Liebe Freunde,
vergessen Sie, was ich gestern über den Verlust der CosPlayer schrieb. Denn heute waren sie da.
Heute war der erste der beiden Publikumstage, und während Sie das lesen, hat für Sie bereits der letzte Messetag 2015 begonnen.
Es war auch heute wieder eine schöne Messe, aber das schreibe ich immer, weil sich meine Arbeit nicht wie Arbeit anfühlt, und weil ich nicht die leiseste Ahnung habe, was all die anderen Leute wirklich auf dieser Messe machen.
Es war mancherorts sehr voll, aber das kann man umgehen. Falls man nicht gerade auf eine Frauentoilette will. Dann kann man gar nichts umgehen. Herr Boos, verdoppeln Sie die Kapazitäten der fraulich zugeordneten Sanitäranlagen. Notdurftschlangestehen ist nicht akzeptabel.
So langsam weiß ich auch nicht mehr, welcher Tag heute ist. Also ich weiß es schon, aber es fühlt sich beileibe nicht so an. Ich erinnere mich der Frage des Journalisten, warum die Messe nicht 10 oder 14 Tage dauere. Man bringe mir jetzt bitte diesen Journalisten, damit ich ihm meiner müden Füße Antwort ins Gesicht tanzen kann.
Aber dennoch: Ich freue mich auf den letzten Tag und darauf, Ihnen meinen Samstag aufzubereiten. Es ist der Tag mit den Ohren.
(Ich trage am Wochenende immer Ohren.)
(Sie werden auf den Fotos sehen, was ich meine.)
KEINE KATZENBERGER
Ich versuchte, Daniela Katzenberger beim Plassen-Verlag zu sehen, weil Vielflieger-Verleger Felix Busse ihr ein Babybuch überreichen wollte. Aber da war es so voll, dass er ihr höchstens eines hinüberwerfen hätte können.
Da sind wir stattdessen was essen gegangen, und dann hat er das Buch eben mir geschenkt.
DAS BLAUE SOFA
Natürlich darf ich das auf keiner Messe vergessen: Meine Aufwartung beim Blauen Sofa, das Club Bertelsmann und das ZDF täglich mit Autoren polstern. Christiane Munsberg lädt mich in den Pausenraum ein, wo ich Faxen mache anstatt über Kultur zu plaudern.
Und da sind auch die Ohren, von denen ich sprach!
Wir begrüßen Ulrich Wickert, einen bekannten Rentner, der gleich mit ein paar Shooting Stars der Krimi-Szene ein Speed Dating macht.
Speed Dating heißt, dass jeder nur wenige Minuten Zeit hat, sein Buch vorzustellen, und dann kommt der nächste dran. Und es heißt, dass man dabei nicht auf dem Sofa sitzt, sondern davor.
Und ich muss sagen: Frau Munsbergs Brille oder Frau Munsbergs Handy brauchen dringend ein Update.
ASTERIX-QUIZ
Das Lesezelt war voll bis auf den letzten Platz, als Spaßvogel Michael Kessler für Egmont das Asterixquiz moderierte.
Allerdings waren die ersten Fragen ziemlich enttäuschend. Selbst, wenn sich das Quiz an Kinder richtet, verliert man bei zu schwachen Fragen das Interesse. Wie die Frage nach dem Namen des Hundes, des Druiden oder der Leibspeise Obelixens.
SACHEN, DIE ICH Aß
Da wäre zunächst einmal der Flammlachs. Teuer, gesund und sehr, sehr lecker.
Dann wäre da die Brezel, die Frau Ebeling hier extra per Flugzeug einkauft, weil die Engländer keine anständige Brezel backen können. Frau Ebeling wohnt jetzt in England. Früher wohnte sie bei Eichborn.
Und weil die Engländer auch keinen Kaffee kochen können, trinken wir gleich noch einen schönen Espresso im Zelt bei Kein & Aber, wo Katharina Blansjaar aus ihrem Buch der modischen Legenden vorträgt.
