360 Millionen Euro jährlich oder: Schuldet die Bundesrepublik den Sendern Schadensersatz wegen Nicht-Umsetzung einer EG-Richtlinie betr. die Geräteabgabe?

Einen Schadensersatzanspruch von Sendern gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen mangelhafter Umsetzung einer EG-Richtlinie im Zusammenhang mit der Vergütung aus der Geräte- und Leerkassettenabgabe hat das Landgericht Berlin im Urteil vom 28.11.2007( – 23 O 37/07 – nicht rechtskräftig) abgelehnt.

Der Fall liegt jetzt beim Kammergericht (KG) Berlin in der 2. Instanz.

87.640.000, 00 Euro verlangt die Verwertungsgesellschaft (VG ) Media von der BRD. Es ist nur eine relativ bescheidene Teilklage. Der Gesamtschaden wird von der VG mit – bisher – 360 Mio. Euro jährlich (!) errechnet. Sollte die Klage Erfolg haben, wären auch künftige Schäden, bis zur Umsetzung der EG-Richtlinie , noch zu ersetzen. Dieser bislang wenig beachtete Konflikt rührt an Grundfesten des Urheber-, EG- und Medienrechts – auch und gerade im Verhältnis der nationalen und der europäischen Gesetzgebung. Wieweit ist der Bundestag, wie weit sind deutsche Gerichte gebunden? Eine Frage, die die Medien, die Illustrierten, die Presse, die Verlage zum Recht am eigenen Bild immer noch bewegt, dessen Reichweite in Europa und in Deutschland unterschiedlich gesehen wird.

Die VG Media, die die Ansprüche für private Unternehmen geltend macht, wurde 2003 gegründet. Ihr gehören etwa 80 Unternehmen an. Es nimmt z.B. auch Rechte aus der Weiterleitung von Programmen durch Verteileranlagen etwa in Hotels etc. wahr. . In dem brisanten und grundsätzlichen Rechtsstreit geht es um Ansprüche auf angemessene Vergütung aus der Geräte- und Leerkassettenabgabe (§ 54 I UrhG). Diese werden Urhebern, ausübenden Künstlern, Film- und Tonträgerherstellern gewährt.

Die hier nicht vom Gesetzgeber berücksichtigten Sender fühlen sich benachteiligt. Sie berufen sich auf die EG-Richtlinie 2001/29/EG vom 22.Mai 2001.

Der Deutsche Bundestag hat diese im Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft am 10.9.2003 umgesetzt – nach Ansicht der VG und der Sender aber nicht richtig: Sie machen geltend: die privaten Sender erlitten aufgrund privater Kopien ihrer Fernsehsendungen Verluste bis zu 360 Mio pro Jahr. Wie deren Anspruchsberechtigten stehe auch ihnen ein angemessener Ausgleich zu. Das Landgericht Berlin hat einen solchen Anspruch aus der EG-Richtlinie nicht hergeleitet. Sie begründe, da zu unbestimmt, keinen Ausgleichs- oder Zahlungsanspruch. Ob die Gesetzgebung des Bundes, welche die Sender beim eventuellen Anspruch nicht berücksichtigte, mit der Richtlinie vereinbar ist, hat das Gericht gar nicht erst geprüft.

Das Urteil hätte, wenn es rechtskräftig oder in 2. Instanz geändert würde, erhebliche Konsequenzen vor allem in finanzieller Hinsicht. Dass die Sender im Gesetz nicht bedacht worden sind mit einem angemessenen Ausgleich, ist unbestritten. Ob dies unter EG-Recht und nach UrhG bzw.Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) richtig ist, müsste notfalls der BGH, das BVerfG oder – wenn das Kammergericht Berlin die Sache an den Europäischen Gerichtshof vorlegt – dieser entscheiden.

Die Sache ist jedenfalls sehr umstritten. Sie ist auch enorm wichtig für die Frage des Verhältnisses von europäischer Richtliniengesetzgebung, deren Befolgung oder Nicht-Befolgung und für die Konsequenzen. Ein Spruch würde auch alle anderen Gesetzgebungen in anderen europäischen Ländern tangieren.

Das Urteil des LG hat schon Kritik erfahren (vgl. dazu Götz von Olenhusen: Schadensersatzansprüche wegen Nichtumsetzung einer EG-Richtlinie, in: MR-INT = Medien und Recht International Edition, Europäische Rundschau zum Medienrecht, IP – & IT-Recht,Vol5, 2008, 6-11, MuR Verlag München, Wien).

AGVO

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