Das Sonntagsgespräch Stefan Weidle: Warum stempeln gehen sich zur Buchmesse lohnt

Die Kurt Wolff Stiftung schickt Buchhändler zur Leipziger Buchmesse zum „Stempeln gehen“ – eine Aktion, die sicher viele Sortimenter an die Messestände unabhängiger Verlage locken wird.

Wie es funktioniert, wer mitmachen kann und was es zu gewinnen gibt, erklärt Verleger und Kurt Wolff-Vorstandsvorsitzender Stefan Weidle im Sonntagsgespräch.

„Stempeln gehen lohnt sich“, heißt der freche Slogan zur Buchmesse-Aktion der Kurt-Wolff-Verlage. Was genau verbirgt sich dahinter?

Stefan Weidle

Stefan Weidle: Zunächst die für viele von uns leidvolle Erfahrung, daß laut Mitteilungen der Leipziger Buchmesse Jahr für Jahr bis zu 6000 Buchhändler auf die Messe kommen, ohne daß wir einen wesentlichen Promillesatz davon an unseren Ständen begrüßen durften. Daher haben wir überlegt, wie wir daran etwas ändern könnten. Nachdem jahrelanges ausdauerndes Jammern nicht so recht geholfen hat, sahen wir keinen Sinn darin, die Jammerschraube weiter anzuziehen, sondern eher die Buchhändlerinnen und Buchhändler durch ein einigermaßen originelles Angebot:

Wir haben zunächst einen sehr guten Moselwinzer (Hermann Grumbach www.weingut-grumbach.de) dazu bewegt, eine Sonderedition seines Rieslings mit einem von unseren großartigen Grafikern Fabian Fenk und Jakob Kirch (der darüber Vater wurde) gestalteten Etikett zu versehen. Alsdann wurde ein Flyer entworfen, der den Buchhändlern mitteilt, was sie tun müssen, um an diese innen wie außen mehr denn erfreulichen Flaschen zu kommen. Sie oder er muß stempeln gehen, also sich auf dem Faltblatt Stempel der besuchten KWS-Verlage abholen – die Liste ist darauf zu finden. So kommt man mit den Verlagen ins Gespräch und schaut sich die Programme an. Für zehn Stempel gibt es eine Flasche, für 20 gar deren zwei. Der bestempelte Flyer kann entweder am Stand der Kurt Wolff Stiftung abgegeben oder per Post geschickt werden. Der Versand erfolgt durch Prolit (denen hier schon mal gedankt sei).

Was genau muß ich als Buchhändler tun, damit sich für mich das Stempeln lohnt?

Stefan Weidle: Ich muß die Independent-Verlage besuchen, und das lohnt sich dann gleich doppelt. Erstens lerne ich die reizenden Verlegerinnen und Verleger kennen, dazu deren neue Programme, aus denen ich direkt Titel für meine Buchhandlung bestellen kann, und zweitens komme ich dem Riesling näher, der „zur Förderung eines beschwingten Buchhandels“ abgefüllt wurde.

Wo gibt es die Teilnahmekarten, wer alles kann mitmachen?
Stefan Weidle: Die Flyer liegen im Starterpaket, das von der Messe an die Buchhändlerinnen und Buchhändler verteilt wird, können aber auch am Stand der KWS, Halle 5 F109, abgeholt werden, ebenso an den Ständen der teilnehmenden Verlage. Mitmachen kann jeder Buchhändler über 18 Jahre, natürlich auch Auszubildende. Der Versand erfolgt jedoch ausschließlich an die Buchhandlung (mit Verkehrsnummer).

Vielleicht noch ein Wort zum Wein?

Stefan Weidle: Nun, ich trinke diesen Wein seit etwa 20 Jahren, tausche manchmal auch Flaschen gegen Bücher (Hermann Grumbach ist ein Independent-Winzer, der viel liest, zur Zeit sucht er übrigens die einstmals bei 2001 erschienene Gesamtausgabe der Werke von Max Herrmann-Neiße). Außerdem haben wir noch eine mörderschicke Tragetasche handgenäht und bedruckt, die man sich ebenfalls am Stand der KWS abholen kann.

Sind alle Kurt Wolff-Verlage beteiligt? Und heißt das im Umkehrschluß, daß alle Verlage über die Programme der Partnerverlage Bescheid wissen?

Stefan Weidle: Es sind naturgemäß diesmal nur die 45 Verlage beteiligt, die einen Messestand und Stempel haben. Sicher kennt nicht jeder das neue Programm der Kollegen, aber im Prinzip wissen wir doch alle ziemlich genau, welcher Verlag für welches Programm steht, können den Buchhändlerinnen und Buchhändlern zumindest sagen, welche Schwerpunkte sie bei welchen Verlagen finden. Und da wir alle auf trockenen Brotkanten herumkauen, kann keiner dem anderen die nichtvorhandene Butter von demselben wegnehmen.

Seit Jahren gibt es den gemeinsamen Katalog „Es geht um das Buch“. Wie wird der in die Aktion eingebunden?

Stefan Weidle: Optisch ist er ohnehin eingebunden, da von denselben Grafikern gestaltet. Und er kann auf der Messe mitgenommen werden, möglicherweise direkt in jener handgenähten Tasche, die gar mit dem Logo des Katalogs versehen ist.

Immer wieder ist zu lesen und zu hören, daß Kunden mehr und mehr das besondere Buch im Handel suchen. Auf diese „besonderen Bücher“ sind die Kurt-Wolff-Verlage nachgerade spezialisiert. Immer wieder aber ist auch zu hören, daß kleine, unabhängige Verlage wenig Chancen haben, ihre Programme im Sortiment zu plazieren. Hat sich das – vielleicht auch durch den Katalog – in der Zwischenzeit etwas geändert?

Stefan Weidle: Ja, ein bißchen hat es sich geändert. In den Ketten allerdings sind wir nach wie vor nicht präsent, brauchen also unseren natürlichen Verbündeten, den unabhängigen Buchhandel. Dafür tun wir auch einiges, nicht zuletzt mit dem von uns initiierten Programm zur Förderung des unabhängigen Buchhandels, das nun sehr gute Chancen zur Verwirklichung hat. Es ist ja in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden, und wir stehen in intensiven Gesprächen mit dem Bundes-Kulturministerium, bei denen es bereits um die Ausgestaltung der Förderung geht. Vielleicht können wir schon 2014 damit beginnen.

Wir arbeiten auch an einer gemeinsamen Internet-Plattform von unabhängigen Verlagen und unabhängigen Buchhandlungen. Einen Einblick gibt es bereits auf www.indiebook.de. Da sind auch die österreichischen und Schweizer Kollegen dabei. Wir brauchen mehr Zusammenhalt, und wir müssen dem Buchhändler deutlich machen, daß wir keine hübschblühenden und raschwelkenden Pflänzlein im Graben neben der Straße zum Reichtum sind, sondern daß man diese Straße auch mit unseren Büchern pflastern könnte. Na ja, so ähnlich jedenfalls. Wir sind, bei allem Idealismus, schließlich auch Wirtschaftsbetriebe und werden schon deshalb keine unverkäuflichen Produkte auf den Markt werfen. Viele Leser haben das inzwischen begriffen und suchen gezielt die Buchhandlungen auf, in denen unsere Bücher ausliegen.

Die Leipziger Buchmesse mit dem größten Lesefestival der Welt ist vor allem für kleinere Verlage attraktiv. In welchem Umfang beteiligen sich die Kurt Wolff-Verlage an „Leipzig liest“?

Stefan Weidle: Die Kolleginnen und Kollegen beteiligen sich engagiert an „Leipzig liest“ (und hoffentlich nicht an „Leipzig niest“). Leider bleibt nach meiner Erfahrung der Buchverkauf von diesen Veranstaltungen eher unberührt. Wir als KWS sind wie jedes Jahr am Messefreitag zu Gast in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung, wo ich mich ab 20 Uhr mit den diesjährigen Preisträgern Jörg Sundermeier (Verbrecher) und Daniel Beskos (mairisch) unterhalte. Lesen werden dazu Dietmar Dath und Finn Ole Heinrich.

Im vergangenen Jahr hat der mairisch Verlag den Indiebookday erfunden – mit großer Resonanz. Er wird in diesem Jahr wiederholt – gibt es da einen Zusammenhang mit der „Stempel“-Aktion?

Stefan Weidle: Alles hängt mit allem zusammen, aber man steigt nicht zweimal in denselben Wein: Der Indiebookday hat seine eigene Rolle, sein eigenes Konzept. Er ist eine Graswurzelbewegung und soll bitteschön genau das bleiben. Wir hatten dem mairisch Verlag angeboten, uns finanziell zu beteiligen, wenn Not am Manne wäre, und er hat dankend abgelehnt, weil der Indiebookday ohne Sponsoren auskommen will. Eine sehr kluge Entscheidung, die uns in die Lage versetzt hat, unsere Stempel-Aktion ins Leben zu rufen. Und vielleicht sogar eine Kiste Riesling an die mairisch-Kollegen zu schicken.

Die Fragen stellte Ulrich Faure.

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