KrimiBestenliste Die KrimiBestenliste vom Januar hier zum Ausdrucken

Ab Januar wird die von Tobias Gohlis begründete KrimiBestenliste von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Deutschlandradio Kultur herausgegeben.

Die KrimiBestenliste erscheint wie immer am Anfang des Monats am ersten Sonntag: gedruckt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und besprochen bei Deutschlandradio Kultur. Online steht die Liste unter www.faz.net/krimibestenliste und www.deutschlandradiokultur.de/krimibestenliste – hier können Sie das PDF downloaden und ausdrucken: krimibestenliste-januar.

An der Spitze der KrimiBestenliste Januar 2017 erstmals auf Platz 1:

  • Bogmail von Patrick McGinley (original 1978: Bogmail) bei Steidl

Über Patrick McGinley, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen deutsch-irischen Autor und Regisseur Jahrgang 1977, sind die verfügbaren Daten rar. Er wurde 1937 in Glencolmcille, Donegal, geboren, arbeitete als Lehrer, übersiedelte nach Kent, wo er als Autor und Verleger tätig ist. Bogmail, 1978 erstmals und 2013 erneut in der Reihe Modern Irish Classics veröffentlicht, ist sein spätes, aufregendes Debüt auf dem deutschen Markt.

Ex-Priester und Kneipier Roarty hat seinen Kellner erschlagen, im Moor verbuddelt und fühlt sich besser, der Mord scheint perfekt. Doch dann erhält er Bogmails (ein Neologismus aus Bog = Moor und blackmail = Erpressung). Der bisher friedliche Zusammenhalt gebildeter oder gehobener Schwätzer an seinem Tresen verwandelt sich in einen Hobbes’schen Krieg aller gegen alle, verschärft durch Streitereien um Religion, Ritus, Grundstücke und den englisch-irischen Konflikt. Der aber gleichzeitig im traulichen Gespräch whiskey-liebender Männer auch wieder in Phasen angetrunkenen Waffenstillstands umschlägt.

„Eine Perle“ habe der Steidl-Verlag mit diesem Text ausgegraben, schwärmt Sylvia Staude. Und Steidl hat eine reizvolle Revision der Paratexte vorgenommen. Statt „Kriminalroman“ nennt der Verlag Bogmail einen „Roman mit Mörder“ – Vorbild für alle Klappentexter, die literarische Qualität in den Vordergrund rücken möchten.

Neu auf der Krimibestenliste Januar sind fünf Titel. Insgesamt sind es diesmal 1 irischer, 1 englischer , 1 amerikanischer, 1 italienischer und 1 deutscher. Mit zusammen 2511 Seiten.

Neu sind:

  • Auf Platz 4: Gefrorener Schrei von Tana French (original 2016: The Trespasser) bei Scherz

Es kommt nicht so häufig vor, dass ein neuer Titel sowohl auf der Krimibestenliste als auch auf der Spiegelbestsellerliste zu finden ist. Aber die 1973 geborene Irin Tana French ist ein literarisches Phänomen: Ihr neuer Roman Gefrorener Schrei trifft einen breiten Publikumsgeschmack und lässt auch die Kritikerherzen höher schlagen.

French schafft es, in jedem ihrer bisher sechs Romane Milieu, Tonlage, Atmosphäre, Stil und Entwicklung der Handlung zu variieren. Zugleich flicht sie ein komplexes Netz von Figuren aus dem Polizeiapparat. Detective Frank Mackey beispielsweise spielt in Sterbenskalt, Totengleich und Geheimer Ort sehr unterschiedlich akzentuierte Rollen. Das Ermittlerpaar Antoinette Conway und Stephen Moran kennen French-Leser aus dem vorausgegangenen Roman Geheimer Ort – allerdings mit vertauschten Rollen: In Gefrorener Schrei ist Conway die Ich-Erzählerin. Und der Mythos von der Mordkommission als Artusrunde der Kripo, dem Frenchs Helden vom ersten Roman Grabesgrün an nachträumen, wird in Gefrorener Schrei nachhaltig erschüttert.

