Buchhandel Buchhandlung Wortspiel ging mit Kunden auf Reisen

Zum 175-jährigen Jubiläum hatte die Verlagsgruppe Beltz eine Fahrt zu den Beltz Grafischen Betrieben verlost. Gewonnen hatte die Buchhandlung Wortspiel in Wunstorf. Buchhändlerin Britta Mai berichtet über einen ereignisreichen Tag:

Es kommt nicht oft vor, dass sich ein Selbständiger frei nimmt. Zu groß ist die Sorge, dass die damit ausgeschlagenen Einnahmen am Jahresende fehlen. Mercedes Töller, Inhaberin der Buchhandlung Wortspiel in Wunstorf, fuhr Ende Oktober trotzdem weg – mitsamt einem Großteil ihrer treuen Stammkunden!

Anlässlich seines 175-jährigen Jubiläums veranstaltete die Verlagsgruppe Beltz im Sommer diesen Jahres ein Preisausschreiben gezielt für Buchhändler. Gefragt waren Anekdoten und Fotos rund um die eigenen „ersten“ Bücher aus den Verlagsprogrammen. Der Hauptgewinn: eine Tagestour zu den Beltz Grafischen Betrieben. Während dessen sollte vor Ort ein hochkarätiges Vertriebsteam die Buchhandlung übernehmen und das Tagesgeschäft am Laufen halten. Das war einfach zu verlockend! Die Inhaberin des Wortspiels nahm teil und gab eine persönliche Erinnerung an ihre Kindheit preis. Und ihre Einsendung wurde aus dem Lostopf gezogen!

In den folgenden Wochen wechselten die E-Mails zwischen Thüringen und Niedersachsen nur so hin und her. Ein Termin für die Fahrt musste gefunden, Konditionen und Vorlieben geklärt werden. Und nicht zuletzt galt es, all jene Kunden einzeln anzusprechen, die sich darüber freuen würden, an solch einer Aktion teilzunehmen. Eine Herausforderung, denn schon ein erstes Notieren von Namen aus dem Gedächtnis heraus förderte über 150 Personen zu Tage, welche die Buchhandlung in den letzten Jahren besonders unterstützt hatten und denen man mit einer solchen Einladung danken konnte.

Es folgte das große Telefonieren. Kleiner wurde die Reisegruppe wirklich nicht: Am Ende waren es 40 Teilnehmer, zu denen unter anderem der Leseclub des Wortspiels zählte. Die Kinder sagten zu diesem Anlass im Voraus in der Schule Bescheid und wurden glücklicherweise auch alle freigestellt. Ohne Eltern und mit dem Buchhandlungs-Team als stellvertretenden Aufsichtspersonen – da war der Ausflug für sie gleich doppelt aufregend!

Am Vorabend der Fahrt erreichte Andrea Fölster, die Vertriebsleiterin des Verlages, die Buchhandlung, in der sie das Tagesgeschäft vertretungsweise am Laufen halten würde. Innerhalb von anderthalb Stunden arbeitete sie sich unter Anleitung in die Warenwirtschaft und das Kassensystem ein. Es gab eine ausgedruckte und reich bebilderte Anleitung, viele Tipps und eine Auflistung von Stornomöglichkeiten und Notfall-Telefonnummern. Sicherheitshalber war ein Vorrat an Tee, Wasser und Schokolade bereit gestellt. Der Abend klang gemütlich in einem Restaurant, im kleinen Kollegenkreis aus, so dass sich der positive Eindruck bestätigte. Die Inhaberin des Wortspiels wirkte deutlich beruhigt. „Dass die beiden Vertretungsdamen professionell und kompetent sein würden, daran hatten wir keinen Zweifel. Und auch ein gewisses Fachwissen konnten wir bei so eindrucksvollen Werdegängen voraussetzen. Aber der Buchhandel lebt vom Kundenkontakt, da zählt das „Wie“ ganz stark. Über reines Wissen zu verfügen bedeutet noch lange nicht, dass man auf menschlicher Ebene Gemeinsamkeiten findet. Doch sobald wir Andrea Fölster persönlich kennenlernten, waren alle Sorgen verflogen. So fiel es leicht, den Schlüsselbund der Buchhandlung vertrauensvoll in fremde Hände zu legen.“

