Börsenverein und Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger gründen Initiative gegen geplante Urheberrechtsänderung

Deutsche Fachverlage fürchten um ihre Existenz. Sie protestieren gegen eine Regelung im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, die weitreichende Folgen für den Bildungsstandort Deutschland hätte. Laut Paragraph 52a des Entwurfs wäre es Schulen, Hochschulen und nicht-kommerziellen Forschungseinrichtungen erlaubt, urheberrechtlich geschützte Werke für eigene Zwecke ohne Genehmigung zu digitalisieren, ins Intranet oder Internet zu stellen und von dort aus beliebig oft zu vervielfältigen. Derzeit wird der Gesetzentwurf im Rechtsausschuss des Bundestages beraten, die Entscheidung steht Mitte März an. „Verlage und Wissenschaftler für ein faires Urheberrecht“, eine Initiative der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger mit Unterstützung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V., fordert die ersatzlose Streichung des Paragraphen.
„Durch einen solchen Paragraphen werden Autoren und Verleger enteignet“, kritisiert Dr. Georg Siebeck, Verleger des Mohr-Siebeck Verlags in Tübingen und Sprecher der Initiative. „Denn letztlich brauchen alle deutschen Bibliotheken dann zusammen nur noch jeweils ein Exemplar eines Lehrbuches oder einer Fachzeitschrift. Das kann für alle Universitäten kopiert und in deren Datennetze gestellt werden.“ Betroffen sind vor allem die Fach- und Schulbuchverlage, die mit erheblichen Umsatzrückgängen zu rechnen hätten.
„Kleine wissenschaftliche Verlage stehen damit vor dem Aus“, betont Siebeck. Die Warengruppe „Fachbuch / Wissenschaft / Schulbuch“ hat einen Anteil von etwa einem Drittel am Gesamtumsatz der Verlagsbranche. Allein die Vertriebserlöse mit Fach- und wissenschaftlichen Zeitschriften beliefen sich im Jahr 2001 auf etwa 850 Millionen Euro. Gut ein Viertel dieser Erlöse beruht auf Verkäufen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen.
Das Ziel des Gesetzesentwurfs ist es nach Einschätzung der Verleger, die Kosten für öffentliche Einrichtungen zu senken. „Doch das gelingt nur kurzfristig“, sagt Siebeck. Langfristig würden die Auflagen sinken und dadurch die Preise wesentlich ansteigen. Wissenschaftliche Literatur werde dann nur noch von den internationalen Wissenschaftsverlagen publiziert, die über ihre Marktmacht entsprechende Preise durchsetzen können. „Viele Werke von deutschen Wissenschaftlern können dann nicht mehr verlegt werden. Damit geht zugleich die deutsche Sprache als Wissenschaftssprache verloren.“ Außerdem würden durch eine solche Richtlinie nach Angaben der Initiative Arbeitsplätze in Fachverlagen vernichtet, auf die Deutschland volkswirtschaftlich und als Bildungsstandort angewiesen sei.
„Die Urheber dieses Gesetzesentwurfs wissen nicht, was sie tun“, kritisiert deshalb auch Martin Hengel, Professor für Neues Testament emeritus in Tübingen. „Dieser kurzschlüssige Plan wird schwerwiegende Folgen für die deutsche Wissenschaft haben: Er bedeutet eine weitgehende Enteignung aller wissenschaftlichen Autoren und bestraft damit die intensiv arbeitenden Verfasser von Standardwerken, Monographien und Lehrbüchern, während er jene, die nur am Rande publizieren, begünstigt. Völlig übersehen wird dabei, dass eine qualitativ hochwertige Arbeit an wissenschaftlichen Publikationen mit erheblichen persönlichen Kosten und Opfern an Zeit verbunden ist.“
Hengel ist jahrelanger Herausgeber der „Wissenschaftlichen Untersuchungen zum Neuen Testament“.

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