Independents Der Wallstein Verlag wird 30

Thedel v. Wallmoden
Thedel v. Wallmoden

Der Wallstein Verlag wird in diesen Tagen 30 Jahre alt. Verleger Stefan Weidle gratuliert dem Göttinger Verlag zum Jubiläum:

Lang ist’s her. Aber keine 30 Jahre. Ich weiß nicht mehr, wann und wie ich den Wallstein Verlag und seinen Verleger Thedel v. Wallmoden kennengelernt habe, es muss auf einer Buchmesse gewesen sein. Aber ich erinnere mich gut an den 14. Januar 1993, den Tag, an dem der Verlag berühmt wurde: „Es ist dem jungen Verlag und seinem jungen Verleger hoch anzurechnen, dass er dieses Buch gemacht hat. (…) Deutschlands vorzüglichster Verlag, der Suhrkamp Verlag, hat dieses Buch abgelehnt.“ So Marcel Reich-Ranicki an diesem Tag im Literarischen Quartett.

Die Rede ist, wie könnte es anders sein, von Ruth Klüger: weiter leben – eine jugend. Ich habe mir die Aufzeichnung der Sendung nochmals angesehen, nicht zuletzt um den Verleger im Publikum zu erspähen; daß er dort war, weiß ich aus eigener Anschauung, ich habe ihn nämlich getroffen, die Übertragung kam aus der Bundeskunsthalle in Bonn, live übrigens, das traut sich heute kein Literarisches Quartett mehr. Der Verlag hatte seinen eigenen Tisch im Publikum, und der Verleger wirkte irgendwie ein bisschen nervös.

Daß es den Verlag zu diesem Zeitpunkt bereits sieben Jahre lang gab, wusste ich ebensowenig wie die staunende Öffentlichkeit, in deren Bewusstsein er an diesem legendären Abend eintrat. Thedel v. Wallmoden hat mir erzählt, wie schwierig es war, den in derselben Nacht noch einsetzenden Run auf Ruth Klügers Buch zu bemeistern.

Der Wallstein Verlag wurde also 1986 gegründet, im Gründungsmythos wird von einem Kneipenführer geraunt, der mit Gutscheinen zur Bierverbilligung durchschossen war. Es sei da mit allerneuester Technik zu Werke gegangen worden, hoffentlich ohne Verletzung des Reinheitsgebots. Der Verlag hieß nach seinen Gründern, neben Thedel v. Wallmoden waren dies die Brüder Dirk und Frank Steinhoff, deren Spuren sich dann verlieren.

Aber eigentlich ging es erst mit Ruth Klüger richtig los. Das Buch verkaufte sich extrem gut, und der Verleger war so weise, die Erlöse in den Ausbau des Verlags zu investieren. Zwei Herzen schlugen schon immer in Thedel v. Wallmodens Brust: das des Historikers und das des Literaturliebhabers. So wurde sein Unternehmen auf diese beiden Schienen gesetzt, einerseits die Publikationen zum 18. Jahrhundert und zur jüngsten Geschichte, andererseits die Hinwendung zur zeitgenössischen Literatur. Beide Schienen wuchsen, der Verlag lehnte sich an öffentliche Institutionen an, um sein Programm finanziell fundiert entstehen zu lassen, und ein Teil der Gewinne wurde benutzt, um jungen, unbekannten Autoren eine Bühne zu bereiten. Diese Bühne bedurfte freilich noch eines Inspizienten, der dann 2004 mit Thorsten Ahrend gefunden ward. Der Rest, nun ja, der ist Geschichte, nachlesbar in zahllosen Büchern des Verlags.

Wir sind immer Freunde geblieben, Thedel v. Wallmoden und ich. Er war es, der mich damals, nach zwei Pleiten von Verlagen, bei denen ich publiziert hatte, bestärkte oder ermutigte, ein eigenes Unternehmen zu gründen (er sagte so was wie: „Du mußt das jetzt machen.“). Am Anfang hat Wallstein noch meine Bücher gesetzt, bis dann Friedrich Forssman in mein Leben trat, der inzwischen auch mit Wallstein verbunden ist und u.a. die wunderbaren horen neu gestaltet hat: Dass diese wichtige Literaturzeitschrift im Wallstein Verlag ihren unverrückbaren Platz gefunden hat, kann man dem Verleger nicht hoch genug anrechnen.

Ich war stolz und froh, als Mitglied ohne Stimmberechtigung der Jury anzugehören, die 2013 dem Wallstein Verlag den Kurt-Wolff-Preis verlieh. Wie immer bestand die Begründung aus nur einem Satz: „Der Kurt-Wolff-Preis 2013 geht an den Wallstein Verlag, der seit gut einem Vierteljahrhundert in sorgfältigen und gestalterisch anspruchsvollen Editionen die deutsche Literatur seit dem 18. Jahrhundert mit der Zeit- und Wissenschaftsgeschichte verknüpft und zugleich der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur eine herausgehobene Plattform bietet.“

Das ist nun schon seit 30 Jahren so und wird hoffentlich in weiteren 30 Jahren genauso gelten.

 

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