Am nächsten Morgen stand das Wortspiel-Team schon um 7 Uhr auf der Matte. Es war kalt, verregnet und dunkel. Aber die Aufregung sorgte für gut gelaunte Nervosität und die Kunden waren von Anfang an auf die voraussichtliche Wetterlage eingeschworen worden. Als alle Systeme im Laden hochgefahren waren, ging es auch schon zum nahe gelegenen Sammelparkplatz. Das Buchhandlungs-Team verabschiedete sich von Frau Fölster, die im Laufe des Vormittags noch Unterstützung seitens der Verlegerin höchstselbst, Marianne Rübelmann, bekommen sollte. Kurz nach 8 Uhr rollte der Reisebus mit seiner kostbaren Fracht los. Die Stimmung an Bord war großartig, obwohl kein Unterhaltungsprogramm vorgesehen war – oder vielleicht gerade deswegen? Selbst die Kunden, die einander noch nicht begegnet waren, setzten sich zwanglos zusammen und kamen schnell ins Gespräch. Man tauschte sich über Kinder und Enkelkinder aus, über bevorzugte Lektüren oder Spiele. Ein angenehm freundlicher Klangteppich entstand, der besonders zu so früher Stunde zum Zurücklehnen und Dösen einlud.

In Höhe der Raststätte Göttingen wurde ein Zwischenstopp eingelegt, zu dem Kaffee und Gebäck gereicht wurden. Die Fahrt über standen diverse Kaltgetränke auf Kosten des Verlages zur freien Verfügung. Nachteilig, wenn auch unumgänglich, waren eine unvorhergesehene Vollsperrung der Autobahn, sowie eine anschließende, nicht ganz korrekt ausgeschilderte Umleitung, die einen 30 km langen Umweg bedingten und sich im Laufe des Tages immer wieder als durchschimmernder Zeitdruck bemerkbar machen sollten. Etwas, das vor allem die Organisatorin vor Ort, die Geschäftsführungsassistentin Annette Schäfer, lächelnd zum Rotieren brachte. Was den Gesamteindruck dieses Erlebnisses keinesfalls trübte.

v.l.: Annette Schäfer, Britta Mai, Christian Gaidies, Mercedes Töller und und Maik Baumgart
v.l.: Annette Schäfer, Britta Mai, Christian Gaidies, Mercedes Töller und und Maik Baumgart

In Bad Langensalza angekommen, wurde die Reisegruppe mit einem Sektempfang seitens des Geschäftsführers Christian Gaidies willkommen geheißen. Er stellte in kurzen Worten die Verlagsgeschichte vor und beantwortete erste Fragen. Seine Ausführungen zeichneten das Bild eines traditionsbewussten Familienbetriebes, der einen hohen Qualitätsanspruch wahrt und sich dem Druck des Marktes vor allem anhand einer klar definierten Produktpalette und verlässlicher Absprachen entgegenstellt. Im Hinblick darauf, dass Christian Gaidies von den Schwierigkeiten der Nachwuchsförderung in der Druckerbranche sprach, mag die Intensität, mit der hier seitens der Belegschaft zum Gelingen des Betriebes beigetragen wird auch damit zusammenhängen, dass eine Entscheidung für diesen Beruf eine sehr bewusste Entscheidung gegen andere Möglichkeiten zu sein scheint. Denn so schön das historische Städtchen auch ist – es liegt unbestreitbar weit abseits jeglichen Hauptstadtrummels.

