Fragen an Rainer Dresen: „Wie bewerten Sie das Wanderhuren-Urteil?“

Rainer Dresen

Das Landgericht Düsseldorf hat, wie jetzt bekannt ist, den Buchtitel „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ untersagt hat [mehr…]. Allerdings dürfen die gedruckten Exemplare noch bis Ende September ausverkauft werden.

Weil Rainer Dresen erst kürzlich das bisherige Verfahren für uns kommentiert hatte [mehr…], haben wir ihn nach seiner aktuellen Einschätzung gefragt:

Eben wurde bekannt, dass das Landgericht Düsseldorf den Buchtitel „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ untersagt hat. Allerdings dürfen die gedruckten Exemplare noch bis Ende September ausverkauft werden. Was sagen Sie als „Wanderhure“-Kolumnist [mehr…] zum Urteil?

Rainer Dresen: Die Richter der Handelskammer sehen in der Droemer-„Wanderhure einen „bekannten Titel“ im Sinne des Gesetzes. Sie stellen weiter fest, was niemand bestritt, nämlich dass Voland & Quist mit ihrem Titel durchaus eine gedankliche Verknüpfung dazu beabsichtigt haben. Die wirklich interessante weil entscheidungserhebliche Frage, ob jene Benutzung durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt ist, wird vom Handels-Gericht allerdings nur oberflächlich geprüft. Sie wird dann lapidar damit bejaht, dass gegenüber der für Voland & Quist sprechenden Freiheit der Kunst den zugunsten Droemers heranzuziehenden, ebenfalls grundgesetzlich geschützten Eigentumsrechten am Titel der Vorrang gebiete.

Hat Sie das Urteil überrascht?

Die Entscheidung ist rechtlich gesehen nicht wirklich falsch.Ich meine aber, das Gericht hätte auch etwas kunstsinniger, also anders urteilen oder sich zumindest etwas mehr anstrengen können, wenn es schon meint, dem Eigentumsrecht von Droemer am Titel den Vorrang vor der, je nach Betrachter, mehr oder weniger kunstvollen satirischen Verfremdung durch Voland & Quist geben zu müssen. So sind dem Urteil zum Beispiel Ausführungen, welche konkreten negativen Auswirkungen vom Voland & Quist-Titel denn auf den Original-„Wanderhuren“-Titel zu befürchten sein sollen, außer in der Feststellung, dass es eben so ist, nicht zu entnehmen.

Es hat also auch nichts gebracht, dass Voland & Quist den Warnhinweis „Kein historischer Roman“ auf dem Cover angebracht hat?

Das scheint das Gericht nicht beeindruckt zu haben. Im Urteil findet sich dazu jedenfalls kein Wort. Stattdessen meint das Gericht doch tatsächlich, befürchten zu müssen, „ dass der Verkehr, der sich nicht mit dem Inhalt des Werks beschäftigt hat, den Titel wörtlich nimmt und tatsächlich davon ausgeht, er diene der Kennzeichnung eines Werks, welches sich auf der Grundlage der bei Droemer verlegten Romane mit der Beschreibung von Wanderwegen befasse, zumal die Titelfigur als „Wanderhure“ umherzieht.“

Das verstehe ich nicht so recht…

Mit Verlaub, wenn man das liest, ist man versucht zu fragen, ob sich nicht auch das Gericht dem Bereich der Kunst – in Form der Urteilssatire – nähert. Jeder Leser, und es soll ja Millionen davon geben, der sich für die Thematik der mittelalterlichen Wanderhuren interessiert, dürfte wissen, dass damals eher nicht zur Erbauung, sondern notgedrungen und zu völlig anderen Zwecken umhergewandert wurde. Wer beim Anblick des Voland & Quist-Covers gleichwohl davon ausgeht, dass der Buchinhalt von realen Wanderwegen zum Nachwandern handelt, ist vielleicht zu bedauern, bedarf aber nicht zwingend des Schutzes der Justiz.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert