Veranstaltungen Arbeit im Exilarchiv geht schwierigen Schiffs-Passagen nach

Gestern Abend fand im Saal der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt eine Veranstaltung statt, die von Sylvia Asmus, Leiterin des Deutschen Exilarchivs 1933-1945, eröffnet wurde. Sie stellte die Autorin Kristine von Soden vor, die als Dozentin an der Universität Hamburger lehrte und sich seit vielen Jahren mit den Biografien jüdischer Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler beschäftigt und darüber mehrere Radio-Features schrieb.

„Zwischen Kristine von Soden und dem Deutschen Exilarchiv gibt es langjährige und vielfältige Verbindungen“, sagte Asmus.

Die Leiterin des Exilarchivs erinnerte aus aktuellem Anlass außerdem an einen Abend in der Nationalbibliothek im Dezember 2015 mit dem Titel Hate Poetry – eine antirassistische Leseshow, den Deniz Yücel mit gestaltete. „Die von der türkischen Justiz angeordnete Untersuchungshaft für Deniz Yücel ist absolut nicht hinnehmbar, ebenso wenig wie die ständigen Angriffe der türkischen Regierung auf den Journalismus“, betonte Asmus.

Kristine von Soden

In Kristine von Sodens 2016 im Aviva Verlag erschienenen Buch Und draußen weht ein fremder Wind … blickt die Autorin auf die praktischen Mühen der erzwungenen Ausreise, dabei liegt der Fokus auf den Emigrantinnen. Etwa ein Jahr hatte von Soden dafür im Exilarchiv gearbeitet. „Mich interessierten die Wege der Exilanten, die Schiffe, die Häfen, die ständig abnehmenden Möglichkeiten der Flucht aus Deutschland in den Jahren zwischen 1933 und 1941“, äußerte von Soden vorab. Ihr Buch erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. „Im Exilarchiv habe ich eine unendliche Fülle von Arbeitsberichten vorgefunden, die einen Blick auf die Tätigkeit jüdischer Hilfsorganisationen ermöglichen. Ohne diese Organisationen wäre vielen Menschen die Flucht verwehrt geblieben“, hob die Autorin hervor. Dabei sorgten die mit weltweit über 400 Korrespondenten zusammenarbeitenden Organisationen nicht nur für Papiere und Geld, sondern boten auch Beratungen und Sprachkurse an.

Anzeige in jüdischen Veröffentlichungen

Je schwieriger die Ausreise wurde, umso mehr dunkle und schmutzige Geschäftemacher witterten auf diesem Gebiet Morgenluft. Schon damals gab es viele untaugliche Schiffe; 18 Schiffe mit Emigranten erreichten nie ihr Ziel. Wie sich die Bilder gleichen.

Zur Veranstaltung waren die Aviva-Verlegerin Britta Jürgs und der Sohn von Anna Frank-Klein, Vincent Frank, mit seiner Frau Martina anwesend. Die Malerin Anna Frank-Klein, Großnichte von Max Liebermann und Gattin des Theaterregisseurs und Schriftstellers Rudolf Frank, emigrierte später als ihr Mann. Ihr Schicksal wird im Buch ebenfalls beschrieben. Auf der „Atlantic“, die im rumänischen Tulcea Flüchtlinge aufnahm, befand sich 1940 auch Anna Frank-Klein. Sie beschrieb den Hochseedampfer als einen „80 Jahre alten Kasten“ in ihren Tagebuchaufzeichnungen. Die Überfahrt von Tulcea nach Haifa, die normalerweise zwölf Tage dauerte, zögerte sich über Wochen hin und wurde ständig unterbrochen. Am 29. November 1940 ereignete sich die „Tragödie von Haifa“: Auf der „Patria“, einem Transportschiff, das die britische Mandatsregierung in Palästina zu einem Gefängnisschiff für illegale jüdische Palästina-Einwanderer umfunktioniert hatte, kam es zu einer Explosion, bei der etwa 270 Menschen starben. Grund war eine verheerende Sprengstoff-Fehlberechnung der jüdischen Widerstandsgruppe Haganah – sie wollte auf das Schicksal der Flüchtlinge, die auf seeuntüchtigen Schiffen unterwegs waren und keine Einreise nach Palästina bekamen, aufmerksam machen. Mit mehr als 1.500 weiteren jüdischen Flüchtlingen landete Anna Frank-Klein schließlich im Dezember 1940 auf Mauritius und wurde dort als britische Zivilgefangene bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs interniert. Erst im August 1945 konnte sie Mauritius verlassen und nach Palästina ausreisen.

Sylvia Asmus, Kristine von Soden, Britta Jürgs
Martina und Vincent Frank

 

Ein Schicksal von Tausenden. Im Buch begegnet der Leser den gebrochenen Lebensläufen an dem Punkt, wo es um die Ausreise geht, um die Beschaffung von Pässen und Papieren, Visa, Schiffskarten, Affidavits – und Geld. Er stößt auf bekannte und weniger bekannte Namen wie Mascha Kaléko, Monika Mann, Anna Seghers, Lilli Palmer, Tisa von der Schulenburg, Gabriele Tergit, Else Lasker-Schüler, die Ärztin Hertha Nathorff, die Schriftstellerin Lessie Sachs – von der auch der Titel des Buches stammt.

Werbung einer Schifffahrtsgesellschaft

Deutlich wurde während der von Illustrationen begleiteten Lesung, dass es nach Hitlers Machtantritt von Jahr zu Jahr schwieriger wurde, Deutschland zu verlassen. Die Emigranten steuerten auf schwankenden, meist alten Planken einem ungewissen Schicksal entgegen. Nicht immer glückte die Überfahrt, nicht allen Überlebenden gelang es, ihr neues Leben zu akzeptieren und sich darin einzurichten.

JF

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