Die Rechte-Kolumne Wer(’s) glaubt wird selig

Von Weltbild bis Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg gehören die vorweihnachtlichen Schlagzeilen im Verlagsbereich den Katholiken.

Nach unverhohlenem Grollen keines Geringeren als des Papstes persönlich hat die katholische Kirche beschlossen, sich rasch von ihrer offenbar zunehmend als Stachel im Fleisch empfundenen Beteiligung Weltbild zu trennen. In deren Angebot fanden sich zum Entsetzen der Kirchenmänner nicht nur Bibeln und Gesangbücher, im erweiterten Programmumfeld waren auch Spurenelemente von Schweinkram nachzuweisen. Ob es sich bei mit viel Mühe auffindbaren Titeln wie etwa den von einem Branchenmagazin genannten Anwaltshure oder Vögelbar um Pornographie oder „nur“ Erotik handelte, blieb letztlich offen. Aber hier die letzte Differenzierung zu verlangen, hieße päpstlicher als der Papst zu sein. Auch Juristen tun sich mit dem kleinen aber feinen Unterschied zwischen beiden Kategorien oftmals schwer, von Kirchenmännern ganz zu schweigen.

Was er gesehen oder vielleicht auch nur gehört hat, reichte dem Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner bzw. war ihm bereits viel zu viel. In fast schon alttestamentarischer Strenge und Deutlichkeit sprach er sich in einem Interview mit der WELT am – natürlich – Sonntag für eine Trennung von dem Unternehmen aus: „Wir haben in der Verkündigung einzustehen für die Heiligung des Menschen und seines Leibes und können nicht Besitzer eines Unternehmens sein, das Schund und Schmutz verbreitet“, sagte der Kardinal. „Das geht als Kirche in sich nicht. Dann können wir unsere Hirtenstäbe gleich aus der Hand legen.“ fügte er an und mahnte mit den Worten des Apostels Paulus: “Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist?“

Über dieses Wissen verfügte offenbar der bibelfeste Interviewer der WELT, der das Bild aufgriff – Christus selbst vertrieb bekanntlich bereits in jungen Jahren auf eher rabiate Weise die Geldwechsler aus dem Tempel – und fast schon genüsslich weiterführte: “Heißt das, dass Sie schon die Stricke flechten, mit denen Sie die Händler aus dem Tempel verjagen wollen?“ Immerhin, eine kleine Beruhigung für die Kollegen und Kolleginnen aus Augsburg, so schlimm wird es wohl nicht kommen, antwortete der Kardinal doch vergleichsweise moderat: „Wissen Sie, wir sind eine Bischofskonferenz und gemeinsam Träger des apostolischen Amtes, da kommen wir, hoffe ich, auch ohne Stricke aus.“

Weniger betrübliche Schlagzeilen kann man über den Herder Verlag lesen, auf dem der Segen des Papstes und womöglich noch höherer Instanzen gerade in diesem Jahr ganz besonders zu liegen scheint. Hier gefiel es bekanntlich nicht nur dem Oberhaupt der katholischen Kirche, seinen Bestseller Licht der Welt – kurz vor Weinachten 2010 – zu veröffentlichen und zu einem schönen Verkaufserfolg zu machen. In diesem glaubensfesten Umfeld wird zwei Tage nach dem ersten Advent, immerhin verstehen Christen darunter die „Ankunft des Herrn“, ein ähnlich prominenter, allerdings bislang nicht ganz so unfehlbarer Katholik ein Buch mit Bestsellerpotential veröffentlichen.

Der gefallene Politstar und gewesene Doktor der Rechte Karl-Theodor zu Guttenberg hat sein Buch mit dem auch als Drohung zu verstehenden Titel Vorerst gescheitert sicher nicht zufällig beim katholisch-geprägten Herder Verlag platziert. Dieser Verlag mit potentiell viel Verständnis für gefallene Sünder dürfte das perfekte Umfeld für den moderat reuevollen Umgang mit der eigenen Vergangenheit sein, der zwischen Guttenberg und einem Neustart seiner Karriere noch steht.

