Das Autorengespräch zum Wochenende „Irgendwann ist da ein Moment, in dem eins zum anderen passt“

Jeden Freitag hier ein Autorengespräch. Heute sprachen wir mit Sabine Trinkaus. Die Autorin lebt in Alfter bei Bonn und schreibt schon seit 2007 Kurzgeschichten und Kriminalromane. Seelenfeindin ist ihr fünfter Roman und gleichzeitig ihr erster Thriller und erschien vor kurzem bei emons.

BuchMarkt: Frau Trinkaus, worum geht es in dem Buch Seelenfeindin?

Sabine Trinkaus: „Das, was Menschen mit einem Lächeln sagen, das was sie sich gegenseitig mit Worten, Gesten und scheinbar harmlosen Handlungen antun, vorsätzlich oder versehentlich, ist weit erschreckender als alles, was eine Faust oder ein Messer je anrichten kann“

Sabine Trinkaus: Im Zentrum der Geschichte steht die junge, ehrgeizige Psychiaterin Nadja Schönberg. Sie hat nach einem schweren beruflichen Rückschlag, der sie auch persönlich sehr mitgenommen hat, wieder Fuß gefasst und arbeitet in einer psychiatrischen Klinik in der Elbmarsch. Dort trifft sie auf Konstanze Friedrichs, eine erfolgreiche Journalistin und prominente Fernsehmoderatorin, die völlig verängstigt in die Klinik kommt. Sie ist sicher, von ihrem Ex-Partner verfolgt und bedroht zu werden – allerdings scheint das, was sie erlebt zu haben glaubt, nicht real zu sein. Psychiaterin Nadja zweifelt allerdings schnell daran, dass Konstanze unter Verfolgungswahn leidet, denn die Patientin zeigt keinerlei Anzeichen für eine derart schwere Erkrankung. Was, wenn Konstanzes Wahn Wirklichkeit ist, wenn jemand ein böses Spiel mit ihr spielt. Nadja forscht nach – und stößt bei der Suche nach der Wahrheit immer wieder an ihre Grenzen. Immer tiefer gerät sie in ein Geflecht aus Lüge und Manipulation und begreift schließlich, dass sie weit mehr ist als eine unbeteiligte Beobachterin.

Was unterscheidet den Thriller von anderen? Wo liegt die Raffinesse?

Der Leser ist sehr nach bei Nadja. Als Psychiaterin kennt sie sich aus mit Wahn und Wahrnehmung. Aber auch sie muss feststellen, dass das Verlässliche nicht immer so  verlässlich ist, wie es scheint. Immer wieder stolpert sie über Fakten und Informationen, die ihr klarmachen, dass sie niemandem wirklich trauen kann. Denn niemand sagt die ganze Wahrheit. Alle belügen sich und andere, Dinge werden verschwiegen oder verzerrt dargestellt.Letztlich muss Nadja auch sich selbst immer wieder infrage stellen – und sich den  inneren und äußeren Bedrohungen stellen. Letztlich geht es darum, dass jeder – ob Psychiaterin oder Ärztin, ob Täter oder Opfer – auf seine Weise versucht, andere zu manipulieren, um bestimmte Ziele zu erreichen. Was ist Wahrheit – die Frage ist letztlich nicht so leicht zu beantworten, wie man gerne glauben möchte.

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Sie haben zuvor überwiegend Kriminalromane und Kurzgeschichten geschrieben. Wie kam es dazu, sich nun erstmals an einen Psychothriller zu wagen?

Jedes neue Projekt ist ja ein Wagnis, für mich jedenfalls. Als ich anfing, ernsthaft zu schreiben, war die Kurzgeschichte für mich die perfekte Form. Sie bietet viel Raum zum Experimentieren und die Möglichkeit, mit verschiedenen Erzählstimmen zu spielen und sich sprachlich und stilistisch auszuprobieren. Darum schreibe und lese ich bis heute sehr gerne Kurzgeschichten. Irgendwann war ich allerdings an einem Punkt, an dem die Geschichte und die Figuren im Kopf mehr Raum brauchten. Der Schritt von Kurzgeschichte zu Roman war eigentlich das größte Wagnis. Ich habe ja damals noch „nebenher“ geschrieben und hatte ein recht ausgefülltes Alltagsleben mit Job und Kind.  Und zwischendurch berechtige Zweifel, ob ich das Projekt „Roman“ je zu einem Ende bringe.  Aber wenn es einen gepackt hat, schafft man das irgendwie . Nach vier Kriminalromanen mit klassischer Ermittlerstruktur war es jetzt wieder die Geschichte, die eine andere Form wollte. In der Seelenfeindin geht es um Angst, um Schuld, um Rache – um intensive menschliche Erfahrungen und Emotionen. Es ist zwangsläufig ein Psychothriller geworden, weil im Zentrum das steht, was Menschen wie wahrnehmen – und was sie sich gegenseitig vorsätzlich oder versehentlich antun. Das ist es, was die Geschichte voran – und auf die Spitze treibt.

Für den Laien: Muss man sich in so eine Geschichte anders reindenken?

Nicht grundsätzlich, nein! Für mich ist beim Schreiben immer wichtig, den Gedanken-und Erfahrungswelten der Figuren sehr nah zu kommen. Bei der Seelenfeindin war allerdings die Auseinandersetzung mit der Thematik und die Recherche dazu recht intensiv. Wahnhafte Erkrankungen, die Situationen, in denen man seiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr trauen kann – das war sehr spannend , aber auch bedrückend. Eine praktische Herausforderung war das Thema Psychiatrie insgesamt. Es gibt natürlich viel Literatur, man hat aber in diesem Bereich natürlich nicht die Möglichkeit, sich das alles einmal praktisch anzusehen und bei ein paar Therapiesitzungen dabei zu sein. Ich hatte das Glück, einschlägige Experten in der Familie zu haben, die in diesem Bereich arbeiten. Sie konnten mir viel über Therapie, den Klinikalltag und die ganz praktischen Aspekte der Arbeit erzählen. Das hat sehr geholfen – zumal sie auch all die Fragen, die sich beim Schreiben immer wieder ergeben haben, quasi rund um die Uhr und mit Engelsgeduld beantwortet haben.

Und- was liegt Ihnen mehr, sanft oder heftig?

Sanft. Allerdings in einem sehr unsanften Sinn. Natürlich gibt es Momente, in denen ein Thriller dramaturgisch und erzählerisch Momente der expliziten und körperlichen Gewalt fordert.  Ich persönlich finde aber die subtile und versteckte Gewalt spannender.Das, was Menschen mit einem Lächeln sagen, das was sie sich gegenseitig mit Worten, Gesten und scheinbar harmlosen Handlungen antun, vorsätzlich oder versehentlich, ist weit erschreckender als alles, was eine Faust oder ein Messer je anrichten kann.

Wo schreiben Sie Ihre Geschichten? Ganz klischeehaft in einem kleinen Kämmerchen, bei dumpfen Licht?

Das Kämmerchen ist groß genug, um als Arbeitszimmer durchzugehen, die Beleuchtung ist glücklicherweise auch in Ordnung. Und den größten Teil der Schreibarbeit erledige ich darum ganz ordentlich und langweilig am Schreibtisch. Bevor ich anfange zu schreiben, gibt es allerdings eine längere Plot-Phase, in der ich an der Geschichte und den Figuren bastele. Das funktioniert im Kämmerchen vor dem vorwurfsvoll leeren Bildschirm nicht gut. In dieser Phase bin ich gern unterwegs, am liebsten draußen, im Garten, im Wald oder auch mal im Café – und da kann es vorkommen, dass ich bei Kerzenschein mit der Feder in ein abgegriffenes, zerfleddertes Notizbuch kritzele.

Wann und wo kommen Ihnen konkrete Ideen ? Und wie halten Sie diese fest?

Ich bin ein furchtbar neugieriger Mensch. Ich liebe es, in fremde Fenster zu schauen und belausche leidenschaftlich gern die Gespräche anderer Leute. Dabei kommt man allerdings leider immer nur einen kleinen Ausschnitt aus einer Geschichte mit, die einen nichts angeht – oder glücklicherweise. Die Ideen wachsen aus der vielen kleinen Eindrücken und Situationen, die ich irgendwo abspeichere. Irgendwann ist da ein Moment, in dem eins zum anderen passt – und mit ein bisschen Glück entsteht daraus eine Geschichte.

In welchem literarischen Umfeld kann der Buchhändler das Buch in seinem Schaufenster gut dekorieren/platzieren/zur Schau stellen?

Das überlasse ich den Buchhändlern, ich denke, die kennen sich da besser aus als ich – vor allem, was die Schaufenster angeht. Grundsätzlich ist die Seelenfeindin etwas für Leser und Leserinnen, denen Titel wie Gone Girl von G. Flynn oder Girl on a train von P.Hawkins mochten.  Aktuell fiele mir noch die Wahrheit von Melanie Raabe, Das Scherbenhaus von Susanne Kliem, Black Memory von Janet Clark oder GoodasBone von Amy Gentry ein.

Was lesen Sie selbst gerne/aktuell?

Gern und überwiegend lese ich natürlich Krimi und Thriller. Da ist die Liste der Lieblingsautoren lang, zumal ich mich immer wieder gern im örtlichen Buchladen inspirieren lasse – und es ja ständig neue, wunderbare Autoren zu entdecken gibt. Ich bin allerdings nicht auf dieses Genre beschränkt – eigentlich lese ich alles gern.

Im Moment schmökere ich mich durch den Stapel, den ich von der Leipziger Buchmesse mitgebracht habe. Gerade lese ich Gott ist nicht schüchtern von Olga Grjasnowa, danach liegt der neue Paul Auster und der neue Julian Barnes bereit – zwei Titel, auf die ich mich schon sehr freue.

In der vergangenen Woche sprachen wir mit Daniel Schreiber über sein neues Buch Zuhause.

 

 

 

 

 

 

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