Die wichtigste Mahlzeit dieses Tages bleibt aber kein Gourmet-Essen, das ich mir irgendwo erschleiche, sondern einfach nur ein paar Teller mit Baguette, Olivenpaste und Paté de Foie Gras.
Denn das wird das Beißerl sein zum späten Whisky-Abend. Aber davon weiter unten.
Das Thema „Essen“ schließe ich ab mit dieser Sau:
Sie heißt „Limes“, aber nicht wie der Mathematische Limes, sondern wie der englische Plural für „Limone“. Und sie steht für die Bloggerin Silke Brachmann, die mich für diese Meldung in ihren Blog einbaut. Gegenseitiges Bebloggen, gibt es dafür ein Wort? Blogoggen? Blelfie?
Jedenfalls begegne ich dieser Sau, also der aus Stoff, bei Random House, wo ich auf Kolja Kleeberg warte, was für mich noch prima unter die Rubrik „Essen“ fällt, obwohl ich Herrn Kleeberg nicht gegessen habe.
Der nahbare Berliner Launekoch hat ein neues Kochbuch, und er hatte 15 Minuten Zeit für BuchMarkt!
BuchMarkt: Wie macht man ein Kochbuch? Sie kochen etwas wie immer, nur steht dann ein Fotograf mit daneben?
Kolja Kleeberg: Ich denke, das ist wie bei einem Theaterstück oder einem Roman: Zuerst muss die Grundidee da sein. Damit es nicht einfach nur das nächste Kochbuch ist, braucht es ein Thema. Bei diesem Buch war der Arbeitstitel „Frag Kolja“.
Wie kam es zu dieser Idee?
Die Idee ist entstanden, indem immer wieder Menschen mit Fragen auf mich zugingen. „Ach, Herr Kleeberg! Wo ich Sie grad sehe…“ Offensichtlich habe ich etwas Nahbares. Die Leute kommen jedenfalls gerne auf mich zu und fragen mich. „Mir ist da gestern was daneben gegangen, ich hab das und das gemacht. Was habe ich falsch gemacht?“ Und dann beantworte ich die Frage.
Das liegt Ihnen?
Meine Eltern waren beide Pädagogen, und das scheine ich von beiden geerbt zu haben. Ich bringe gerne bei. Ich gebe gerne etwas weiter, das ich weiß.
Und wenn Sie etwas nicht wissen?
Das ist ja noch besser, auf eine Frage hin erst mal nachzudenken und erst mal in mir sebst weiterzulernen, bevor ich sie beantworten kann. Und dieses Buch ist quasi eine Sammlung gestellter (und nicht gestellter) Fragen und Antworten dazu.
Wird auf Kochbuchfotos viel getrickst, wie es ja in der Werbung oft gemacht werden muss?
Nein, gar nicht. Die Gerichte sind alle genau so fotografiert worden, wie sie auf den Teller kamen. Die Sachen auf den Fotos sind noch warm! Und die wurden auch danach alle aufgegessen. Das habe ich von Ecki Witzigmann gelernt: Ein Gericht, das man nicht essen kann, braucht man auch nicht zu fotografieren.
Du wolltest eigentlich Schauspieler werden?
Obwohl ich schon als Kind in der Küche meiner Mutter geholfen habe, war mein Berufswunsch Schauspieler oder Sänger. Ich habe tatsächlich auch am Theater gearbeitet.
Und dabei blieb es nicht, weil…?
Wenn man dann erst mal in dieser Welt drin ist, dann merkt man, wie sehr man es völlig in den Dienst der Kunst stellen muss, ohne dabei Gewissheit zu haben, dass man damit jemals glücklich wird.
Naja, aber nicht jeder Koch wird ein Kleeberg. Gilt das nicht für jeden Beruf?
Ja, aber ich wäre sicher nur ein kleiner Schauspieler an einem kleinen Theater geblieben.
In welche Richtung wärst Du gegangen? Shakespeare oder Boulevard?
Komödiant. Ich wäre beim Boulevard gelandet.
Charleys Tante.
Ja!
Pension Schöller.