Maik Baumgart, Leiter der Buchbinderei, führte dann mit Elan durch die Druckerei und war ein Quell spannender Informationen rund um die Buchdruckerei und Buchbinderei. In drei Werkshallen wird auf fünf Druckmaschinen produziert, sowohl im Off-Set-Verfahren, als auch im Digitaldruck. Bei Ersterem werden auf eingezogenen Papierbögen Abdrücke aufgepresst. Bei Letzterem handelt es sich um Ausdrucke, wie bei PC-Geräten üblich, lediglich in größerem Maßstab und befüllt mit Endlospapier von der Rolle. Welches Druckverfahren für einen Kunden das passendste ist, hängt vor allem von der geplanten Auflage, der gewünschten Qualität und dem eingebrachten Budget ab. Qualitativ sei der Unterschied für einen Laien kaum noch zu erkennen, so Herr Baumgart.

Neben den Druckmaschinen gab es aber auch noch unzählige andere schwere Gerätschaften zu bestaunen. Waren früher mindestens vier bis sechs Wochen dafür vorgesehen, einen Text auf Papier zu bringen, dieses zu sortieren, zu falzen, zu heften, zu kleben, zuzuschneiden, zu binden und es obendrein immer wieder zwischen den Arbeitsschritten in der richtigen Art trocknen zu lassen, so wird heutzutage seitens der Kunden mit Zeiträumen von zwei Wochen gerechnet. Aber selbst mit den übergroßen Papierbögen, auf denen bis zu 128 Seiten auf einmal gedruckt werden können, ist das nicht immer möglich. Herr Baumgart erklärte, dass ein großes Problem für die Druckbranche heutzutage darin bestehe, dass Papier als Rohstoff in Deutschland künstlich verknappt wurde. Dementsprechend seien Lieferzeiten und Preise in die Höhe geschossen, was eine vorausschauende Planung für Einkauf und Logistik essentiell mache. Behält man dies im Hinterkopf, so ist das breite Spektrum der in Bad Langensalza gefertigten Produktpalette besonders eindrucksvoll: Von der privaten Taschenbuch-Kleinstauflage bis zum hochwertigen Hardcover in Massenproduktion kann geordert werden. Schmale Broschuren sind ebenso machbar, wie schwergewichtige Versandhauskataloge oder Loseblattsammlungen zum Aktualisieren rechtsanwaltlicher Nachschlagewerke.

Von der Druckerei aus ging es zur Stadtbibliothek, die sich in einer Kooperation mit Beltz bereitwillig als Zwischenstopp für die Besucher zur Verfügung stellte. In deren Foyer waren Sitzgelegenheiten arrangiert worden, und im Innenhof wurde herzhaftes Fingerfood gegrillt. Ganz bezaubernd waren die im Betrieb gedruckten Popcorn-Tüten, die hier von Frau Schäfer frisch befüllt wurden. Ein süßes Angebot, das kaum abgelehnt wurde.

Während der eine Teil der Gruppe sich von diesem Punkt an für die Führung durch die Altstadt entschied, ging es für den anderen Teil durch die historische Druckerei.

Die Stadtführerin Renate Masch war mit ihrem umfassenden Detailwissen und ihrer Faktensicherheit absolut beeindruckend! Anhand der unterschiedlichsten historischen Bauten stellte sie bedeutende Persönlichkeiten und Ereignisse vor. So erfuhren die Teilnehmer der Stadtführung Tragisches über die Namensgeberin des Friederiken-Schlösschens, sie erfuhren von den Umständen des ersten urkundlich erwähnten Einsatzes einer mitten auf einem Schlachtfeld neutral agierenden Ärzte- und Schwesternschaft, von einem steingewordenen historischen Navi und von der Geburtsstunde eines wichtigen Impfstoffes just in dem leuchtend roten Fachwerkhaus der Altstadt. Den krönenden Abschluss der Stadtführung bildete eine unterirdische Tour durch die Kellergewölbe unter dem Rathaus.

