Das Sonntagsgespräch Peter Fritz über Zukunftschancen des Buchhandels: „Voraussetzung ist, dass der Vertrieb der Verlage sich auf die einzelnen Buchhandlungen zurückbesinnt“

Die Literaturagentur Paul und Peter Fritz ist eine der bedeutendsten und größten Rechtevermittler des deutschen Sprachraums. Sie wurde 1962 von Paul Fritz gegründet, dessen Sohn Peter Fritz sein engagiertes Verständnis für das Sortiment weiterführt und ebenfalls ursprünglich den Beruf des Buchhändlers erlernte und ausübte.

Er ist immer wieder auch als diskreter Zuhörer und inoffizieller Berater der deutschen Verlagsbranche geschätzt: Ein spezieller Grund, ihn anlässlich der offiziellen Einweihung seiner neuen Büroräume in Zürich zu seiner Perspektive für die Zukunft unserer Branche zu befragen.

BuchMarkt: Sie machen sich Sorgen um die Zukunft der Branche?

Peter Fritz: „Unsere Branche benötigt dringend ein besseres Selbstverständnis“

Peter Fritz: Eigentlich mache ich mir wenig Sorgen um die Branche. Denn die Ängste wegen drohender Umsatzrückgänge, nicht auskömmlicher Renditen, Leserschwunds, der Konkurrenz durch andere Medien mit moderneren populären Unterhaltungsmethoden treibt Verleger, Buchhändler und Autoren ja schon immer um, seit es den modernen Buchmarkt gibt. Sie sind sozusagen eine Begleiterscheinung der Branchenentwicklung.

Seit Beginn Ihrer Arbeit in der Buchbranche ist aber doch wohl nicht alles gleich geblieben?

Natürlich nicht, wir leben in einer Zeit großer Veränderungen, welche für alle Teilnehmer am Buchmarkt große Herausforderungen mit sich bringen. Nicht alle Veränderungen sind zum Besseren, wir müssen uns von Liebgewonnenem verabschieden.

Gibt es damit mentale Probleme?

In solchen Zeiten, in denen viele Marktteilnehmer auch existenziell Mühe haben, wird oft nur noch in Einzelinteressen gedacht, und das schwächste Glied gerät dann oft unter die Räder. Oft sind das schwächste Glied Autorinnen und Autoren.

Befürchten Sie nicht, das massenhafte Selfpublishing könnte dazu führen, dass das Lesepublikum sich ohne Literaturagenten und Verleger mit Lektürestoff versorgen könnte?

Im Selfpublishing sind durchaus schon einige wenige interessante Autoren entdeckt worden. Es ist heute für Autoren ebenso schwierig, einen guten, seriösen Agenten zu finden wie einen Verlag. Aber Selfpublishing ist eine Verlegerei, die zu einer Schwemme von unausgegorenen Texten führt. Das Problem, dass Lesestoff für minimalste Preise angeboten wird, verstärkt sich zudem. Wir können sagen, da machen wir nicht mit. Das Problem bleibt aber. Wenn „Lesezeit“ mit zwei Euro zugemüllt wird, dann hat der gesamte Buchhandel ein Problem.

Gibt es denn Anzeichen dafür, dass Autoren dank der Möglichkeiten von Selfpublishing, ohne Verlage arbeiten und leben können?

Wenige Autoren können allein vom Schreiben leben. Es gibt durchaus schon erfolgreiche Autoren, die mehr als gut leben können, die werden dann gleich werbemäßig propagiert und bringen zahlreiche Autoren zum Träumen. Barry Eisler wird von Amazon seit Jahren als Beispiel rumgereicht, er wiederum lobt Amazon über den grünen Klee. Warum aber seit Jahren immer nur Barry Eisler?

Sehen Sie eine Entwicklung kommen, dass die klassischen Sortimenter bzw. die stationären Buchhandlungen auf Grund der neuen digitalen Vertriebsmaschinerien überflüssig werden?

Nein. Printbücher – kuratiert von Verlagen, die Leidenschaft oder auch erworbene Marktmacht haben – werden bestehen. Buchhandlungen, welche ihre Kunden kennen und bedienen, haben ebenso eine Chance zu bestehen.

