KrimiBestenliste Die KrimiBestenliste im Februar hier zum Ausdrucken: Auf Platz 1 Tana French

F.A.S. und Deutschlandradio Kultur präsentieren die besten Krimis: Im Februar geht es unter anderem nach Kapstadt, Dublin und an die Nordseeküste.

17-02-Krimibestenliste-Februar Kopie

  1. Tana French Gefrorener Schrei Fischer Scherz
  2. Jerome Charyn Winterwarnung Diaphanes
  3. Paul Mendelson Die Straße ins Dunkel Rowohlt
  4. Liza Cody Miss Terry Ariadne
  5. André Pilz Der anatolische Panther Haymon
  6. Bernhard Aichner Totenrausch btb
  7. Patrick McGinley Bogmail Steidl
  8. Joe Ide IQ Suhrkamp
  9. Mark Douglas-Home Sea Detective – Ein Grab in den Wellen Rowohlt
  10. Les Edgerton Der Vergewaltiger Pulpmaster

An der Spitze der Krimibestenliste Februar 2017 auf Platz 1:

  • Gefrorener Schrei von Tana French (original 2016: The Trespasser)

Es kommt nicht so häufig vor, dass ein neuer Titel sowohl auf der Krimibestenliste als auch auf der Spiegelbestsellerliste zu finden ist. Aber die 1973 geborene Irin Tana French ist ein literarisches Phänomen: Ihr neuer Roman Gefrorener Schrei trifft einen breiten Publikumsgeschmack und lässt auch die Kritikerherzen höher schlagen. French schafft es, in jedem ihrer bisher sechs Romane Milieu, Tonlage, Atmosphäre, Stil und Entwicklung der Handlung zu variieren. Zugleich flicht sie ein komplexes Netz von Figuren aus dem Polizeiapparat. Detective Frank Mackey beispielsweise spielt in Sterbenskalt, Totengleich und Geheimer Ort sehr unterschiedlich akzentuierte Rollen. Das Ermittlerpaar Antoinette Conway und Stephen Moran kennen French-Leser aus dem vorausgegangenen Roman Geheimer Ort – allerdings mit vertauschten Rollen: In Gefrorener Schrei ist Conway die Ich-Erzählerin. Und der Mythos von der Mordkommission als Artusrunde der Kripo, dem Frenchs Helden vom ersten Roman Grabesgrün an nachträumen, wird in Gefrorener Schrei nachhaltig erschüttert. Hier geht es vordergründig um den scheinbar schnell aufklärbaren Mord an einer jungen Frau, hintergründig aber um den Ehrbegriff der Polizei – all dies in wahrhaft sophistischen Wendungen von Verhören und Dialogen durchgespielt und aufgeklärt.

„Es geht um den Geruch von ‚Schweiß und Tränen‘ in den Vernehmungszimmern, um das verräterische Flackern im Blick eines Zeugen und um die schmutzigen Tricks, mit denen die Polizisten den Verdächtigen Rory Fallon aus dem Gleichgewicht bringen wollen – psychologische Nahkampfwaffen, die Conway und ihre Kollegen in einem letzten, großen Verhör gegeneinander in Stellung bringen: Spannungsliteratur im Kammerspielformat!“

(Kolja Mensing, Deutschlandradio Kultur)

„In den bisher sechs Romanen Frenchs steht nicht die Psyche der Täter im Mittelpunkt, sondern die der Ermittler. Sie sind, das bringt ihr Job mit sich, Taktierer und Täuscher – günstigenfalls im Dienst der Wahrheit. Aber es ist klar, dass dies weder im wahren Leben noch in Tana Frenchs feingehäkelten Kriminalgeschichten durchweg so ist.“

(Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau)

Neu auf der Krimibestenliste Februar sind sechs Titel. Insgesamt sind es diesmal 2 englische, 2 amerikanische, und 2 deutsche, beide österreichischen Ursprungs. Zusammen 2214 Seiten.

