Das Sonntagsgespräch Sebastian Pobot über Hörbücher via Streaming

Im klassischen Hörbuchmarkt eher noch ein Unbekannter, hat sich der Verlag und Vertrieb Highscore Music (www.pobot.de) vor allem im Hörspielbereich zum Spezialisten für „schwierige“ Lizenzgeschäfte gemausert – der Katalog enthält nicht nur CDs mit bekannten Marken, sondern vor allem digitale Produkte, u.a. von zahlreichen kleineren Labels. Geschäftsführer Sebastian Pobot erklärt im Interview, warum er unlängst vom Chef von iTunes Deutschland zu einem Gespräch eingeladen wurde.

BuchMarkt: In der Hörbuchbranche hat sich das Thema Download-Vertrieb lange, aber stetig entwickelt – und für viele Verlage ist dieser Bereich längst eine wichtige Säule beim Umsatz. Einen weiteren Schub versprechen sich manche über Streaming, während andere sehr skeptisch sind. Was raten Sie?

Sebastian Pobot

Sebastian Pobot: Klare Antwort: Es ist heute so wichtig wie nie, in allen digitalen Segmenten vertreten zu sein. Wir sind seit Jahren dabei und haben unseren Katalog stetig ausgebaut – mit einem weiter steigenden Erfolg gerade im Downloadbereich, der selbst Big Player wie iTunes aufhorchen lässt und dort die Neugier weckt, wie dieser Erfolg bei einem vergleichsweise kleinen Anbieter entstehen kann.
Vor allem Streaming bietet ganz neue Zielgruppenkontakte und etliche Ansatzmöglichkeiten des Marketings. Wir sind beispielsweise für unsere wiederveröffentlichten Original-Master (z.B. „Professor van Dusen“) oder aber neue Produktionen namhafter Marken (z.B. „Captain Future“, „Offenbarung 23“, „Batman“) bekannt. Diese Grundpopularität der Themen macht sich bei der Anzahl der Streams deutlich bemerkbar.

Mit welchen Kosten muss der Hörer rechnen?

Der Preis ist für die Hörer dabei sehr attraktiv. Zwar fallen damit die Lizenzbeteiligungen beim Streaming viel niedriger aus als bei Downloads oder CDs. Trotzdem ergibt es aufgrund der Masse an Streams ein interessantes Ganzes. Denn die meisten Hörer konsumieren Streaming entweder per Flatrate (ca. 10 Euro im Monat) oder sogar kostenlos, dafür werbefinanziert. In beiden Varianten erhält der Lizenzgeber seine Anteile. Vorteil dabei ist, dass die Hemmschwelle beim Hörer, etwas Neues auszuprobieren, eben einfach mal etwas zu wagen, viel niedriger ist als bei Downloads oder gar bei CDs. Schließlich bleibt der Preis immer derselbe – unabhängig von der Zahl der gehörten Tracks. Dadurch ist dies ein perfektes Vehikel für Verlage, die einen großen Katalog besitzen oder in einer Nische gut positioniert sind.
Zudem ist spürbar, wie die Umsätze Monat für Monat beim Streaming wachsen: Innerhalb eines Jahres haben sie sich bei uns im Schnitt verdoppelt. Streams sind also ein rasant wachsender Markt, während Downloads bereits stagnieren. Und die Verkaufszahlen der CDs fallen leider sowieso nach wie vor.

Ist Streaming für alle Hörbuchgattungen sinnvoll, oder sehen Sie Vorteile für bestimmte Umsetzungsformen?

Nein, das gilt für alle Gattungen, sowohl für Lesungen, als auch für Hörspiele. Während man im Musikbereich häufig nur einen Song konsumiert, meist die aktuelle Single des Interpreten, so ist es bei Hörbüchern und speziell auch Hörspielen wahrscheinlich, dass der Hörer, sofern er erst mal mit einem spannenden ersten Track begonnen, das ganze Werk bis zum Ende hören möchte. Und schon hat man als Verlag die Lizenzen für ein ganzes Album eingenommen und nicht nur für einen einzelnen Track.

Kritiker könnten nun sagen, dass es ein Nachteil ist, Streams nur online konsumieren zu können …

Das stimmt so aber nicht mehr. Mit der geeigneten Flatrate ist es möglich, die Titel auch auf viele mobile Geräte zu laden, um diese dann offline hören zu können.

Viele Hörbuchverlage sind aber noch sehr zögerlich, da sie davon ausgehen, nur Provisionen im Promillebereich zu erhalten. So werden sogar schon Vergleiche zur Piraterie gezogen, die nicht viel schlimmer sei …

Fakt ist zwar, dass es tatsächlich oft weniger als einen Cent pro Titel gibt. Trotzdem kann ich nur wiederholen, dass die Abrufzahlen dafür schnell in sechs- oder siebenstelligen Bereichen liegen – das wird dadurch mehr als kompensiert. Außerdem sind die Hörer viel experimentierfreudiger als beim Downloaden oder CD-Kauf. Viele kaufen sich die CD dann sogar trotzdem, falls das Hörerlebnis gut ausfiel. Man könnte sogar sagen, dass das Streaming die Zahl der illegalen Downloads, mit denen wir alle lange zu kämpfen hatten, verringert. Warum sich noch in die Illegalität begeben, wenn man auch offiziell und legal fast alle Titel günstig oder teils sogar kostenlos hören kann?

Neu und genial sind auch die Recommender-Systeme, also Empfehlungsdienste. Ich entstamme ursprünglich der Musikbranche, habe viele Künstler produziert und deren Titel komponiert. Somit habe ich das „Hit driven business“ der 1990er-Jahre noch gut miterlebt. Damals war allen die Wichtigkeit der Charts bekannt, parallel fanden nur sehr wenig Verkäufe statt. Grund war, dass die Märkte nur eine begrenzte Ladenfläche für die Top 40, maximal die Top 100 aller CDs zur Verfügung hatten. Diese Limitierung hat ein iTunes Store in der digitalen Welt natürlich nicht mehr. Es können also auch noch so kleine Nischen befriedigt werden.

Neu ist auch, dass ein intelligentes System das Konsumverhalten eines Hörers so analysiert, dass man idealerweise Produkte empfohlen bekommt, die einem gefallen könnten. Dieses bietet großen wie kleinen Verlagen ganz neue Chancen, ihre Produkte an interessierte Hörer zu bringen, es erschließt also neue Zielgruppen. Ich will damit nicht sagen, dass es das klassische Marketing überflüssig macht, jedoch bietet diese Technik „on top“ zusätzliche Verkäufe.

Was denken Sie, wie sich der digitale Vertrieb in Zukunft entwickeln wird? Wird der kostenpflichtige Download abgelöst werden – zugunsten einer Art „Kultur-Flatrate“ via Streaming?

Das ist schwer zu sagen. Wenn wir aber zum Beispiel nach Skandinavien schauen, in Länder also, in denen die Menschen noch viel stärker mobil vernetzt sind als wir, haben die Streams die Downloads bereits abgelöst. Schon jetzt erfolgen auch bei uns mehr als die Hälfte der digitalen Abrufe über mobile Geräte. Ich denke, dass dieser Trend unumkehrbar ist, denn nicht nur durch immer neue „coole“ Geräte wie Smartphones und Tablets, sondern auch durch den immer weiter fortschreitenden Netzausbau wird Streaming immer interessanter. Insofern kann ich nur an alle Verlage, die bisher noch nicht in sämtlichen Stores vertreten sind, appellieren, ihre Strategie zu überdenken und sich den neuen Möglichkeiten, die der Markt bietet, zu öffnen.
René Wagner

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