Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen: Darf man erkennbar beschriebene Personen des öffentlichen Lebens in einem Roman eigentlich einfach so „ermorden“?

Ein unter Pseudonym auftretender Autor ließ eine nach Ansicht der Gerichte erkennbare Person des öffentlichen Lebens in seinem Roman zu Tode kommen. Diese Person ging gegen das Buch vor. Es wurde daraufhin durch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg verboten und durfte nicht mehr veröffentlicht und verbreitet werden, „so lange im Textteil die Planung und Ausführung der Tötung von Herrn X. dargestellt wird“. Denn dies sei „eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts“ X.’s, „die auch durch die Kunstfreiheit nicht zu rechtfertigen ist“. X., so die Begründung der Richter, werde in dem Roman zum bloßen Objekt degradiert und müsse dies nicht hinnehmen.

Der hier beschriebene Fall ereignete sich nicht im feuilletonistischen Sommerloch 2012, sondern bereits im Jahre 2004. Es ging auch nicht um einen angeblichen schwedischen Krimi, sondern um ein Buch mit dem Titel „Das Ende des Kanzlers – Der finale Rettungsschuss“. Geschrieben wurde das Werk auch nicht von einem der führenden Feuilletonisten des Landes, sondern von jemand mit dem nie gelüfteten Pseudonym Reinhard Liebermann. Bei diesem im Betzel Verlag erschienenen Roman ging es um einen Drogisten, dessen Laden aufgrund der wirtschaftlichen Lage in den finanziellen Ruin getrieben wurde, weshalb der Ladeninhaber vergebens versuchte, mit dem Bundeskanzler zu reden und deshalb frustriert den Regierungschef schließlich erschoss.

Obwohl sich der Verlag vor Gericht mit dem Hinweis verteidigte, dass X. im Buch eine fiktive Figur sei und gar nicht den Namen X. trage, wurde das Buch verboten. Die Richter hatten keinen Zweifel, dass der fiktive Bundeskanzler trotz des fiktiven Namens „Winzling“ und dessen laut Roman „nichtgefärbten Haaren“ als damaliger Bundeskanzler Schröder, der nicht eben als Riese und sehr für seine Klagefreude in Haarfragen bekannt war, erkennbar sei. Dies verletze das Persönlichkeitsrecht des realen Bundeskanzlers Schröder.

Zu einem Buchverbot wird es im Fall Steinfeld/Schirrmacher aber nicht kommen. Wie der SPIEGEL zu berichten weiß, hat der reale Frank Schirrmacher dem S. Fischer Verlag bereits signalisiert, dass er die Publikation nicht gestoppt sehen will. Deshalb wird die Causa wohl weiterhin und zur moderaten Erheiterung des Fachpublikums im Feuilleton (wenn auch unter vermutlich zähneknirschendem Ausschluss der irgendwie mitbetroffenen Zeitungen SZ, FAZ und FAS) und nicht im Gerichtssaal behandelt.

Übrigens, dies schon mal als Ankündigung für den S. Fischer Verlag und dessen Abteilung „Unverlangt eingesandte Manuskripte“: Mir kommt da eben die Idee, unter dem Pseudonym Urdvha Mukha Savanasana einen Yoga-Krimi zu schreiben, wie ihn die Welt noch nie gesehen hat. Der Romananfang steht schon. Der Rechtsanwalt, Nebenerwerbsschriftsteller und Yogapraktizierende Dr. No ist einer großen Verschwörung auf der Spur, derzufolge eine geheime Organisation darauf hin arbeitet, dass früher oder später jeder Mensch auf Erden einmal im Leben ein Yogastudio aufgesucht haben muss. Dr. No wusste nicht, worauf er sich da eingelassen hatte, als er seine Untersuchungen startete. Und so kam es, wie es kommen musste. Eines Tages wird er scheinbar leblos auf einer Yogamatte liegend aufgefunden, neben ihm ein durchgeschwitztes Handtuch und ein sehr verdächtig aussehendes, nämlich türkisfarbenes, Yogaklötzchen. Seine entzückenden Kolleginnen Yin & Yang beschlossen daraufhin umgehend, ihn zu rächen, verliebten sich aber beide in denselben Yogalehrer und wanderten mit diesem nach Ostpolen aus, um dort gemeinsam ein Yogastudio zu eröffnen.

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