Neu sind:

  • Auf Platz 2: Winterwarnung von Jerome Charyn (original unveröffentlicht: Winterwarning)

Jerome Charyn, der im kommenden Mai 80 Jahre wird, blickt auf ein gewaltiges Werk zurück. Über 50 Romane und Sachbücher hat er verfasst. Doch als sein Originärstes sieht er den inzwischen auf 12 Romane angewachsenen Zyklus über sein Alter Ego, den Judenbengel Issa Sidel: „Sidels Stimme, selbst in der dritten Person, ist meine natürliche, meine persönlichste Stimme. Nur in diesen Büchern kann ich schreiben, was und wie ich will, ohne Vorschriften und Rücksichtnahmen und nur der Logik folgend, die ich im Kopf habe.“ (Interview mit Tobias Gohlis, Oktober 2013 )

Jetzt also Winterwarnung, der Roman der Stunde. Sidel ist POTUS, Präsident der Vereinigten Staaten. Und der ohnmächtigste Mann der Welt. Dass er die Armut abschaffen will, gefällt seinen Wählern, aber nicht seinen Feinden. Sein Stab behindert ihn. Die Millionäre und die russischen Gangster, die im Jahr 1989 auch auf der Suche nach neuen Tatorten sind, haben eine Todeslotterie gegen ihn in Gang gesetzt. Sidel muss alles mobilisieren, um sich zu wehren, seinen Charme, sein Charisma, seine paranoide Intuition, seine mörderischen Instinkte. „Der Magier“ Charyn verzaubert vom ersten Satz an. In diesem 12., den großartigsten Krimizyklus Amerikas abschließenden Roman, zeigt Charyn seine ganze Kunst.

„Ein Glücksfall ist das auch für Charyns Leser, denn Isaac Sidel, dieser heilige Irre, ist eine Figur, die die Hoffnung am Leben hält, dass die Welt nicht auf ihr Ende zurast, dass es Alternativen gibt zu den Trumps und Putins und Erdogans. Jerome Charyn jedenfalls glaubt an die Wirkmächtigkeit von Literatur und wird deshalb unermüdlich weiter schreiben.“ (Marcus Müntefering, Spiegel online)

„Winterwarnung ist kein Agenten-Thriller aus dem Präsidentenmilieu, sondern ein grandioses Werk Literatur, voller geheimer Verschwörungen, verblüffender Wendungen, obskurer Gestalten, deren obskurste eine gigantische weiße Katze ist, die am Ende dem Präsidenten überall hin folgt. Um die Realität schert sich Jerome Charyn einen Dreck. Gleichzeitig schildert er den mächtigsten Mann der Welt, liebevoll „Big Balls“ genannt, als eine arme Sau.“

(Andreas Ammer, BR)

PS: Charyns deutscher Verlag Diaphanes gibt alle Bände der Sidel-Saga, die zuvor zwischen 1975 und 2013 verstreut in verschiedenen Verlagen erschienen sind, neu heraus.

  • Auf Platz 3: Die Straße ins Dunkel von Paul Mendelson (original 2015: The Serpentine Road)

Die Unschuld stirbt, das Böse lebt (Krimibestenliste 2016) war Paul Mendelsons (*1965) Debüt als Kriminalschriftsteller, als Dramatiker und Spezialist für Poker und Bridge ist er dem englischen Publikum lange bekannt. Die Straße ins Dunkel, wieder mit Colonel Vaughn de Vries von der Special Crime Unit und als Sidekick Warrant Officer Don February, ist klarer strukturiert, der Fall aber nicht weniger vertrackt als im Erstling. Es geht um den Mord an einer reichen, liberalen Industriellentochter, der weitere Morde nach sich zieht, und parallel dazu um den Vernichtungsfeldzug gegen die Mitglieder einer Gruppe von Polizisten, die elf Jahre zuvor an einem Massaker an unschuldigen Schwarzen beteiligt waren. Mendelson hat Kapstadt als zweite Heimat gewählt, er schreibt aus der skeptischen Perspektive des engagierten Außenseiters.