Ja! Ja! Harald Juhnke. Peter Alexander und solche Leute. Peter Ustinov.
Hast Du ein Lieblingskochbuch, das nicht von Dir ist?
Das ist „La Cuisine du marché“ von Paul Bocuse auf Französisch. Da schlage ich immer wieder nach. Das ist alte, klassische Grundlagenküche. Und wenn man Lust auf Seelenheil hat, dann kocht man solche Rezepte. Hase in Rotwein, Kaninchen in Weißwein. Es gibt eine schöne Übersetzung von Bernd Neuner-Duttenhofer.
Den hatte ich auch schon im Interview. Sehr lustig.
Das ist das Buch, für das ich alle anderen liegen lassen würde.
Dein Lieblingsbuch als Kind?
Peterchens Mondfahrt. Die alte, illustrierte Ausgabe.
Meine letzte Frage –
…und der kleine Häwelmann.
Schön! Meine letzte Frage –
…und auch Tomte Tummetott!
Lindgren. Oh ja. Meine letzte Frage –
Mein Vater hat nämlich während des Krieges in Stockholm gelebt.
Das Buch, das Du nie zu Ende gelesen hast?
Ulysses. Ich musste einen Artikel schreiben. Der Stern wünschte sich zum Bloomsday Rezepte, die auf dem Buch basieren. Und da dachte ich, na klar, dann lese ich das und arbeite die Rezepte heraus. Der Anfang ging ja noch. Da wird eine Schweineniere gebraten. Aber das ganze Buch habe ich nicht hinbekommen. Ich musste dann mit Sekundärliteratur arbeiten. Aber ich habe mich nicht mit fremden Federn geschmückt und meine Quellen genannt.
Vielen Dank für dieses Gespräch!
ANDERE MENSCHEN, die ich traf:
Es gibt eine Bande Teenager, die ich hier vor ein paar Jahren mal zum Lachen brachte. Wahrscheinlich wegen der Ohren. Als sie mich das zweite mal trafen, waren sie bereits Fans, und nun laufen wir uns endlich wieder über den Weg! Die werden sich sicher mal zu prächtigen, erwachsenen Stalkern entwickeln.
Überhaupt ist der Bereich vor Halle 3 so etwas wie die kleine Agora auf der Agora. Wahrscheinlich weil man hier nicht überfahren werden kann.
Hier sieht man zum Beispiel La Sawatzki in Eile, weil dann ihre Haare besonders vorteilhaft wehen:
Oder man trifft mich, wie ich freundliche Damen fotobombe:
Oder man trifft Markus Heitz, die Genre-Superwaffe bei Droemer Knaur und Piper, immer gut für ein Späßchen mit dem Messe-Mayer:
Das Lesezelt ist schon wieder voll, und diesmal ist es Derek Landy, der die Massen anlockt. Und zurecht: Der spaßige Ire, der den toten Detektiv Skulduggery Pleasant erfunden hat, holt mit jeder Antwort im Gespräch Lacher heraus.
„Sind Sie jetzt reich?“
„Yes. Yeah, I’m rich now. Boy, I’m really rich.“
Und so weiter.
Bei Herder habe ich Dr. Ruth Westheimer vor einer Fernseh-Aufnahme fotografieren dürfen. Der Auftritt war nicht angekündigt, es gab also keine Menschenmassen, daher hatte ich Glück und Zugang. (Glück und Zugang hatte ich wiederum Dank Frau Riegel.)
Leider blieb ansonsten keine Zeit. Wenn erst mal die Kameras aus sind, ist diese Frau wahnsinnig spaßig und närrisch, aber ich musste leider weiter.
„Närrisch“ mag ein gutes Stichwort sein: Mike Krüger ist auf dieser Messe, denn er hat bei Piper sein Buch „Mein Gott, Walther“ herausgebracht. Am Stand der Süddeutschen Zeitung ist er im Interview. Diesmal umgehe ich die Menschenmasse, indem ich Dank meiner Öhrchen Zutritt zum Informationsschalter erschnurre und erschmuse.
