Veranstaltungen Poetikvorlesung von Ulrike Draesner: Grammatik der Gespenster

Vorgestern Abend fand die erste Vorlesung der Poetikdozentur des Wintersemesters mit Ulrike Draesner im Audimax der Goethe-Universität Frankfurt statt.

Dazu begrüßte Manfred Schubert-Zsilavecz vom Präsidium der Universität die Gäste. Er teilte mit, dass die Poetikvorlesungen für die nächsten fünf Jahre gesichert seien: Dania Hückmann habe das in der Tradition ihres 2015 verstorbenen Vaters Jochen Hückmann mit einer großzügigen Spende ermöglicht.

Schubert-Zsilavecz spielte auf Ulrike Draesners Erzählungen Mein Hiddensee an und lud sie in seine österreichische Heimat ein – dann könnte auch über diese ein so schönes Buch entstehen.

Susanne Komfort-Hein, Geschäftsführerin der Frankfurter Poetikvorlesungen, stellte die Autorin, Übersetzerin und Literaturkritikerin Ulrike Draesner kurz vor. Sie sei gerade aus Oxford angereist, Oxford sei das inspirierende Vorbild für die 1959 eingerichtete Frankfurter Poetikdozentur gewesen. Seit 1708 gibt es an der Universität Oxford einen gewählten Professor of Poetry.

 

Susanne Komfort-Hein
Susanne Komfort-Hein

 

Draesner promovierte 1992 in Germanistischer Mediävistik mit einer Arbeit zu Intertextualität, 1995 erschien ihr erster Gedichtband gedächtnisschleifen im Suhrkamp Verlag Frankfurt. Inzwischen liegen über 40 Titel von ihr vor, zudem war sie an 15 Publikationen mit beteiligt. „Ihre Bücher sind oft Familiengeschichten und Wissenschaftsromane zugleich“, sagte Komfort-Hein.

Sie dankte den Verlagen S. Fischer, Schöffling & Co., Suhrkamp und Luchterhand, dem Kulturamt der Stadt Frankfurt, der Vereinigung von Freunden und Förderern der Universität sowie dem Literaturhaus Frankfurt für die Kooperation bei der Poetikdozentur des Wintersemesters.

Statt einer Abschlusslesung werde es am Montag, 23. Januar, eine „Bergfestlesung“ im Literaturhaus unter dem Titel Gespensternacht geben.

Plakat zur ersten Vorlesung

Ulrike Draesner schilderte zu Beginn den Besuch eines älteren Mannes im National History Museum in London. Er bewundert die Walskelette, aufgereiht unter der Decke aus Eisenträgern und Glas. Macht sich Gedanken über das Nilkrokodil, das noch 10.000 Jahr später vom Kriechen ans Land erschöpft ist.

Ulrike Draesner, Nationa History Museum
Ulrike Draesner, National History Museum

 

Hat das alles mit Geistern zu tun? „Geister wohnen an Grenzen, sind Grenzen. Geister sind das, was wir selbst nicht sein wollen. Sie sind in uns“, erklärte Draesner. Überhaupt, das Wort Grenze. Eines der wenigen aus der polnischen Sprache ins Deutsche übernommenen. Über Sprache, Entwicklungen, Raum und Zeiten spricht Draesner. Springt ins Mittelalter, einer Welt voller Schmerz und Gewalt. Doch in dieser Zeit wird die Novelle begründet.

„Gespenster sind eine Funktion unseres Geistes. Wir brauchen sie“, stellte Draesner fest. Und wer lese, betreibe Gespenster-Umgang.

Mit ihren Vorlesungen möchte die Autorin ihr Publikum dahin mitnehmen, wo sie selbst sei, wenn sie schreibe. Gleichzeitig ist ihr die Unmöglichkeit dieses Vorhabens bewusst. Und sie will mit ihren Geschichten „erbauen“. Dazu ist die Kenntnis der Sprache und der Grammatik notwendig, „Grammatik wird zur Schreibkraft“, Sprachen sind Netze und Muster – was in der eigenen Sprache fehle, falle erst im Vergleich zu anderen Sprachen auf.

Büchertisch
Büchertisch im Audimax

 

Die Poetikvorlesungen von Ulrike Draesner werden am 17., 24. und 31. Januar sowie am 7. Februar fortgesetzt.

Außerdem ist im Ausstellungsraum Fenster zur Stadt des Restaurants Margarete in der Braubachstraße in Frankfurt eine Begleitausstellung zu sehen.

JF

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert