Veranstaltungen Frankfurt: Autorin, Programmleiterin und Verleger diskutieren über Kinderbücher

Gestern Abend fand im Literaturhaus Frankfurt im Rahmen der Reihe Hinter den Worten: Literatur gestalten in Hessen, von den Häusern der Literatur 2016 initiiert, eine Veranstaltung zum Thema Abenteuer Kinder- und Jugendbuch statt. Die Podiumsdiskussion bestritten die Autorin Antje Herden, die Programmleiterin Fischer KJB Eva Kutter und Markus Weber, Leiter des Moritz Verlags. Fridtjof Küchemann, FAZ, übernahm die Moderation.

Fridtjof Küchemann, Antje Herden, Eva Kutter, Markus Weber

 

Auf die Frage, wie die Gesprächsteilnehmer zum Abenteuer Buch gekommen seien, antwortete Herden: „Ich bin als Abenteurerin geboren und erst vor sechs Jahren zur Autorin geworden. Das hatte ich vorher nie in Betracht gezogen.“ Aus einem gemeinsam mit einem Freund geschriebenen Buch und einer Rivalität mit einem Nachbarn sei das entstanden. Eine Rolle spielte außerdem die Teilnahme am nationalen Poetry Slam Finale 2003.

Antje Herden

 

Kutter fand den Zugang über Hörbücher, wurde anschließend zur Leserin, studierte Germanistik, Italienisch und Theaterwissenschaften, volontierte bei Thienmann, arbeitete für die AvD und studierte am Institut für Jugendbuchforschung, lektorierte bei Anrich, bei Arena und ist seit 2001 bei S. Fischer.

Eva Kutter

 

Weber kam über die Schulbibliothek zum Buch, absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung zum Buchhändler. „Damit stehe ich nicht alleine. Auch Gerd Haffmans, Hans-Joachim Gelberg und Heinrich Böll waren zunächst Buchhändler. Der Zufall – eine Bewerbung – führte mich zu Beltz & Gelberg.“

Gut gedacht, schön gemacht – Markus Weber mit einem „Flopp“

 

Eva Kutter unterstrich: „In meiner Tätigkeit habe ich aus verschiedenen Blickwinkeln auf das Buch geschaut. Das war sehr lehrreich. Ich will Brücken schlagen zwischen der avj und dem Institut für Jugendbuchforschung.“

Etwa 20 Titel jährlich erscheinen im 1994 gegründeten Moritz Verlag, Tochter des französischen Kinder- und Jugendbuchverlags l’école des loisirs Paris. Deshalb bestand das erste Programm folgerichtig aus 14 Übersetzungen aus dem Französischen. „Es waren einfach gut gemachte Kinderbücher“, bekräftigte Weber, „ich konnte beim Start aus einem Füllhorn schöpfen. Das Konzept war damals auf Frankreich ausgerichtet, ist es trotz vieler internationaler Titel immer noch und wird es auch bleiben. In diesem Jahr werden fünf Übersetzungen aus dem Französischen erscheinen.“ Weber räumte ein: „Man macht auch Fehler.“ Nicht immer ließen sich die Erfolge des Originals übertragen.

„Was zündet eigentlich bei den Kindern?“, wollte Küchemann wissen. Antje Herden, die zwischen 80 und 100 Lesungen im Jahr absolviert, berichtete: „Die Reaktionen kommen bei den Kindern sofort. Allerdings gibt es auch Bemerkungen wie ‚voll langweilig’, ‚voll blöd’ oder ‚Was hat die denn für ein Kleid an!’. Manches funktioniert bei der einen Lesung, was bei einer anderen nicht geht. Aber ich habe keine Probleme mit Kindern, erlebe berührende Momente.“ Ihre Inspirationen erhielt sie auch von den beiden eigenen Kindern. Mit „den ganzen marktwirtschaftlichen Dingen“ möchte die Autorin nichts zu tun haben. „Eine ganze Riege von Erwachsenen muss überwunden werden, bis die Kinder die Bücher in den Händen halten“, stellte Herden fest.

„Es ist gut, wenn Autoren so viel Kontakt zu Kindern haben. Auch als Verlag kommt man nicht unmittelbar an die Kinder“, sagte Eva Kutter. „Gibt es nicht Testlesergruppen?“, fragte Fridtjof Küchemann. Bei Fischer gäbe es das, bestätigte Kutter. Zweimal jährlich fänden Gesprächsrunden im Verlag statt, außerdem bestehe eine WhatsApp Gruppe, die sich mit Youtube Veröffentlichungen beschäftige. „Und der Trend bei Büchern geht zu Originaltiteln mit deutschen Untertiteln“, fügte Kutter an.

 

„Ich stehe nicht in Kontakt mit der Leserschaft, mache das, wovon ich begeistert und überzeugt bin“, erklärte Markus Weber. Das sei auch manchmal ein Flopp, beispielsweise beim Bilderbuch Klapp auf, klapp zu!

„An dieses Buch hätte ich mich nicht getraut“, gestand Eva Kutter, „man ist im Verlag eben auch Verhinderer.“ „Sind denn Eskapaden in einem Verlag überhaupt möglich?“, wollte Küchemann wissen. „Die größeren Häuser haben sicher mehr Möglichkeiten, aber auch mehr Zwänge. Das Risiko muss tragbar sein“, antwortete Kutter. „Ich möchte ausschließlich Bücher machen, für die ich brenne. Das ist Chance und Bürde zugleich“, äußerte Weber. Oftmals, so fügte er hinzu, werde die Kundschaft unterschätzt.

 

Wie gehen Autoren an ihre Arbeit? „Manche Kollegen schreiben nach Trends. Oder sie stellen ein Exposé vor. Ich schreibe das Buch fertig und konnte über meine Agentin bis auf eines alle verkaufen“, erklärte Antje Herden. „Ein Vertrag über noch zu Lieferndes erzeugt bei mir Druck“, verriet die Autorin. Die Lesungen seien ihr sehr wichtig.

 

„Es ist schöner, wenn dem Verlag das ganze Buch vorliegt“, gab Eva Kutter zu. Dann führte das Gespräch zu den Buchreihen. „Sind die nicht ein wirtschaftliches Kalkül?“, fragte Küchemann. „Der Moritz Verlag ist nicht auf Reihen ausgerichtet, das ergibt sich zufällig“, sagte Weber. „Natürlich gibt es solche Überlegungen“, räumte Kutter ein. Beispielsweise gäbe es Mädchenbücher, die inzwischen in Deutschland erfolgreicher als im Ursprungsland seien. „Wer kam eigentlich auf die Idee, Bücher für Mädchen und Jungen zu machen? Hat sich das in den letzten Jahren verstärkt?“, forschte der Moderator nach. „Die Marketingabteilungen sind schuld!“, stellte Weber fest.

„Ich habe einen Sohn und eine Tochter. Der Junge nahm vor zehn Jahren absolut kein pinkfarbenes Buch mit in die Klassenbibliothek. Ich habe für mich entschieden, einen neutralen braunen Einband um das Buch zu legen, wenn ich daraus vorlese“, erzählte Herden.

„Aber das Zuschneidern von ganzen Reihen auf Jungs oder Mädchen macht doch keinen Spaß“, entgegnete Weber.

Unweigerlich führte die Diskussion zu Farben und Glitzer. „Ich dachte, Mädchen gefällt Glitzer. Das war gar nicht böse gemeint“, reagierte Kutter. „Wahrscheinlich ist der Abwehrzauber Glitzer mächtiger als der Abwehrzauber Monster“, vermutete Küchemann.

„Mädchen sind eine große Zielgruppe, aber eigentlich wollen wir mit den Büchern beide Geschlechter ansprechen“, sagte Kutter.

„In den fünften und sechsten Klassen wird erschreckend wenig gelesen. Lesen gilt da als uncool, damit kann man nicht angeben. Um das zu ändern, ist alles erlaubt – auch Glitzer“, meinte Herden.

In der anschließenden Publikumsrunde ging es um augmented reality, die auf dem deutschen Kinderbuchmarkt noch keine Rolle spielt; um den Leseknick besonders bei Jungs, um viele Initiativen zur Leseförderung. Das Beispiel Frankreich zeige, dass Bücher durchaus eine wichtige Rolle spielen können. Aber Frankreich hat auch ein anderes Bildungssystem.

JF

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