Veranstaltungen Gestern abend in München: „Die Journalisten haben Trump nicht ernst genommen, sondern wörtlich. Bei seinen Wählern war es umgekehrt.“ Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni über sein Buch Fremdes Land Amerika

Auch das gehört zum Literaturfest München: die politische Weltlage. Just an dem Donnerstagabend des Abschiedsbesuchs von Barack Obama in Berlin konnte Literaturhaus-Chefin Tanja Graf den neuen Tagesthemen-Anchorman Ingo Zamperoni, der gerade von einem dreijährigen Aufenthalt in Washington zurückgekehrt ist, als Buchautor begrüßen. Am 9. September erschien bei Ullstein Fremdes Land Amerika – Warum wir unser Verhältnis zu den USA neu bewerten müssen.

Falls im Buchhandel die Frage auftaucht, ob dieses Buch jetzt wertlos ist, da es knapp vor der US-Präsidentschaftswahl erschienen ist, kann man klar sagen: keinesfalls, denn den Ausgang dieser Wahl konnte kein seriöser Beobachter vorhersagen. Daher ist das Buch so angelegt, dass es in jedem Fall für die Zeit nach der Wahl eine Menge persönlicher Eindrücke und kluger Analysen enthält.

Sylke Tempel, Politikwissenschaftlerin und Chefredakteurin der Zeitschrift Internationale Politik, verstand es, die Aufmerksamkeit auf jene Beobachtungen von Zamperoni zu lenken, in denen die tiefe Verunsicherung der US-Amerikaner über ihr eigenes Land und ihre Rolle in der Welt zur Sprache kommen – ausgehend vom großen Schock des 11. September 2001.

Zamperoni reagiert bei aller Ablehnung des politischen Stils und der zentralen Aussagen des Quereinsteigers Donald Trump nicht mit Panik oder Stammtischparolen auf die neue Situation. Das Phänomen der bisherigen Nichtwähler, die sich vom „Establishment“ missachtet fühlen und plötzlich Hoffnungen in einen Provokateur wie Trump setzen, hat bei uns seine Entsprechung bei AfD-Wählern oder in Frankreich bei der bedenklich zunehmenden Unterstützung für den Front National. Hillary Clinton war offensichtlich nicht die geeignete Kandidatin, um hier überzeugend zu wirken. Und zu wenige Amerikaner haben die angebliche „Authentizität“ Donald Trumps so empfunden wie Sylke Tempel: „Wenn authentisch bedeutet: sexistisch, ausländerfeindlich, gewalttätig, verfassungswidrig – dann lieber ein bisschen verlogen.“

Was für eine Wohltat war die Amtszeit von Barack Obama, auch wenn er längst nicht alle seine Vorhaben verwirklichen konnte. Obama war ein lesender Präsident, der in Buchhandlungen gegangen ist und sich zu Büchern geäußert hat. Von Trump sagt man, dass er noch nicht einmal Akten liest; von ihm stammt der Spruch „I´m here to lead, not to read“.

Demokratie heißt mit dem Wechsel umgehen zu können. Vielleicht tröstet der Satz von Winston Churchill, der einmal sinngemäß gesagt hat, die Amerikaner machen das Richtige – nachdem sie alle anderen Möglichkeiten ausprobiert haben. Zamperonis Buch zeigt uns die sympathischen ebenso wie die problematischen Seiten der USA heute.

Ulrich Störiko-Blume

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