  • Auf Platz 5: Der anatolische Panther von André Pilz

Der 1972 im Vorarlberg geborene André Pilz schreibt über die Leute, die er gut kennt: Hooligans, Vorstadtkrieger, Fußballfans. Sein Roman vom Deutschtürken Tarik, der ein guter Mann sein will, dem aber nichts recht gelingt und der deshalb statt Profi bei 1860 München und St.Pauli Kleindealer mit drei Jahren Bewährung geworden ist, steht mit beiden romantischen Beinen in diesem Milieu von guten Kumpels, netten Laberern. Wäre Tarik, 24 Jahre alt und noch kaum trocken hinter den Ohren, nicht so verzweifelt verknallt in seine schöne Nteba, die ihn gerade Richtung Kuba verlassen hat, hätte er sich der Erpressung durch den fanatisch antiislamistischen Polizisten Beer vielleicht nicht ergeben. So dringt er in die Moschee des vermutlichen Massenmörders ein, der sich „Derwisch“ nennt, und klaut dessen Kriegskasse. Auf der Flucht verletzt der Tollpatsch eine Polizistin, die ihn in einer engen Zugtoilette verhaften will, und gilt alsbald als „Terror-Tarik“.

„Impulsiv und unbefangen, erzählt André Pilz Tariks Geschichte, hoch engagiert, voller Kraft und Leidenschaft. Erzählen aus vollem Herzen, sozusagen. Das hat Ecken und Kanten und funktioniert nicht immer hundertprozentig astrein, grenzt sich aber angenehm ab von der wohltemperierten Bürgerliteratur, die man hierzulande in der Regel als „zeitgenössisch“ präsentiert bekommt. Insofern: Gewagt und auch gewonnen.“

(Ulrich Noller, WDR)

  • Auf Platz 6: Totenrausch von Bernhard Aichner

Der 1972 im Vorarlberg geborene Bernhard Aichner lebt in Innsbruck, nicht wie sein Landskamerad Pilz in München. Aichner ist Stilist, ein Designer rasanter Romane. Das kommt wohl daher, dass er zuvor sein Geld als Fotograf verdient und gelernt hat, die schöne Seite seiner Motive ins Bild rücken. Literarisch hat er einen Prozess der radikalen Vereinfachung hinter sich. Nach dem Start mit einem schwer gelobten Roman (Blau) hat er eine Serie geschrieben, in der eine vermutlich Vorarlberger Totengräberfamilie im Zentrum steht, die sich dem drohenden Bankrott durch allerlei Pfusch an der Leich zu entziehen weiß. Gezwungen zum bösen Tun ist dann auch die Totenfrau Brünhilde Blum in , deren Ehemann aus niederen Vertuschungsgründen vor den Augen der Schwangeren überfahren wurde. Rache ist angesagt, Vernichtung der hochstehenden Widerlinge – verdient haben sie es! Totenrausch ist der letzte Band der Trilogie, die zum größten kommerziellen Bucherfolg eines Österreichers in den letzten Jahren wurde.

Brünhilde taucht mit ihren beiden Mädels auf den Lofoten unter, begibt sich dann in helfenden Hände eines Hamburger Zuhälters und muss nun eine Lösung finden. Sie will ihr Versprechen, gegen Haus, Pass und Unterhalt für ihn zu morden (fünf Kerben hat sie schon im Sargdeckel) natürlich nicht einlösen, also zwingt er sie durch Entführung ihrer Kinder, also bleibt ihr kein anderer Ausweg, als weiter zu morden. Das nenne ich alternativlos. Für die Leser ist es das allemal, denn Aichner schreibt in einer hochemotionalen Kurzsatzraserei, der man sich schwer entziehen kann. Wer wissen will, wie man sich als Opfer eines Page-Turners fühlt, sollte Totenrausch lesen – ohne sich über die recht einfache Psychologie weiter Gedanken zu machen.