Hier geht es vordergründig um den scheinbar schnell aufklärbaren Mord an einer jungen Frau, hintergründig aber um den Ehrbegriff der Polizei – all dies in wahrhaft sophistischen Wendungen von Verhören und Dialogen durchgespielt und aufgeklärt.

„Es geht um den Geruch von ‚Schweiß und Tränen‘ in den Vernehmungszimmern, um das verräterische Flackern im Blick eines Zeugen und um die schmutzigen Tricks, mit denen die Polizisten den Verdächtigen Rory Fallon aus dem Gleichgewicht bringen wollen – psychologische Nahkampfwaffen, die Conway und ihre Kollegen in einem letzten, großen Verhör gegeneinander in Stellung bringen: Spannungsliteratur im Kammerspielformat!“ (Kolja Mensing, Deutschlandradio Kultur)

„In den bisher sechs Romanen Frenchs steht nicht die Psyche der Täter im Mittelpunkt, sondern die der Ermittler. Sie sind, das bringt ihr Job mit sich, Taktierer und Täuscher – günstigenfalls im Dienst der Wahrheit. Aber es ist klar, dass dies weder im wahren Leben noch in Tana Frenchs feingehäkelten Kriminalgeschichten durchweg so ist.“ (Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau)

  • Auf Platz 6: IQ von Joe Ide (original 2016: IQ) bei Suhrkamp

Joe Ides Detektivroman IQ war 2016 in den USA der Senkrechtstarter des Jahres. Lob von Los Angeles Times bis New York Times für ein fulminantes Debüt. IQ ist das Kürzel für Isaiah Quintabe und zugleich Ausdruck der Anerkennung: In seinem Viertel ist keiner schlauer als der Waisenjunge asiatischer Abstammung, der nach einer kurzen Verbrecherkarriere als eine Mischung von Streetworker und Privatdetektiv in der neighbourhood für good vibrations sorgt. Aus der Jugendzeit ist er in Hassliebe mit einem nervigen Watson verbunden: Der Kleinkriminelle Dodson quatscht ihm einen Auftrag auf, der endlich mal Geld bringen soll. IQ soll den Rapper Black the Knife vor mörderischen Anschlägen schützen. Das konfrontiert ihn mit einer kalifornischen Ausgabe des Hunds von Baskerville, den Nervenkrisen eines überforderten Sensibelchens und den durchgeknallten Intrigen der Rapper-Medien-Musik-Industrie.In dem wunderbar hip-hoppigen Deutsch von Conny Lösch macht IQ einfach richtig Spaß.

  • Auf Platz 8: Lautlose Nacht von Rosamund Lupton (original 2015: The Quality of Silence) bei dtv

Eine Mutter, die ihrem Mann misstraut und ihn eigentlich verlassen will, eine gehörlose zehnjährige Tochter, die fest an ihren Vater glaubt: heftiger könnte das emotionale Setting dieses Alaska-Thrillers kaum ausfallen. Trotz Misstrauen und Eifersucht will Yasmin aber nicht glauben, dass ihr Mann Matt, erfahrener Tierphotograph, beim Brand eines Inuit-Dorfes umgekommen sein soll. Im Vertrauen, er sei der einzige Überlebende der Katastrophe und benötige ihre Hilfe, übernimmt die Arktis-unerfahrene Astronomin einen Riesen-LKW, überlebt Unfälle, Schneesturm, 50 Minusgrade und Beinahe-Ertrinken, Ruby immer an der Seite. Ihrer beider Liebe triumphiert, wie kaum anders zu erwarten. Trotzdem endet das Abenteuer tragisch.