(Wenn Sie diesen Satz verstehen, dann haben Sie das richtige Alter für diesen Satz.)
Eine andere Ikone deutschen Humorbedienens entdecke ich mehr zufällig in der Wanddekoration der Süddeutschen. Schauen Sie mal, ob Sie ihn finden.
Das nächste Interview, das ich nach der Messe nachreichen muss: Maite Kelly und Britta Sabbag!
In völliger Hast und Eile, aber mit sehr viel Spaß und quirliger Chemie – nein, halt, das klingt ja wie im Labor. Also mit sehr viel Spaß hatten wir auch in Zeitdruck ein inniges Interview miteinander.
Bei ars Edition haben die beiden zusammen mit Joelle Tourlonias ein Kinderbuch herausgebracht. Über „Die kleine Hummel“ und die Arbeit an Band 2 werde ich also noch berichten.
ABSCHLUSS
Auch diesen Tag hätten wir also geschafft.
Was wir uns in Leipzig zur Erlösung vorgenommen haben – gemeinsam eine Flasche Wochenend-Whisky kreisen zu lassen – habe ich auch für Frankfurt angeregt.
Und das wurde fast viral: Am Ende des Tages fand sich eine rolltreppenflashmobgroße Gruppe ein, drei Tische in der Gourmet Gallery wurden zusammengerückt, Gänseleberpastete und Salzgebäck wurde aufgefahren, wir hatten echte Gläser!
Aus der einen Flasche Whisky wurden fünf und eine dazu mit Gin. Ich finde das ja etwas übertrieben. Aber es war schon ein wenig wie Weihnachten.
Auch freue ich mich, dass ich meinen medizinischen Berater, Dr. Johannes Monse im richtigen Ambiente konsultieren kann.
Auch hier ging es nicht um kosmetische Fragen.
Ihr seid meine Messe.
Aber irgendwann muss ich ja auch nach Hause torkeln und diesen wenig ambitionierten Text in die Tastatur gammeln. Naja, und ich denke, das ist jetzt.
Eigentlich bin ich ja in Eile, weil ich meinen Zug kriegen muss. Die Hallen sind nun leer, es ist spät, und ich komme ungehindert meiner Wege. Aber andererseits: Diese himmlische Ruhe!
Nun gut, weitergerannt. Diesen Zug kriege ich noch. Ab durch Halle 4. Huch, da sind ja auch noch welche. Ein versprengter Haufen milchgesichtiger junger Leute, die noch aufbleiben dürfen.
Als ich schon lange an ihnen vorbei bin, ruft einer von ihnen irgendwas Obszönes mit „Mayer“.
Ich schaue auf die Uhr: Das schaffe ich noch. Bleibe stehen, drehe mich um, knalle einen von ihnen ab.
Die jungen Leute rufen: „Wir haben Bier!“
Ich antworte: „Ich habe Scotch!“
Ich trete näher. Blicke in staunende Gesichter. „Scotch! Er ist es wirklich!“
Die jungen Leute stellen sich als die Hot Spot Netzwerk Dingsbums Group Orbanism Space heraus! Das darf doch nicht wahr sein! Am vorletzten Tag der Messe, kurz bevor mein vorletzter Zug fährt, lerne ich also endlich Leander Wattig kennen! Dann kann ich ihn endlich für den Namen „Orbanism Space“ ohrfeigen.
Leider war es der, den ich abgeknallt hatte.
Haha, nein, das war nur ein schlichter Scherz. Tatsächlich ist bei all dem niemand zu Schaden gekommen.
Leander Wattig ist der Mann links von mir, blaues T-Shirt, Brille, rote Striemen auf der Wange.
Ich wünsche Ihnen einen guten Sonntag, eine gute Heimreise und viel Spaß bei meinem letzten Bericht.
Herzlichst,
Ihr und Euer
Matthias Mayer
zur gestrigen Kolumne: [mehr…].
zu seinen früheren Kolumnen hier http://www.buchmarkt.de/content/kolumne.htm