Beckmann kommtiert Wie sieht die Entwicklung im stationären deutschen Buchhandel wirklich aus? Die statistischen Zahlen des Branchenmonitor Buch liefern leider keine brauchbaren Belege für ein signifikantes Wiedererstarken des Sortimentsbuchhandels

In Branchenkreisen ist inzwischen des öfteren die Rede davon, dass es mit dem stationären Buchhandel in Deutschland wieder aufwärts geht. Die Öffentlichkeit hat es seit einiger Zeit in Zeitungen und Zeitschriften lesen und im Rundfunk vernehmen können.

Und, ja – es war wundervoll, so etwas zum Jahresende 2013 schwarz auf weiß nach Hause tragen zu können – dass der Sortimentsbuchhandel im Dezember „4,1 Prozent mehr Umsatz als im Vorjahresmonat“ erzielte, damit „schon den achten Monat in Folge besser“ dastand „und auch ein positiveres Jahresergebnis als die drei“ – hätte wohl heißen müssen: die drei anderen – „Vertriebswege insgesamt“ aufwies.

So hieß es damals der Branchenmonitor Buch des Börsenvereins, der – es wurde noch schöner – für September 2014 die weitere Frohbotschaft verbreitete, dass der Sortimentsbuchhandel im Vergleich zum Vorjahresmonat „ein Plus von 4,3 Prozent (Barverkauf)“ erwirtschaftet habe – damit stehe “das Sortiment erneut besser da als die vier Vertriebswege zusammen“ – als da neben den Stationären sind Bahnhofsbuchhandel, Warenhaus und E-Commerce. Ja, mehr noch: „Auch kumuliert erging es dem Sortiment im aktuellen Jahr vergleichsweise besser“ als dem gesamten vierblättrigen Kleeblatt der Buchvertriebswege.

Das klang – und klingt – nicht nur gut. Es schien – und scheint- obendrein ja plausibel. Denn, wie mittlerweile ebenfalls ruchbar wurde – geht der Buchumsatz des Online-Molochs Amazon spürbar zurück, dessen kontinuierliches Wachstum dem klassischen Buchhandel Existenzängste ja vor kurzem noch Existenzängste eingejagt hatte. (Mehr dazu im vorausgegangenen Kommentar.)

Gibt es – nach langen Jahren mit rückläufigen Umsätzen – für den stationären Buchhandel also eine TRENDWENDE?

Diese Frage beantworten viele in der Branche nur mit einem müden Lächeln. Da sei, sagen dann manche, wohl der Wunsch der Vater des Gedankens. Andere führen “solches Gerede“ auf „Stimmungsmache“ zurück – was mal als gruppendynamisch anschwellendes „Pfeifen im Walde“, mal als Resultat einer „Aufmunterungsaktion“ des Börsenvereins und seines „Hochtrommelns“ gelegentlicher einzelner, lokaler Positivmeldungen zur „Hoffnung auf Zukunft“ erklärt wird. Solche Skeptiker habe ich darauf hingewiesen, dass die positive Entwicklung mit den laufenden statistischen Daten des Branchenmonitor Buch doch wohl flächendeckend und objektiv erfasst – vergeblich. Die Aussagen des Branchenmonitors hat keiner meiner Gesprächspartner gelten lassen wollen. Keiner nimmt ihn ernst. Als „für die Tagesarbeit und für strategische Überlegungen völlig unbrauchbar“, bezeichnete ihn der
renommierte Marketingchef eines großen Verlagshauses. Ein Kollege nannte ihn grob „einen Schmarr’n“. Was sie an ihm grundsätzlich auszusetzen haben, konnte – oder wollte – mir dann aber wiederum niemand erläutern. Das finde ich ärgerlich –warum gibt es denn keine offene ehrliche Diskussion darüber, was der Branchenmonitor Buch des Börsenvereins zum Nutz und Frommen aller leisten sollte? Warum macht der Börsenverein des Deutschen Buchhandels seiner Marktforschungsabteilung keine stringenteren Vorgaben im Sinne und zu Diensten seiner Mitglieder?

Was hat das, ganz konkret, mit unserer Frage zu tun? Sehr viel, leider. Denn, wie sich auf Anfrage in Frankfurt herausstellt, ist es so, dass der Branchenmonitor die freien, selbständigen, unabhängigen, Inhaber-geführten Geschäfte unter seinem Begriff vom „stationären Buchhandel“ bzw . „Sortimentsbuchhandel“ mit den Großfilialisten in ein und denselben statistischen Topf wirft.

Wer die deutschen und die internationalen Branchendebatten der letzten zwei Jahrzehnte verfolgt hat, weiß, dass so ein Ineinander-Gemenge einfach nicht geht. Auch bei uns haben die Großfilial-Konzerne sich als Erzfeinde der klassischen Buchhändler erwiesen – vor Amazon. Und wenngleich sie selber unbestritten wichtige Dinge leisten, die von kleineren lokalen Geschäften oft nicht erbracht werden können – die ganz speziellen Leistungen der echten Sortimentsbuchhandlungen, die sie ruiniert, übernommen oder verdrängt haben, vermögen sie nie und nirgends zu ersetzen. Unabhängige Buchhandlungen und Großfilialisten gehören deshalb statistisch auseinanderdividiert.

Weil der Branchenmonitor Buch sie aber verkudddelmuddelt, vernebelt er die verschiedenen Wirklichkeitsbereiche. Was haben seine Zahlen nun schon zu bedeuten? Was soll man mit ihnen denn anfangen können?

Die Großfilial-Unternehmen haben ihre Ladenflächen – auch darüber hat der MVB keine eigenen, gesicherten Zahlen – in den letzten Jahren schätzungsweise um rund 25 Prozent reduziert. Ist ihr Umsatz vielleicht nicht dementsprechend gesunken? Wenn ja – um wie viele Prozente? Gestiegen ist er gewiss nicht. Folgt daraus nicht, dass die Steigerungsnennwerte des Branchenmonitor die Lage von Weltbild, Thalia, der Mayer’schen und von Hugendubel vermutlich recht massiv beschönigen könnten?

Wenn dem so wäre, würde das doch bedeuten, dass die Großfilialisten wieder einmal zu Lasten des unabhängigen Buchhandels besser gestellt werden. Das ist ja die andere Seite der Medaille – dann müsste sein Umsatzwachstum während der letzten 18 Monate, für sich genommen, um einiges höher ausfallen als die im Branchenmonitor genannten Prozente.

Der Börsenverein macht also – sorry – den echten, den klassischen Sortimentsbuchhandel schlecht. Er schadet den unabhängigen Sortimentern damit. Warum? Darf er das? Wie kann der Börsenverein so was zulassen?

So bleibt es letztlich bei der Frage: Wie steht es um sie? Weiß es einer?

Für Kiepenheuer & Witsch haben sie laut Reinhold Joppich 2013 rund zehn Prozent mehr Umsatz gemacht. Im laufenden Jahr rechnet er ihrerseits sogar mit fünfzehn bis zwanzig Prozent mehr Verkäufen. Er ist der Einzige, der da über konkrete Zahlen verfügt. Über so hohe Steigungsraten ist man in anderen Häusern bass erstaunt – auch wenn man für sich selbst eine durchaus positive Entwicklung wahrnimmt.

Ein im allgemeinen sehr gut informierter Buchhändler erwidert auf die Frage achselzuckend:
„Keine Ahnung. An einigen Orten ja. Andernorts keineswegs. Eine generelle Eunschätzung würde ich nicht wagen.“

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