Elmar Krekeler (Die Welt) darüber, wie man Bestseller macht: „Mit einem fabelhaft gradlinigen, abgespeckten Plot, einer schlanken, aber konsequenten Psychologie, einem unverwechselbaren Klang, einem Dauerfeuer beinahe elliptischer Wortaneinanderreihungen, und mit dieser Frau, in die sich alle verliebten, obgleich sie so viele Fehler hat wie Aichners Sätze Löcher.“

  • Auf Platz 9: Sea Detective von Mark Douglas-Home (original 2015: The Sea Detective)

Mit der Figur des Mittzwanzigers, Doktoranden und Umweltaktivisten Cal hat der Journalist Mark Douglas-Home einen zeitgenössischen Nachfolger der küstenseefahrenden Helden von Bill Knox kreiert. Douglas-Home (*1951) entstammt dem schottischen Adel, hat bis zu seinem Rauswurf durch das Apartheid-Regime in Südafrika gelebt und war später Herausgeber des weit verbreiteten Herald. Eine der drei erkennbar auf Serie angelegten Hauptfiguren ist dementsprechend die nassforsche Investigativ-Klatsch-Journalistin Rosie Provan, die den beiden anderen, der schlauen, aber seelisch stark mit ihrem Übergewicht hadernden Detective Sergeant Helen Jamieson und dem Sea-Detective mal unterstützend in die Quere kommt, mal destruktiv hilft. Zwei Fälle haben Cal und Helen zu lösen. Der eine hat seine Wurzeln im indischen Madhya Pradesh unter den Bedia, die ihre jungen Mädchen in die Prostitution verkaufen. Zwei von ihnen gelangen nach Schottland, einer von ihnen gelingt es nach etlichen Jahren Sexsklaverei zu fliehen. Der andere reicht zurück in den Zweiten Weltkrieg, als Cals Großvater auf einem zum U-Bootjäger umgebauten Trawler kämpfte und unter mysteriösen Umständen umkam. Den Roten Faden bilden angeschwemmte Füße, deren Ursprung Cal, der Fachmann für Meeresströmungen, erschließen kann.

Fazit: Die Figuren haben Zukunft, die Atmosphäre von Highland und Küste ist gut eingefangen, die Fälle etwas willkürlich. Man darf auf die Fortsetzungen gespannt sein.

  • Auf Platz 10: Der Vergewaltiger von Les Edgerton (original 2013: The Rapist)

Wieder einmal eine Neuentdeckung von Frank Nowtzki: Leslie Edgerton, 1943 in Texas geboren, blickt auf eine wechselhafte Vergangenheit und inzwischen achtzehn Bücher zurück. Der Vergewaltiger ist eine seltsame, verstörende Lektüre, der Leser ist, sofern er sich auf die Umgarnungsversuche des Ich-Erzählers einlässt, Mitgefangener in der Todeszelle und seiner Suada. In der er seine erbärmliche Tat zu einer außergewöhnlichen Begebenheit seines Gentleman-Daseins hochjazzt.

In seinem lesenswerten Nachwort zieht Ekkehard Knörer, der in den Anfangsjahren Mitglied der Jury der Krimibestenliste war, Vergleiche zu Jim Thompsons Killer Inside Me. Mir stießen bei der Lektüre Parallelen zu Jack Londons Gefängnisroman Die Zwangsjacke auf: Der Text zieht dem Leser den Boden unter den Füßen weg, unklar, was Fantasie, was Realität ist.

Die Dauerchampions: Zum dritten Mal steht Liza Cody mit Miss Terry auf der Krimibestenliste (auf Platz 4).

 

Die Jury:

Tobias Gohlis, Sprecher der Jury  |  Volker Albers, „Hamburger Abendblatt“ | Andreas Ammer, „Druckfrisch“, BR | Gunter Blank, „Sonntagszeitung“ | Thekla Dannenberg, „Perlentaucher“ | Fritz Göttler, „Süddeutsche Zeitung“ | Jutta Günther, „Nordwestradio“ | Sonja Hartl, „Zeilenkino“, „Polar Noir“ | Hannes Hintermeier, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ | Peter Körte, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“| Elmar Krekeler, „Die Welt“ | Kolja Mensing, „Deutschlandradio Kultur“ | Marcus Müntefering, „Spiegel Online“, „Krimi-Welt“ | Ulrich Noller, „Deutsche Welle“, WDR | Frank Rumpel, SWR | Margarete von Schwarzkopf, Literaturkritikerin | Ingeborg Sperl, „Der Standard“ | Sylvia Staude, „Frankfurter Rundschau“ | Jochen Vogt, „NRZ“, „WAZ“.

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