Schätzung von etwa 2.500.

Wie viele davon wird es in fünf Jahren noch geben?

Clemens Birk: Ich befürchte, dass von den genannten 2.500 Buchhandlungen in den kommenden fünf Jahren durchaus einige aufgeben werden – nicht nur aus betriebswirtschaftlichen Gründen, sondern vor allem auch, weil die Suche nach Nachfolgern zunehmend schwieriger wird.

Lutz Saling

Lutz Saling: Ich tue mich mit Prognosen schwer. Vor zehn Jahren haben sich Vertreter bestimmter Buchhandlungen hingestellt und gesagt: eine Buchhandlung unter 1.000 qm hat gar keine Chance. Heute stellen sich dieselben Buchhandlungen hin und sagen: über 1.000 geht gar nichts. Ich stimme zu, dass es in jedem Fall eine Konsolidierung geben wird.

Es gab in 2014 einige Signale aus der Marktforschung, dass der Umsatz im Flächenbuchhandel sich stabilisiert. Trauen Sie diesen Signalen?

Clemens Birk: Sie stärken zumindest meinen Optimismus, dass sich meine Prognose bewahrheitet, der zufolge es auch in zehn Jahren noch profitable inhabergeführte Buchhandlungen geben wird.

Verlage und Großhandel erwecken gelegentlich den Eindruck, als sei es für sie nicht ganz so wichtig, mit welchen Kundengruppen sie ihren Umsatz machen. Bei Umbreit wirkt das anders. Warum?

Clemens Birk: Wir haben uns von großen Marktteilnehmern noch nie unter Druck setzen lassen, sondern nur Geschäfte gemacht, die auch profitabel sind. Daher gibt es durchaus große Filialisten, die nicht zu unseren Kunden zählen. Der inhabergeführte Buchhandel liegt uns am Herzen, wir haben ihn in der Vergangenheit unterstützt und das werden wir auch weiter tun.

Lutz Saling: Das reduziert nicht zuletzt unsere Abhängigkeit von einzelnen Unternehmen, wenn diese etwa in wirtschaftliche Schieflage geraten.

Clemens Birk: Die Probleme, die zum Beispiel die Weltbild-Insolvenz nach sich zieht, betreffen uns wirtschaftlich nicht, da wir weder mit Weltbild noch mit Hugendubel Geschäftsbeziehungen pflegen.

Ist Umbreit mit seinem geringeren Volumen – verglichen mit den anderen Großhändlern – genau so qualifiziert, attraktive Bezugskonditionen zu geben wie die anderen?

Clemens Birk: Ja, das sind wir eindeutig. Wir sind zwar kleiner, haben aber in den vergangenen drei Jahren unseren Marktanteil ausgebaut und sind hinsichtlich der Konditionen genau so wettbewerbsfähig wie andere Barsortimente.

Wie sieht Ihr Bonusmodell aus?

Clemens Birk: Wir haben ein transparentes nach Umsatzgröße gestaffeltes Bonusmodell wie die anderen auch.

Umbreit versucht in den letzten Jahren beim Handel mit Nebenleistungen zu punkten, die man unter dem Begriff Empowerment Services zusammenfassen könnte: die eBookCard mit EPIDU und media control zusammen, die E-Books zu Verschenk-Artikeln machen soll, oder die mobilen Buchhandels-Apps „Kauf Dein Buch“ und LChoice. Was ist der strategische Kerngedanke dahinter, der rote Faden?

Lutz Saling: Sie dienen dazu, dass es unseren Kunden gut geht. Und die Wahrscheinlichkeit ist nicht ganz gering, dass es dann, wenn es unseren Kunden gut geht, auch uns gut geht.

Diese Initiativen kosten eine Menge Marketing-Geld – haben sie auch einen messbaren Effekt?

Lutz Saling: Sie müssen trennen zwischen E-Book-Angeboten wie der eBookCard und Apps wie „Kauf Dein Buch“ und LChoice. In jedem dieser Fälle sind unterschiedliche Indikatoren messbar. Bei der eBookCard messen wir Teilnehmer, Transaktionszahlen und Umsätze, bei den Apps sind wir nicht am Geschäftsprozess beteiligt und sehen daher nicht mehr, als der einzelne Anwender sieht: nämlich die Zahl der Handelspartner.