Wirklich selbstkritische Ausführungen Guttenbergs dürfte nicht zuletzt sein Dialogpartner im Buch, Giovanni di Lorenzo, erschwert haben. Vielen unvergessen ist noch der Verteidigungsversuch des selbstredend bekennend katholischen Journalisten und Talkshow-Gastgebers zugunsten des Politikers, als dieser zwar schon seinen Doktortitel zurückgegeben hatte, aber noch als Verteidigungsminister amtierte. Obwohl sich in dessen Doktorarbeit unter den mehreren hundert Plagiatsstellen auch volle fünf Seiten aus der ZEIT fanden, verteidigte di Lorenzo von Guttenberg damals u.a. mit den Worten: „Es geht um den Mann, der eine Hoffnung für die politische Klasse ist… Ausstrahlung, Beliebtheit, Wirkung – von alldem hat Karl-Theodor zu Guttenberg im Übermaß… Mit seiner Befähigung als Minister hat die Dissertation aber nichts zu tun… Die Aussicht jedoch, dass jeder, der ein politisches Amt bekleiden soll, auch sein Vorleben auf jeden Makel durchleuchten lassen muss, ist nicht nur abschreckend, sie ist weltfremd…Karl-Theodor zu Guttenberg ist seinen Doktor jur. los. Das ist angemessen. Sein Amt soll er behalten.“

Man darf sich wohl schon auf eine Buchvorstellung mit anderen bekennenden Glaubensmenschen aus dem Medienzirkus freuen, vielleicht mit Matthias Matussek, dem „katholischen Abenteurer“, der mit dem Autorenduo, wie in seinem letzten eigenen Buch bereits als Solosänger praktiziert, ein Loblied auf den Zölibat anstimmen könnte. Oder mit Thomas Gottschalk, der ihnen auf offener Bühne das „Credo in Deum“, das von ihm jüngst im SPIEGEL aufgesagte katholische Glaubensbekenntnis, natürlich auf Latein, abringt. Immerhin, von einem anderen Medienprofi ist in Glaubensdingen nichts bekannt und dessen Teilnahme also vorerst nicht zu befürchten, allerdings gemahnen Physiognomie und Frisur des mittlerweile gel- und brillenlosen, im Exil auch etwas fülliger gewordenen Barons nun erstaunlich stark an den leibhaftigen Dieter Bohlen.

Als Jurist, der selbst schon wegen einer vergleichsweisen Nichtigkeit vor dem Strafrichter stand, erstaunte die Zuversicht, mit der Karl-Theodor zu Guttenberg schon jetzt am Fortgang seiner Karriere bastelte. Denn nicht anders wird man den ersten Teil des Titels seines Buchs verstehen dürfen. Noch bevor die zuständige Staatsanwaltschaft Hof überhaupt entschieden hatte, wie sie mit der eigentlich unumgänglichen Anklage wegen vorsätzlicher Urheberrechtsverletzung umgehen wird, leitete der Baron sein Comeback ein. Wie die Faust aufs Auge kommt nun eben auch noch die Meldung, zu einem von Autoren und Verlag nicht schöner zu erträumenderen Zeitpunkt, dass die Ermittlungsbehörde das Verfahren gegen den Plagiator eingestellt hat. Einzige Auflage: Guttenberg muss 20.000 Euro seiner Portokasse entnehmen und an die Deutsche Kinderkrebshilfe zahlen. Ein schönes Beispiel dafür, dass ein fester Glaube und vielleicht noch festere Beziehungen nach ganz oben manchmal wahre Wunder wirken.

Allen Skeptikern oder Agnostikern aber hilft nur noch der Hinweis auf ein anderes Buch zum Thema, aus dem nicht ganz so katholischen Gütersloher Verlagshaus: Guttenbergs Fall – Der Skandal und seine Folgen für Politik und Gesellschaft von dem SZ-Enthüllungsduo, das den Skandal um Guttenberg damals aufgedeckt hatte, Roland Preuß und Tanjev Schultz.

Rainer Dresen, Dresen-Kolumne@freenet.de, 46, arbeitet als Rechtsanwalt und Verlagsjustiziar in München auf dem Gebiet des Urheber- und Medienrechts. In seiner Freizeit schreibt er gerne selbst Juristen- und Yogabücher (Kein Alkohol für Fische unter 16; Beim ersten Om wird alles anders). Zur letzten Kolumne: Medien-Tsunami über Deutschland? Mit welchen Tricks ein Medienmanager versucht, sein Skandalbuch zu vermarkten [mehr…].

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