Automatisch? Ganz von selbst?

Voraussetzung ist, dass der Vertrieb der Verlage sich auf die einzelnen Buchhandlungen zurückbesinnt.

Wird das gute alte Buch als Druckerzeugnis prinzipiell durch das E-Book oder sonstige Online-Formate verdrängt werden?

Nein. Das gedruckte Buch hat viele Vorteile, die das E-Buch nicht hat, und auch das E-Buch hat seine Vorteile. Es bleibt dem Leser, abzuwägen und zu gewichten, welche Form ihm für ein bestimmtes Buch zusagt.

Wenn ich Sie richtig verstehe, empfehlen Sie den Verlagen, Buchhändlern, Autoren und kulturellen Meinungsmachern also, das unablässige Trompeten der großen IT-Konzerne über einen angeblich unaufhaltsamen Siegeszug ihrer neuen Buchmedien weniger ernst zu nehmen und gelassener zu reagieren?

Unsere Branche benötigt dringend ein besseres Selbstverständnis und Selbstvertrauen. Sie muss endlich wieder den Wert ihrer Bücher sehen und ins Licht stellen. Von nicht rentablen Umsatzsteigerungen durch das Bedienen von Billig-billig-billig Ansprüchen ist endlich abzusehen.

Sie haben, wie Ihr Vater Paul, der die Agentur gegründet hat, den Beruf des Buchhändlers gelernt und mit Passion praktiziert, bevor Sie dann Literaturagent geworden sind. Worin besteht die besondere Bedeutung der buchhändlerischen Arbeit?

Buchhändler sind für das Buch und seine hohe gesellschaftliche Bedeutung entscheidend, weil sie Mittler sind. Sie sind Fixpunkte echter, realer sozialer Netzwerke.

Sehen Sie aktuell Anlass zu der Befürchtung, dass es bald zu wenige Bücher geben könnte, die dem klassischen Buchhandel zur Erfüllung seiner alten Funktionen und damit auch zur Sicherung seiner Existenzgrundlage dienen können?

Ich bleibe eigentlich Optimist. Der Buchhandel hat sowohl Taschenbücher wie auch Buchclubs überlebt. Entscheidend ist der Respekt, den die Verlage dem stationären Buchhandel entgegenbringen, bis hin zu Angeboten für Weiterbildung und Entscheidungshilfen für Buchhändler. Mehr Selbstbewusstsein gegenüber den großen Händlern und Härte in den Konditionsverhandlungen mit den Großfirmen. Denn was den Verlagen da abgenötigt wird, fehlt danach dem stationären Handel und den Autoren. Das weiß eigentlich jeder.

Sehen Sie Gefahr, dass Verlage im Schlepptau von Internet-Giganten wie Amazon, zu sehr auf schnellgängigen Massenkonsum setzen?

Diese Tendenz hat es schon immer gegeben. Ein Verlag muss sich überlegen, mit welchen Büchern er den Markt durchdringen kann. Hat er erfolgreiche Titel, kommen seine Bücher auch in die Buchhandlungen. Ich habe auch nichts gegen Schnellgängiges. Auch da gibt es große Qualitätsunterschiede. Aber Quersubventionierung sollte erlaubt bleiben – ich schätze Verlage, die neben Bestsellern auch Qualität verlegen, nachhaltige Bücher, die nicht unbedingt zur Rendite beitragen. Heinrich -Maria Ledig-Rowohlt wie auch sein Vater waren gute Beispiele hierfür.

Wie können wichtige Bücher bei uns wieder mehr öffentliche Resonanz finden?

Als Erstes: Lesen, lesen, lesen. Es ist erstaunlich, wie wenig Zeit den Lektoren zum Lesen eingeräumt wird. Sie verkommen zu Produktmanagern, die Manuskripte zum Lesen nach außen geben müssen, Nichts gegen Außengutachten, aber mir fehlen die Anrufe von früher, die mit Begeisterung, manchmal auch ablehnend, über eingereichte Manuskripte berichten. Dann müssen wir noch ein neues Feuilleton erfinden.

Das Gespräch mit Peter Fritz führte Gerhard Beckmann.

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