Das klingt mit Verlaub so, als ob Sie sich vor der Aussage drücken, dass die eBookCard
nicht besonders läuft. Was messen Sie denn konkret?

Lutz Saling: Lassen Sie uns unseren Blick nicht auf reine Leistungszahlen verengen bitte! Es geht um mehr. Es geht auch um folgendes: Buchhandlungen, die sich gegenüber ihren Kunden so profilieren, dass der Verkauf von digitalen Produkten für sie selbstverständlich ist, wird es in Zukunft besser gehen als einer Buchhandlung, in der der Kunde hört: tut mir leid, sowas kann ich nicht. Aber wir müssen auch unsere eBookCards-Zahlen nicht verstecken: wir erleben ein starkes Wachstum, mit dem wir sehr zufrieden sind. Wir haben natürlich nicht erwartet, dass die Zahlen nach so kurzer Zeit ins Gigantische wachsen. Auch ist die eBookCard nur eine Komponente unseres E-Book-Konzepts. Sie spielt ihre Stärke als Geschenkartikel besonders saisonal aus. Der Kauf von E-Books für den eigenen Bedarf steigt hingegen kontinuierlich in überraschendem Maße.

Warum arbeiten Sie mit der LG Buch zusammen?

Clemens Birk: In Zeiten des Wandels erreicht man seine Ziele schneller mit starken Partnern. Daher kooperieren wir schon seit 1995 mit der LG Buch. Um gemeinsam erfolgreich zu sein, bedarf es Vertrauen und Verbindlichkeit. Beides zeichnet unsere enge und vertrauensvolle Kooperation aus. Aus den speziell für die LG Buch entwickelten Vorzugskonditionen ergeben sich transparente und sofort wirksame Vorteile ohne Verlust der Individualität.

Welche spezifischen Vorteile hat ein Buchhändler von dieser Zusammenarbeit mit Umbreit plus LG Buch?

Clemens Birk: Die Vorzugskonditionen umfassen günstigere Zustellgebühren, ein erhöhtes Remissionsrecht für LG-Buch-Mitglieder, die Umbreit als Hauptlieferant einsetzen, Rückvergütung auf die Umsätze – bis auf die Schulbuchumsätze – und Skontoverrechnung, die sofort als Rabatterhöhungen ausgewiesen und verrechnet werden.Dazu kommen Jahresbonus, geringere Kommissionsgebühren im Sammelverkehr und geringere Paketgebühren und nicht zuletzt geringere Lizenzgebühren für die BoNus Warenwirtschaft.

Wie verändert sich dadurch die Gesamtmarge – und zwar nicht in der Vor-, sondern in der Nachkalkulation?

Clemens Birk: Diese Frage können Ihnen die LG-Buchhändler beantworten. Wir können Ihnen nur soviel sagen: Umbreit erreicht mit der Verrechnung als Rabatterhöhung (für die Rückvergütung der LG Buch, Skonto und Bezugsmodelle wie UmbreitFaktor3 und UmbreitWachstum) eine große Transparenz. Der steigende Durchschnittsrabatt und damit die verbesserte Handelsspanne sind sofort erkennbar..

Ein Berater hat kürzlich geschrieben, Buchhandlungen unter 300.000 Euro Jahresumsatz sollten am besten aus dem Markt gehen, damit sie überlebensfähigen Wettbewerbern nicht im Weg stehen. Wie stehen Sie zu dieser Behauptung?

Clemens Birk: Es ist nicht zu leugnen, dass unter reinen Kostengesichtspunkten unterhalb von 300.000 Euro eine schwierig zu bewirtschaftende Zone beginnt. Das schließt aber keineswegs aus, dass kundennahe und innovative Konzepte sich auch in dieser Zone behaupten.

Mit seiner Firma alVoloConsult berät Michael Lemster Verlage, E-Commerce-Unternehmen, Buchhändler und Dienstleister bei Geschäftsentwicklung, Programm, Business- und Datenprozessen. Stammdaten und deren Qualitätssicherung sind sein Spezialgebiet. Daneben publiziert er in Fach- und Publikumsmedien.

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