Währenddessen war die andere Gruppe in dem kleinen Museum für Buchdruck, in den ehemaligen Stallungen des Friederiken-Schlösschens, unterwegs. Dort werden Druckplatten und Lettern in dicht befüllten Schubladenschränken aufbewahrt und alte Sonderdrucke präsentiert. Manuell zu bedienende, schwergängige Druckmaschinen machten schnell deutlich, dass das Druckereigewerbe nichts für Interessenten mit schwacher körperlicher Konstitution war. Von massiv-gusseisernen Platten, Stangen und Hebeln, bis hin zu Steinplatten für das historische Flachdruckverfahren, gab es kaum etwas, das leicht zu bedienen gewesen wäre. Etwas, wovon sich auch die Teilnehmer dieser Besichtigung überzeugen konnten, als es daran ging, einen eigenen Papierbogen zu bedrucken! Abgesehen vom Kraftaufwand ist es heutzutage kaum vorstellbar, dass dieserart damals bis zu 400 Seiten in der Stunde produziert wurden! Die Qualität der Drucke war überraschend gut, zumal nicht nur reine Textvorgaben umgesetzt, sondern auch Grafiken und Notenblätter vervielfältigt wurden, die mehr als ein reines Zeilenraster benötigen.

Am Ende der beiden Rundgänge trafen beide Gruppen punktgenau an dem alten Druckereistandort der Beltz Grafischen Betriebe wieder aufeinander. Herr Gaidies und Frau Schäfer ließen es sich nicht nehmen, die Reisegruppe ein letztes Mal in Empfang zu nehmen und sie sodann mit sehr großzügigen Geschenken zu verabschieden – jeder Mitreisende erhielt eine kleine Grüffelo-Stofftasche mit einer Neuauflage eben jenes Buches, welches die Wortspiel-Chefin ganz am Anfang in ihrem Gewinnspielbeitrag benannte. So schloss sich der Kreis.

Die Heimfahrt verlief entspannt. Den meisten wird wohl der undurchdringliche Nebel im Gedächtnis bleiben, der die Welt auf den Bus und die erschöpfte aber glückliche Reisetruppe darin zusammenschrumpfen ließ. Zurück am Startpunkt der Reise, dem großen Nordwall-Parkplatz in Wunstorf, verabschiedeten sich alle Teilnehmer in fast familiärer Stimmung voneinander. Diese Fahrt wird noch lange nachklingen, denn es wurde damit die Gelegenheit gegeben – und genutzt – in angenehmer Atmosphäre neue interessante Menschen kennenzulernen.

Welche Eindrücke bleiben darüber hinaus haften?

Sicherlich die Erkenntnis, dass auch heute noch die Arbeit des Buchbinders viel körperlichen Einsatz bedeutet. Die maschinellen Prozesse müssen manuell ergänzt werden und es ist nicht ohne, was für eine Kurzdistanz-Schlepperei das bedeuten kann.

Dann war es beeindruckend zu sehen, wie stark sich die Mitarbeiter offenbar dem altehrwürdigen Familienbetrieb verbunden fühlten. Eine generelle Gelassenheit im Miteinander war spürbar, was nicht einfach nur dafür sprach, dass jeder um seinen Platz in der firmeninternen Hierarchie wusste, sondern auf dafür, dass dieser Platz allseits respektiert wurde.

Zum Lachen brachten die Besichtigungsteilnehmer so typisch handwerksbetriebliche Beschriftungen, aus denen man regelrecht kleine Geschichten ableiten zu können glaubte. Beispielsweise gab es an einer Maschine ein Schild zu bewundern mit der Aussage „Achtung! Hier steht eine Maschine.“ Und eine andere Maschine war mit dem handschriftlichen Hinweis ergänzt worden: „Nadeln nicht mit dem Hammer einstellen!“

Die Reise zum Beltz Verlag war auf jeden Fall ein beeindruckendes Erlebnis, das auch das Wortspiel-Team überaus genossen hat. Zumal Frau Fölster und Frau Rübelmann das Wortspiel derweil mit Bravour geführt und viele schwärmende Kunden zurückgelassen haben. Wir bedanken uns ganz herzlich!

Britta Mai

PS: Jede Menge Fotos vom Ausflug finden Sie auf der Wortspiel-Website. Und was unterdessen in Wunstorf geschah, lesen Sie in der November-Ausgabe von BuchMarkt auf Seite 103 …

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