Beckmann kommtiert Mit ihrem Buchbranchen-Kommentar auf Spiegel-Online ist Sibylle Berg im Abseits

Man darf, man kann, man muss Verleger und Buchhändler unter Lupe nehmen – Anlässe zur Kritik gibt es, leider, mehr als genug, nicht erst heute. Und es ist ja, immerhin, auch nicht ganz falsch, wenn Sibylle Berg „den Buchmarkt“ aufs Korn nimmt in ihrer S.P.O.N.-Kolumne auf Spiegel Online, weil er von der goldenen Vergangenheit träumt, die Zukunft fürchtet, darum Möglichkeiten verschläft, welche ihm die Gegenwart bietet – und jammert, wenn er einen Zug der Zeit verpasst.

„Amazon. Wääh bähh. Amazon. Der Feind. Offene Briefe schreiben. Amazon-Schilder verbrennen auf öffentlichen Plätzen. Texte über den Untergang des Kulturguts Buch verfassen, weinen. Und weitermachen wie bisher…“, spottet die Romanschriftstellerin, Bühnenautorin, Essayistin und Theaterregisseurin Sibylle Berg. Und damit mag sie, wie gesagt, nicht ganz unrecht haben, wenngleich andererseits sie selbst einiges verschlafen haben dürfte; denn „der Buchmarkt“ versucht inzwischen so manches, um sich gegen Amazon zu behaupten – libreka! beispielsweise. Oder den Tolino… Sei’s drum.

Aber – und darauf kommt’s an – was empfiehlt sie unseren Verlegern und Buchhändlern zur Sicherung der Zukunft? Sie rät der Buchbranche offenbar dazu, aufs E-Book zu setzen „und zum Beispiel eine Gegenplattform zu gründen, an der alle deutschsprachigen Verlage beteiligt sind“. Es wäre wirklich sehr zu wünschen, dass möglichst viele unserer Autorinnen und Autoren sich an der Diskussion um die Zukunft des Buches beteiligen – Schriftsteller, die jedoch meinen, man könne die revolutionäre Grundidee und die technologischen Durchbrüche eines IT-Konzerns wie Amazon einfach plagiieren, die Arbeit von genialen, getriebenen Ausnahme-Unternehmern wie Jeff Bezos oder Steve Jobs (bei Apple) durch konsensual operierende Branchenkomitees verrichten lassen, deutsche Riesenkapitalgeber finden, die – wie die Wall Street – in Erwartung versprochener hoher Gewinne jahrzehntelang auf Renditen verzichten und in Deutschland mit skrupellos mit Gesetzes-, Regel- und Steuerumgehungen zu reüssieren wie Amazon, Faceboook etc: Solche Schriftsteller täten gut daran, sich aufs Märchenerzählen zu beschränken.

Mag sein, dass Sibylle Berg mit ihrer steilen These recht hat: „Die Zukunft, vor der wir gewarnt wurden, ist da, die Buchbranche woanders.“ Wo aber ist Frau Berg? „Auch in zehn Jahren“, schreibt sie, „wollen Menschen noch Bücher lesen, in welcher Form, ist doch vollkommen egal.“

Anders als Sibylle Berg gehen amerikanische und britische Schriftsteller in ihrem Einsatz für das gedruckte Buch auf die Barrikaden. Sie sind fest überzeugt, dass die Zukunft des Buches von einer Infrastruktur mit Buchhändlern und Verlagen abhängt, die Amazon zu zerstören sucht. Sie sehen, dass Silikon Valley die besondere Existenzgrundlage der Autoren untergräbt: das Urheberrecht.

Hierzulande haben informierte Zeitgenossen zumindest das Buch Wem gehört die Zukunft? von Jaron Lanier gelesen, dem im Oktober der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen wird. Diesem kritischen IT-Pionier zufolge könnte das perspektivisch fehlangelegte Internet nicht nur zum Kollaps der Kultur, sondern zum Zusammenbruch der gesamten Wirtschaft führen. Wie mittlerweile viele andere meint auch er, zur Verhinderung solcher Entwicklung bedürfe es dringend politischer Korrekturen. Wie verschlafen aber – auf politisch inkompetente Weise komplett von der Rolle – die EU ist, das hat Georg Schrems in seinem eben erschienenen fulminanten Werk Kämpf um deine Daten (edition a) geschildert, das auch von Amazon handelt. Der junge österreichische Jurist und Aktivist ist zudem ein hervorragender Schriftsteller.

Es ist interessant, dass solcher Kommentar einer deutschsprachigen Autorin auf Spiegel-Online erschienen ist. Es ist gut, dass BuchMarkt-Online ihren Text speziell der Branche vorgestellt hat – damit man sieht, dass eine prominente geschätzte Schriftstellerin, die, bei berechtigter Oberflächenkritik am „Buchmarkt“, Verlage und Buchhändler beschuldigt, ohne Kurs auf die Zukunft zu sein, selbst auf dem falschen Dampfer sitzen kann, wenn sie nicht über seinen Tellerrand sieht.

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