  • Auf Platz 9: Eiskalter Süden von Nicola Lagioia (original 2014: la ferocia) bei Secession

In seinem vierten Roman geht der 1973 in Bari geborene Nicola Lagioia aufs Ganze. Alles, was miserabel in Italien ist, wird in diesem gnadenlos sezierenden, superklugen Roman aufgespießt: die brutale Umweltzerstörung und Menschenvergiftung einer profitbesessenen Industrie, die Pest unkontrollierter Schwarzbauten, das mafiose Schweigen und der patriarchale Sexismus. Doch alle diese hinreichend erörterten Reste einer frühmodernen Gewaltgesellschaft spielen eher nur mit, im Zentrum steht das Heiligste: la familia. „In Italien ist die Familie heilig. Für gewöhnlich ziehen die Leute es vor, sich von ihr zerstören zu lassen,“ spöttelt der Journalist Sangirardi, einer der wenigen aufrechten Charaktere, wohl wissend, dass der uneheliche Sohn Michele beinahe selbst zum Opfer der Unternehmerfamilie Salvemini geworden wäre. Wie seine Schwester Clara, die eines Nachts blutüberströmt und nackend auf die Straße läuft und von einem LKW überfahren wird. Doch sogar ihren Tod versucht ihr Vater, der Bauunternehmer Vittorio, für die Rettung seines Unternehmens auszuschlachten, indem er ihn als Selbstmord kaschiert.

„Lagioia schreibt in der Tradition Leonardo Sciascias, der als erster eine Sprache für das Unausgesprochene fand, das die Geschäfts- und Verhaltensregeln zwischen Unterwelt und Oberwelt bestimmt. Lagioia erweitert diese Sprache des Schweigens um die Dimension der psychischen Mechanismen. Eiskalter Süden ist eine Naturkunde des Verbrechens, komplex, barock und unergründlich, 2015 ausgezeichnet mit dem wichtigsten italienischen Literaturpreis, dem Premio Strega.“ (Tobias Gohlis, Die ZEIT)

  • Auf Platz 10: Lunapark von Volker Kutscher bei KiWi

Der Lunapark, der heute nicht mehr existiert, diente 1934 einer Gruppe von Kommunisten und anderer Untergetauchter als Versteck. Volker Kutscher lässt seinen sechsten Roman um den aus Köln stammenden Kommissar Gereon Rath in einem der kritischsten Momente der NS-Herrschaft spielen. Auf über zwei Millionen Mitglieder war die SA, die als Truppe von Schlägern die Straßen und Kneipen der Weimarer Republik von Roten und Demokraten gesäubert hatte, angewachsen. Zu mächtig und unkontrollierbar schien Hitler und Himmler dieser Machtapparat. Deshalb behaupteten sie und ihre SS, der schwule SA-Führer Röhm habe putschen wollen, und liquidierten in einer Nacht- und Nebelaktion die SA-Führung und etliche andere unliebsame Politiker. Das ist der historische Hintergrund und Zielpunkt des Geschehens, vor dem Gereon Rath eine Mordserie gegen besonders üble SA-Schlächter aufklären soll. Er selbst wird von der Gestapo und einem immer noch mächtigen Gangster bedrängt, sein Ziehsohn Fritze denunziert ihn beinahe und Gattin Charly geht wie immer eigene idealistische Gutmenschenwege. Zu viel für einen schwachen Mann und opportunistischen Beamten.

„Es kann keinen Helden geben in diesem Drama. Alle machen sich schuldig. Alle werden schmutzig vom braunen Dreck. Werden immer tiefer hineingezogen. Man kann sich da nicht wegducken, auch Gereon wird es nicht können. Wer durchkommen will, fährt gegen die Wand. Wenn schon nicht direkt, dann doch moralisch. Und vor der Geschichte. Lunapark ist schon eine ganz schön gespenstische Lektüre.“ (Elmar Krekeler, Die WELT)

Die Dauerchampions: Zum vierten Mal steht Malla Nunn mit Zeit der Finsternis (Argument) auf der Krimibestenliste. Zum dritten Mal ist Franz Dobler mit ein Schlag ins Gesicht (Tropen) dabei.

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